Aus für den Trainer:Kovac war immer ein Fremdkörper beim FC Bayern

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Niko Kovac war immer der Mann von Uli Hoeneß. Nun bekommt er nicht einmal Bewährung - auch, damit der Bayern-Präsident einen konfliktarmen Abschied hat.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Das Gesicht, das Uli Hoeneß auf der Tribüne in Frankfurt präsentierte, war wie ein offenes Buch. In seiner Trauermimik waren gleich zwei Geschichten zu lesen. Das 1:5 bei der Eintracht ist per se ein sportliches Drama, eine Gruselstory. Hinzu kommt dieses alles überwölbende Thema, das derzeit das Klima beim FC Bayern bestimmt: der baldige Rückzug von Hoeneß aus (fast) allen Ämtern.

Bis dahin, bis zum Freitag, dem 15. November, sind es nur noch wenige Tage. Und weil diese Demission mächtig inszeniert werden soll, wurde dafür der Umzug aus der Halle der Basketballer (maximales Fassungsvermögen 7200 Zuschauer) in die Olympiahalle (maximal 15 500) verfügt. Ausgerechnet in dieser Situation musste Hoeneß nun eine Entscheidung treffen, die er gar nicht mehr treffen wollte: Er hat nach dem Frankfurter 1:5 noch einmal kurz den Daumen gesenkt - er musste noch einmal über das Schicksal eines Trainers richten. Niko Kovac bekommt nun nicht mal mehr Bewährung.

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Kovac war immer der Mann von Uli Hoeneß. Nicht der von Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzenden. Rummenigge war im Frühjahr 2018, als es um die Nachfolge von Trainer Jupp Heynckes ging, der erste Parteigänger von Thomas Tuchel. Diesen Meinungszwist haben die Bayern-Chefs, die in Frankfurt nebeneinander litten, nie verborgen. Hoeneß wird nach seinem Abschied aus dem Präsidentenamt jenes Vereins, dem er eine immerwährende Erfolgssehnsucht implantiert hat, nur noch einfaches Mitglied im Aufsichtsrat sein. Das alles ist längst beschlossen, es soll in der Olympiahalle mit programmatischen, salbungsvollen Worten besiegelt werden.

Da passt eine Tabellenkrise nicht ins Programm. Nach zehn Spieltagen steht der FCB auf Platz vier, so schlecht wie letztmals in der Saison 2010/11 - und am Samstag kommt Borussia Dortmund. Eine Niederlage, und der FC Bayern dürfte beim Hoeneß-Festakt Trübsal blasen.

Der FC Bayern befindet sich in einem radikalen Umbruch

Hätte man am Sonntag noch nach mildernden Umständen gesucht, die Kovac im Abwärtstrend entlasten, wäre man schnell auch bei den Oberen auf der Tribüne gelandet: Der FC Bayern befindet sich ja in einem radikalen Umbruch, nicht nur in der Mannschaft, auf fast allen Ebenen. Hoeneß zieht sich zurück, Rummenigge soll Ende 2021 den Stab an Oliver Kahn übergeben. So ist es verfügt, aber der Prozess hat Abstrahleffekte, die sich auf dem Spielfeld spiegeln.

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Kovac war immer ein Fremdkörper im politischen Kern des Vereins geblieben. Denn ein Trainer büßt Autorität ein, wenn er bei den Champions-League-Banketten, auf denen Rummenigge die Reden hält, selbst nach Siegen keine Erwähnung findet. Und er verliert weitere Autorität, wenn Hoeneß ihm, wie jüngst geschehen, fernmündlich diesen Martinez in die Aufstellung zu singen versucht. Mit diesem Martinez, versprach Hoeneß, werde eh bald alles besser vor der Abwehr: auf der Sechs, der Münchner Problemposition im zentralen Mittelfeld.

Javier Martinez kam auch in Frankfurt erst zur Schadensbegrenzung, beim Stand von 1:4. Die Personalie zeigte exemplarisch, wie schwer es ist, beim FC Bayern ein präzises Urteil über die Verantwortung für die aktuelle Unfallserie zu fällen. So hätte es zum Beispiel als Entlastung für Kovac taugen können, dass dieser Kader eine Unwucht besitzt. Den Kader, darauf legen sie bei den Bayern ausdrücklich Wert, stellt der Klub zusammen, der Trainer wirkt nur beratend. Den Kader verantwortet Sportdirektor Hasan Salihamidzic, abgenickt wird er von Rummenigge. Salihamidzic spielt in der Erbfolge beim FCB eine wichtige Rolle - Hoeneß will ihn wenige Stunden vor seiner Demission bei der letzten Aufsichtsratsitzung, die er leitet, in den Vorstand (konkret: zum Sportvorstand) befördern lassen.

Auch dabei störte die Debatte um den Trainer. Kovac hat durch rhetorische Ausrutscher, demonstrative Distanzierung von der Elf und diskutable Personalentscheidungen den Negativtrend ganz sicher nicht gebremst. Aber die Schuld trägt er nicht allein. Gezogen wird jetzt eine Parallele zu Jürgen Klinsmann, der 2009 abgelöst wurde - nach einem 1:5 in Wolfsburg. Damals kam Jupp Heynckes; er kam später noch zwei Mal. Kovac muss auch deshalb gehen, weil alles versucht wird, um Hoeneß am 15. November einen konfliktarmen Abschied zu bescheren. Vorerst also übernimmt Hansi Flick. Denn der ewige Joker Heynckes, 74, sticht nicht mehr, dieser Joker ist definitiv in Rente.

© SZ vom 04.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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