Imagekampagne "Sooo deutsch":Vandalen in Sandalen

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Versuch einer Werbekampagne: Die Spießersocken enden in einer Hipsterfrisur, und der Zuschauer denkt sich: aha. (Foto: Bundesministerium des Innern)
  • In einer Imagekampagne will das Bundesinnenministerium auf die Vielfalt Deutschlands hinweisen.
  • TV-Spots, Plakate, Info-Streams und Online-Werbung zeigen unter anderem weiße Tennissocken in schwarzen Sandalen.
  • Leider ist nichts an "Sooo deutsch" so deutsch - die Macher haben Ironie mit Idiotie verwechselt.

Von Gerhard Matzig

Zu sehen sind zwei weiße Socken und zwei dunkle Sandalen. Und zwei unrasierte Beine, weshalb man eher auf zwei Männerbeine schließen könnte. Aber weiß man's? Selbst dann kommen immer noch einige Milliarden individueller Möglichkeiten sowie Hunderte nationaler Zuschreibungen zur Komplettierung des inkriminierten Socke-Sandale-Sets in Betracht. Warum um Himmels oder auch Birkenstocks willen soll das denn bitte deutsch sein? Oder gar "sooo deutsch"?

Diese Frage ist nicht sinnvoll zu beantworten. Es sei denn, man hielte das Perpetuieren modehistorisch fraglicher und humortechnisch zu Tode gegähnter Dumpfklischees, die Ironie behaupten, aber Idiotie verbreiten, für so etwas wie eine imagefördernde, friedliebende und sogar identitätsstiftende Aktion. Für etwas, womit sich der Welt zudem zeigen ließe: Guckt mal, wir können auch lustig und total selbstironisch. Sooo lustig und sooo selbstironisch. Dann, und nur dann, wäre man wohl auch in der Lage, für ein derart absurdes Missverständnis dessen, was die Ironie zur Ironie macht, Millionen Euro aus Steuermitteln zu verfeuern. So wie die Bundesregierung, deren mehr noch skandalonhaftes als sandalenbewehrtes Bild von Deutschland einem Image und einer Kampagne eher gleicht als einer auch nur halbgeschickt betriebenen Regierungskunst.

Zu den Image-Socken gehören auch noch Image-Dackel, Image-Nacktbader, Image-Mülltrenner

Der Clip der im Auftrag des Innenministeriums ersonnenen "Imagekampagne" namens "Deutschland ist eins: vieles", die mit TV-Spots, Plakaten, Info-Streams, Online-Werbung und der untoten Geisterschar aus den Gräbern der Deutschhaftigkeiten zu den Jahrestagen von Maueröffnung und Wiedervereinigung einhergeht, gipfelt in einer Pointe. Da gleitet die Kamera über Sandale, Socke und Bein bis über die unvermeidlich kurze Hose nach oben - und heraus kommt: ein bärtiger, eher junger als alter Männerkopf mit jener Frise, die zu Zeiten, da das Wort Frisur noch allgemein bekannt war, als Männerdutt nicht falsch beschrieben gewesen wäre. Aber eh klar: Es ist ein Man Bun. Kapiert? Da denkt man doch gleich (Sandale! Socke!), haha, an einen alten, hässlichen, Deutschdeppen, aber, haha, in Wahrheit ist es ja ein junger smarter Globalist mit Bun. Also total angesagt. Ätschibätsch (wie die SPD sagen könnte) - Deutschland ist eben eines: vieles. Lächerliches eingeschlossen.

Zu den Image-Socken gehören auch noch Image-Dackel, Image-Nacktbader, Image-Mülltrenner und Image-Rasenkantenstecher. Um bei der Image-Sandale zu bleiben: Die ist (griechisch sándalon) keine Erfindung der Vandalen, sondern eine antike Errungenschaft, die man aus Ägypten, Griechenland und dem römischen Reich kennt. Die weißen Socken dazu sind mittlerweile modisches Zubehör in aller Welt - und Birkenstock ist ein Must-have mindestens in Hollywood. Nichts daran ist "sooo deutsch", weder mit einem noch mit drei O(-mein-Gott)-s.

Die kroatische Schriftstellerin Dubravka Ugrešić schreibt: "Ich hatte eine interessante Kindheit, umgeben von Slowenen, die geizig waren, Sloweninnen, die gern den Rock hoben, Montenegrinern, die faul waren, Kroaten, die Schwule und Filzläuse waren (...)." Später wollte sie "das grüne Tal menschlicher Vorurteile" für immer verlassen. Aber das geht nicht, es ist immer grün. Auch Kommunikationsagenturen und die deutsche Regierung leben in solcher Kindheit. Vielleicht sollte man sich dennoch als Deutscher (als solcher) nicht mehr fragen lassen, wie sich das Deutschsein (als solches) denn so anfühlt.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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