Demonstrationen in Brunnthal:Windkraft entzweit den Südosten

Bei einem Treffen der Rathauschefs von Brunnthal, Sauerlach, Aying und Otterfing protestieren 150 Bürger lautstark gegen Rotoren im Hofoldinger Forst. Zur Gegendemo kommt ein kleines Häuflein von Klimaschützern

Von Bernhard Lohr, Brunnthal

Es ist ungemütlich kalt und bereits finstere Nacht, als es plötzlich hitzig wird. Gegen 20 Uhr kommt auf einmal Bewegung in die Menge, die im Fackelschein und unter Transparenten am Dorfladen in Brunnthal lange ausgeharrt hat. Alles drängt Richtung Schule. Einige klopfen dort an die Fenster des Mehrzweckraums, andere machen mit Pfeifen Lärm, und als einer anfängt zu rufen: "Finger weg vom Hofoldinger Forst!", fallen viele in den grimmig angestimmten Chor ein. Die Parteifreien Wähler Brunnthal (PWB) haben an diesem Dienstag zum Protest gegen den geplanten Bau von Windrädern im Hofoldinger Forst aufgerufen. 150 Bürger geben dabei ein zornig entschlossenes Bild ab.

Die Wirkung war beabsichtigt und sollte nicht nur das Häufchen Gegendemonstranten beeindrucken, die gleich daneben am Schuleingang stehen und sich unter dem Eindruck der Klimakrise als Befürworter von Windkraftanlagen outen. "Mehr Windenergie jetzt" steht auf deren Transparent und gemeinsam stimmen sie die Liedzeile "Kämpft um eure Zukunft" an. Mit der versuchen sie offensichtlich, sich auch gegenseitig Mut zu machen.

Die eigentlichen Adressaten der wütenden Menge aber sitzen im Mehrzweckraum hinter zugezogenen Fenstern zusammen. Bei dem Treffen der Bürgermeister und Gemeinderäte der in der Arbeitsgemeinschaft (Arge) Windenergie Hofoldinger Forst zusammengeschlossenen Gemeinden Sauerlach, Aying, Otterfing und Brunnthal geht es mit Landrat Christoph Göbel (CSU) darum, wie die Bemühungen, vier Windkraftanlagen im Staatsforst zu errichten, aus der Sackgasse geholt werden können. Als einzige Gemeinde hat Brunnthal den ausgehandelten Standortsicherungsvertrag abgelehnt, der die Nutzung von Windkraft ermöglichen, aber auch die Zahl der Windräder klar begrenzen soll. Und bei der Ablehnung soll es nach Meinung der Demonstranten auch bleiben.

Demo _Brunnthal

In Brunnthal demonstrieren Gegner und Befürworter von Windkraftanlagen im Hofoldinger Forst.

(Foto: Bardehle)

Das Nein des Brunnthaler Gemeinderats zu diesem Vertrag im Juli ging einher mit ersten öffentlichen Protestschreiben des Zweiten Bürgermeisters Thomas Mayer (CSU), der sich gegen jegliche Windkraftnutzung aussprach und vor einer Zerstörung des Forstes warnte. Doch während Mayer und die CSU das Ruder herumwarfen und mittlerweile warnen, ohne Vertrag könnten Investoren deutlich mehr von den baurechtlich privilegiert zu behandelnden Windrädern in den Forst stellen, setzen die Parteifreien umso vehementer auf die Kompromisslos-Linie.

In Flugblättern, mit denen sie zu der Demo aufriefen, zeichnen sie das Schreckensszenario, der Forst werde "unwiederbringbar zerstört" und in ein "Industriegebiet umfunktioniert". Mit diesen Befürchtungen sieht sich Bürgermeister Stefan Kern (CSU) konfrontiert, als er sich den Weg zur Arge-Sitzung bahnt. Er wird in Gespräche verwickelt. 260 Meter hohe Windräder im Wald halten viele für einen Frevel. "Mach es ins Feld rein", duzt ein aufgebrachter Demonstrant den Bürgermeister, "dann hast du viele Freunde." Als Kern sagt, ein Windrad müsse man "aushalten", ruft jemand: "Wir müssen alles aushalten!"

Brunnthal, Dorfladen: Protestkundgebung gegen Windkraft im Hofoldinger Forst, daneben eine Demo für Windkraft,

Während die Protestierenden ihren Unmut bekunden, beraten sich die Bürgermeister ihrer Gemeinden mit Landrat Christoph Göbel.

(Foto: Angelika Bardehle)

Man sei nicht generell gegen Windkraft, sagt der Organisator der Kundgebung, PWB-Gemeinderat Siegfried Hauser. Doch der Hofoldinger Forst sei nicht dafür geeignet, weil er in einem Schwachwindgebiet liege. Viele Demonstranten zeigen sich verärgert, dass gerade Brunnthal als Standort diskutiert wird. Die Windräder sollten an den Tegernsee, sagt jemand, oder auf den Wallberg. Leonhard Portenlänger aus Hofolding findet, im Oberland gebe es Hügel, die sich viel besser für Windkraftanlagen eigneten. Doch die "Prominenz" dort wisse sich gegen eine solche Verschandelung ihrer Landschaft zu wehren. Es sei dasselbe Spiel wie bei der Diskussion um einen Autobahn-Südring, der von Politikern aus dem Isartal verhindert werde. Warum stelle man kein Windrad nach Straßlach? Andere argumentieren, der wertvolle Wald werde durch die Bauschneisen für die Windräder kaputt gemacht, es würden auf Dauer massive Betonfundamente eingebaut.

Gemeinderäte aus Aying und Otterfing äußern sich vor der Arge-Sitzung verwundert über die Vehemenz des Protests. Max Ruf (SPD) aus Otterfing flüchtet sich in Sarkasmus und meint, in Brunnthal sollte am besten ein Kohlekraftwerk gebaut werden. Jeder nutze doch Strom, aber keiner wolle die Windkraftanlagen haben. Das sei das Sankt-Florians-Prinzip. Ramona Wüst, 25, die für "Fridays for Future" mit 30 anderen für Windkraft Flagge zeigt, sagt, man habe bei der Gegendemo bewusst leise Töne angeschlagen. Ihr sei wichtig zu demonstrieren, dass der Klimawandel für junge Menschen eine existenzielle Zukunftsfrage sei. Schutz des Waldes und Windkraft seien kein Widerspruch. "Wir wollen nicht akzeptieren, dass immer gegen uns entschieden wird." In der Arge-Sitzung selbst ging es dem Vernehmen nach darum, die Brunnthaler für eine Zustimmung zum Vertrag mit den Staatsforsten zu bewegen. Das Thema soll demnächst im Gemeinderat auf die Tagesordnung kommen.

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