Cum-Ex-Prozess:Unwissende Helfer

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Zur Steuervermeidung nutzten die Cum-Ex-Banker das internationale Rote Kreuz, sagt der Kronzeuge. (Foto: REUTERS)

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz als ahnungsloser Erfüllungsgehilfe: Wie die angeklagten Aktienhändler das IKRK für ihre fragwürdigen Steuerdeals genutzt haben sollen. Der Kronzeuge erzählt vor Gericht die Details.

Von Nils Wischmeyer, Bonn

Es reicht ein Schaubild auf den Leinwänden im Bonner Landgericht aus, um alle im Saal zu verwirren. Gesellschaften mit exotischen Namen sind dort über Ecken mit Pfeilen verbunden - und oben steht das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Das ist bemerkenswert. Zum einen zeigt dieses Diagramm eine Struktur, mit der Cum-Ex-Akteure ihr Geld nahezu steuerfrei bekommen haben sollen. Zum anderen wusste das IKRK laut einer Zeugenaussage nichts und wurde offenbar nur benutzt, um Steuern zu sparen.

So beschreibt es Kronzeuge S. vor Gericht in Bonn in aller Ausführlichkeit. Dort sind zwei Ex-Aktienhändler wegen schwerer Steuerhinterziehung in 33 Fällen angeklagt, bei einem weiteren soll es beim Versuch geblieben sein. Vereinfacht gesagt ließen sich die Akteure eine nur einmal gezahlte Steuer zweimal erstatten und teilten die Beute dann auf. Das hat den Staat eine zweistellige Milliardensumme gekostet. Das Landgericht in Bonn soll klären, ob Deals dieser Art strafbar waren oder nicht.

Deshalb ist S. geladen und soll nun erläutern, was das IKRK mit den Deals zu tun habe. Seine Antwort ist klar: gar nichts. Das Internationale Rote Kreuz habe man nur gebraucht, weil S. und sein damaliger Kanzleikollege Hanno Berger eine gemeinnützige Stiftung als Begünstigten für ein Firmengeflecht hätten einsetzen wollen. In der Folge seien kaum bis gar keine Steuern fällig gewesen auf ihre hohen Gewinne der Cum-Ex-Geschäfte. Dass ausgerechnet das Internationale Rote Kreuz als Erfüllungsgehilfen auserkoren sei, habe jemand anderes entschieden, erzählt S.

Ob es möglich sei, das Rote Kreuz einzubinden, ohne dass es davon wisse, fragt ein Anwalt. S. bestätigt das. Das IKRK soll nur einen sehr geringen Anteil der Profite erhalten haben, ohne die Hintergründe zu kennen. Den meisten Profit aus den Geschäften sollen Berger und S. miteinander geteilt haben; über steuersparende Umwege. Das Geld soll unter anderem über Offshore-Gesellschaften gelaufen sein.

Kronzeuge S., der sich selbst schwer belastet, soll Gewinne in Höhe von 50 Millionen Euro eingestrichen haben. Versteuert worden sei der Profit, wie S. bei Gericht aussagt, zu Teilen in Luxemburg, wohl zu einem Steuersatz von rund zehn Prozent. Berger bestreitet, illegal agiert zu haben. Es habe alles seine Ordnung gehabt. Das IKRK reagierte am Dienstag nicht auf eine Anfrage.

© SZ vom 06.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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