Psychologie:Fehler machen schlau

Deutsche Meisterschaft im Kopfrechnen

Die Balance zwischen Fehlern und Erfolg muss stimmen: ein Teilnehmer bei der deutschen Meisterschaft im Kopfrechnen.

(Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa)
  • Fehler zu machen ist eine wichtige Voraussetzung fürs Lernen.
  • Psychologen haben jetzt herausgefunden, dass Lernen am Besten funktioniert, wenn 85 Prozent der Aufgaben richtig beantwortet werden können und 15 Prozent falsch.
  • Dann ist die Balance zwischen Erfolg und Herausforderung perfekt.

Von Tina Baier

"Thomas hat eine kleine Katze. Ihr Fehl ist weiß. Manchmal schmusst sie mit Thomas. Das mak er." Weil Menschen aus Fehlern lernen, verwenden Lehrer solche absichtlich falschen Texte im Unterricht. Ihre Schüler sollen sie korrigieren und so die richtige Rechtschreibung lernen.

Die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen, ist ein grundsätzliches Prinzip, das nicht nur für Menschen gilt, sondern ebenso für viele Tiere und auch für lernfähige Computerprogramme. Pädagogen wissen aus Erfahrung, dass Schüler am meisten lernen, wenn man sie weder unter- noch überfordert. Sind die Aufgaben zu leicht, geben sie zwar zu hundert Prozent richtige Antworten, lernen aber nichts Neues. Sind sie zu schwer, schalten sie frustriert ab und lernen genauso wenig. Ein Team von Psychologen um Robert Wilson von der University of Arizona will jetzt herausgefunden haben, wo genau der "sweet spot", also der optimale Bereich liegt. Im Wissenschaftsmagazin Nature Communications stellen sie die "85-Prozent-Regel" auf, der zufolge Lernen am besten funktioniert, wenn 85 Prozent der Aufgaben richtig beantwortet werden können und 15 Prozent falsch.

In ihren Experimenten nutzten die Psychologen lernfähige Programme als Modelle für menschliches und tierisches Lernen. Sie stellten die Computer vor verschiedene Aufgaben und maßen die Geschwindigkeit ihres Lernerfolgs. Unter anderem sollten die Maschinen Abbildungen von Zahlen der Kategorie "gerade" oder "ungerade" zuordnen oder entscheiden, ob die Ziffern zur Gruppe "kleiner als fünf" oder "größer als fünf" gehörten. Am größten war der Lernerfolg, wenn der Computer 85 Prozent der Aufgaben richtig lösen konnte.

Wichtig ist die Balance zwischen Erfolg und Herausforderung

Nach Ansicht von Wilson lässt sich die 85-Prozent-Regel auf menschliche Lernprozesse übertragen - zumindest, wenn es um einfache Aufgaben geht, bei denen es nur eine falsche oder eine richtige Antwort gibt. Etwa ein Radiologe, der zu unterscheiden lernt, ob auf einer Aufnahme ein Tumor zu sehen ist oder nicht.

Dass die 85-Prozent-Regel auch für komplexere menschliche Lernprozesse gilt, ist aber ziemlich unwahrscheinlich, das geben die Psychologen selbst zu. Schließlich lernen Menschen und auch viele Tiere nicht nur aus Fehlern, sondern auch auf viele andere Arten. Indem sie andere nachahmen zum Beispiel, oder indem sie verschiedene Erfahrungen kombinieren und so die Lösung für ein neues Problem finden. Lernen ist ein komplexer Vorgang - und eine Grundvoraussetzung für das Überleben. Wer nur über angeborene Verhaltensweisen verfügt und nichts dazulernt, kann sich zum Beispiel nicht schnell an Veränderungen in der Umwelt anpassen und sich in vielen Situationen nicht sinnvoll verhalten.

Trotzdem ist die Frage interessant, ob es beim Lernen einen "sweet spot" gibt und wo genau dieser Punkt liegt, an dem Motivation und Lernerfolg optimal sind. Viele pädagogische Konzepte beruhen auf der Annahme, dass zum Lernen eine Balance zwischen Erfolgserlebnis und Herausforderung notwendig ist. Bewusst oder unbewusst nutzen auch Hersteller von Videospielen diesen Mechanismus, um ihre Kunden zu manipulieren: Sie lassen Spieler, die eine bestimmte Aufgabe gelöst haben, auf ein höheres Schwierigkeitslevel aufsteigen und animieren sie so dazu, immer weiter zu machen.

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