Mittendrin im Gewitter aus Bombenexplosionen, Flakwolken, Sturz- und Kamikazeflügen, zerschellenden Fliegern, brennenden Flugzeugträgern gibt es einen kurzen Moment Ruhe. Ein Navy-Soldat, von einem japanischen Kreuzer aufgegabelt, weigert sich, den Japanern mit Auskünften zu dienen, und wird über Bord geworfen, mit einem an seine Füße gebundenen Anker, der ihn sofort in die Tiefe zieht. Ein stiller, auf perverse Weise aufrechter Tod. Und: ein Moment der allerletzten Einsamkeit.
Die Schlacht von Midway ist in der amerikanischen historischen Mythologie weniger bekannt, für den Pazifikkrieg in den Vierzigern steht vor allem der Name Pearl Harbor, der Angriff der Japaner auf die US-Flotte vom 7. Dezember 1941. Auch bei Roland Emmerich geht's damit los, ein zitterndes Brummen in der Luft, die Teller in der Spüle klappern, ein kleines Mädchen schaut verwundert in den Himmel, dann ziehen die japanischen Bomber vor dem Gartenzaun vorbei, ganz niedrig, und das Chaos der Zerstörung beginnt. Die Katastrophe, mit der Roland Emmerich all seine Filme einsetzen lässt, ist diesmal eine historische. Pearl Harbor ist das größte geheimdienstliche Versagen der amerikanischen Geschichte, erklärt Lieutenant Commander Layton den Befehlshabern. Patrick Wilson spielt ihn mit hinreißender Fassungslosigkeit, die gern bis zur Ironie geht. Wenn die Japaner nicht gestoppt werden können, ist die Westküste der USA - und die Welt - verloren, dann brennen Seattle, San Francisco, Los Angeles.
Vom Pazifikkrieg haben die meisten großen Regisseure erzählt, auf allen möglichen Schauplätzen, Fritz Lang, Sam Fuller, Richard Fleischer, Otto Preminger, John Ford. Emmerich verschiebt den Akzent, vom vollen Einsatz der Kämpfer und ihren Materialschlachten - einer bremst gar eine lose, übers Deck schlitternde Bombe, als wäre er auf einem Rodeo - zu den Geheimdienstlern hinter ihnen, die aus Fakten, Fehlinformationen und Nebensächlichkeiten die Absichten des Feindes dechiffrieren müssen. Und sich durchsetzen müssen gegen das ferne Washington.
Diesen Bastlern fühlen sich die Filmemacher innig verwandt, Emmerich liebt, bei aller Computertechnik, das Handwerkliche, das eine eigene Realität schafft. Mit diesem naiven Enthusiasmus startete er von der HFF in München weg, direkt nach Hollywood. Auch John Ford, eins seiner Vorbilder, hat er mit diesem Enthusiasmus ausgestattet. Ford war in Midway dabei, hat selbst eine 16-mm-Kamera in den Händen gehabt und einen Kurzfilm gedreht, "The Battle of Midway". Bei Emmerich kadriert er begeistert mit den Händen seine Bildausschnitte, als käme er direkt von der Filmschule.
Midway, USA 2019 - Regie: Roland Emmerich. Buch: Wes Tooke. Kamera: Robby Baumgartner. Mit: Ed Skrein, Patrick Wilson, Luke Evans, Woody Harrelson, Mandy Moore, Dennis Quaid, Aaron Eckhart. Universum, 138 Minuten.