Amtsgericht Ebersberg:"Krank darf keiner werden"

Ebersberg Ansichten aus Höhe auf den Ortskern.

Das Amtsgericht Ebersberg im Herbst.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Bayernweit sind mehr als 200 Richterstellen unbesetzt. In Ebersberg bekommt man diesen Personalmangel zu spüren.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Es ist ein großes Buch mit schwarzem Einband, das immer dann im Sitzungssaal erscheint, wenn der Angeklagte selbiges nicht tut, oder wenn eine Verhandlung aus anderen Gründen vertagt werden muss. Dann nämlich müssen die Richter einen neuen Termin für den Prozess festlegen - und das ist gar nicht immer so leicht. Auch am Amtsgericht Ebersberg - dort also, wo eben jenes schwarze Buch im Einsatz ist - müssen die Vorsitzenden häufig viele Seiten überblättern, um eine freie Stelle zu finden. Der Grund ist die steigende Zahl der Verfahren bei gleichzeitig angespannter Personaldecke. Doch nicht nur die Richter sind ausgelastet, am Ebersberger Gericht mangelt es auch an Rechtspflegern und Servicekräften.

Die Amtsstube in der Kreisstadt ist damit in Bayern aber keine Ausnahme. Dem Bayerischen Richterverein zufolge fehlen im Freistaat insgesamt 226 Richter. Auf den Landgerichtskreis München II heruntergebrochen, zu dem neben dem Landkreis Ebersberg noch sieben weitere Regionen rund um die Landeshauptstadt gehören, sind 13 Richterstellen vakant. Während in anderen Justizhäusern Verfahren teilweise auf unbestimmte Zeit verschoben werden müssen, kommt man in der Kreisstadt mit dem vorhandenen Personal gerade noch so über die Runden.

Gerichtssprecher Markus Nikol zufolge sind derzeit zwar alle siebeneinhalb vorhandenen Richterstellen besetzt, allerdings stünde dem Ebersberger Gericht laut Plan noch eine halbe Stelle mehr zu. Was nach nicht viel klingt, hätte laut Nikol durchaus Auswirkungen auf das tägliche Arbeiten. "Da würde man schon einen Unterschied merken", sagt der stellvertretende Direktor des Amtsgerichts. Die Vergabe der offenen Stellen richtet sich nach der Anzahl der Verfahren, die ein Gericht im Verlauf eines Jahres zu bearbeiten hat - und diese nehmen in Ebersberg vor allem im Bereich der Strafsachen deutlich zu. Waren es 2017 noch 397 Fälle, mussten die Amtsrichter im Folgejahr 583 Mal ein Urteil sprechen.

Dass Ebersberg trotz der Mehrarbeit kein neues Personal bekommt, liegt schlicht an den fehlenden Richtern im Freistaat. Beim Bayerischen Richterverein schiebt man das vor allem auf den Sparkurs der Staatsregierung, die für die Verteilung zuständig ist. Die prekäre Situation an vielen Amts- und Landgerichten jedenfalls sollte bereits seit Jahren bekannt sein, denn die Behörden müssen ihren Personalbedarf regelmäßig beim Freistaat melden. Doch hier scheint eine alte Justizweisheit in etwas abgeänderter Form zu gelten: Wo kein Richter, da kein Richter.

Keine Spielräume mehr

Noch läuft zumindest in Ebersberg der Betrieb noch halbwegs reibungslos, ob das auch für die Zukunft gilt, bleibt abzuwarten. Denn laut Markus Nikol gibt es inzwischen keine Spielräume mehr. "Also krank darf keiner werden", sagt der Amtsrichter. Das gilt umso mehr, da auch in einem anderen Bereich eine sogar noch größere Personallücke klafft. Nikol zufolge stellt sich die Situation bei den Rechtspflegern und Servicekräften deutlich schlimmer dar. Erstere sind Beamte des gehobenen Dienstes, die sich etwa um Angelegenheiten wie Mahnverfahren oder Zwangsvollstreckungen kümmern, aber auch für das Grundbuch- und Nachlassrecht zuständig sind. Durch ihre Arbeit sollen sie die Richter entlasten und die Prozesse der Justiz beschleunigen. Am Ebersberger Amtsgericht sind derzeit allerdings 1,3 Rechtspfleger-Stellen unbesetzt.

Ähnlich wie bei den Richtern sind dem Amtsgericht auch hier die Hände gebunden. "Wir können die Leute nicht einfach einstellen", sagt Nikol. Für den Beruf sei eine spezielle Ausbildung nötig, die Nikols Einschätzung zufolge immer weniger junge Menschen auf sich nehmen oder erfolgreich abschließen würden. "Es sind einfach keine Leute da", so der Gerichtssprecher, der deshalb fordert, dass man die Ausbildung wieder attraktiver machen müsse.

Wieder anders ist die Situation bei den sogenannten Servicekräften, also den Sachbearbeitern. Diese kann die Ebersberger Behörde zwar selbst einstellen, aber auch hier fehlt Personal: dreieinhalb Stellen, um genau zu sein. "Bei einer Behörde mit insgesamt rund 60 Leuten spürt man das schon deutlich", sagt Nikol. Neue Mitarbeiter zu gewinnen sei allerdings alles andere als leicht. Zwar schalte man immer wieder Stellenanzeigen, die Resonanz sei jedoch meist überschaubar. "Wir hier in Ebersberg haben das Problem, dass die Leute eher nach München oder Rosenheim gehen."

Noch können Markus Nikol und Kollegen die Arbeit einigermaßen schultern. Die Situation sei derzeit eben bayernweit schwierig, sagt der Gerichtssprecher. Daran etwas ändern kann im Grunde genommen nur die Staatsregierung - und diese gelobt immerhin Besserung. So sollen auch künftig neue Stellen geschaffen werden, um die Behörden zu entlasten, heißt es aus dem Justizministerium. Bis diese Maßnahmen dann auch in Ebersberg greifen, muss allerdings weiterhin das große schwarze Buch herhalten - und bislang hat sich dort nach längerem Blättern ja immer noch ein freier Termin gefunden.

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