Töpfern:Warum der gute alte Ton im Trend liegt

Lesezeit: 3 min

Wer fertig ist mit dem Formen muss sich für Farben entscheiden. (Foto: Florian Peljak)

Viele Münchner und sogar Hollywoodstars sollen am Töpfern Gefallen finden. Denn es kann erstaunlich entspannen, feuchte Klumpen zu kneten.

Von Franziska Gerlach

Sie stehen kurz vor der Vollendung, Anna Merkle und ihr Milchkännchen. Sie tupft und streicht was das Zeug hält, tunkt ihre Finger in Wasser, dann tupft sie weiter gegen die winzigen Risse und Dellen an, die ihr Werk von der Perfektion trennen. "Ah!", ruft sie mit einem Mal. Sie lacht. Ihre Freundinnen, die links und rechts von ihr sitzen, auch.

Ton ist nicht nur ein ziemlich angesagtes, sondern offenbar auch eigenwilliges Material, und es gehört schon ein wenig Fingerfertigkeit dazu, um ihn in Form zu bringen. Trotzdem haben am Ende des Keramikabends, den das Kinderkunsthaus an der Hohenzollernstraße jeden Dienstag anbietet (für Erwachsene!), alle zehn Teilnehmerinnen etwas Hübsches getöpfert. Eine Seifenschale ist entstanden, eine Butterdose mit Herz, ein Teller in Form einer Schnecke, Weihnachtsdekoration, drei Tassen und gleich mehrere Schalen.

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(Foto: Florian Peljak)

Kunstpädagogin Tina Rade (Mitte) erklärt Raphaela Roth (li.) und Anna Merkle die Kniffe der Töpferkunst.

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Eine Drehscheibe gibt es nicht, aber jede Menge Pinsel und Glasurfarbe.

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Doch bevor der Ton in den Ofen kommt, wird er erstmal kräftig geschlagen,...

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...passgenau geformt,...

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... und ausgeschnitten.

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Myriam Fischer hat den Keramikabend geleitet.

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(Foto: Florian Peljak)

Und am Ende die fertigen Werke bewundert.

Weil der Ton erst einige Tage trocknen und dann noch zweimal im Ofen gebrannt werden muss - einmal bei 950 Grad Celsius, nach der Glasur dann noch einmal bei 1200 Grad - können die Frauen ihre Schalen, Butterdosen und Tassen zwar nicht sofort mitnehmen. Raphaela Roth, 27, die gemeinsam mit Anna Merkle und Julia Ripke, 27, da ist, klingt dennoch zufrieden: "Es hat Spaß gemacht, mal wieder was mit den Händen zu tun."

Anderthalb Stunden vorher: Kursleiterin Myriam Fischer, eine Frau mit langen roten Haaren und einem dünnen Lederbändchen um den Hals, steht vor einem großen Tisch mit Nudelhölzern und begrüßt die Runde. "Wir haben keine Drehscheibe", sagt Fischer, die das Töpferhandwerk von ihrer Mutter, einer Keramikerin aus Passau, gelernt hat. Die Arbeit daran erfordere doch einige Erfahrung, wenn das Objekt nicht schief und krumm werden soll. Macht aber nichts: Sowohl mit der Überform- als auch mit der Aufbautechnik ließen sich schöne Ergebnisse erzielen. Während bei der einen mehrere Versatzteile Ton zu einem großen Ganzen verbunden werden, wird bei der anderen eine Styroporform mit Ton überzogen, etwa, wenn eine bauchige Salatschüssel dabei herauskommen soll. "Wir können alles umsetzen, was ihr gerade im Kopf habt", sagt Fischer. Mit Stempeln verzieren, bunt bemalen, oder den Ton am Ende mit einer glänzenden Schutzschicht überziehen, der Glasur - je nach Wunsch in Dunkelgrün, Schwarz, Weiß oder transparent.

Seit Anfang 2018 kann man im Kinderkunsthaus töpfern, die Plätze sind regelmäßig ausgebucht. "Töpfern ist das neue Yoga", steht auf dem Flyer, der für den Keramikabend wirbt. Das war Stricken allerdings auch schon. Und Nähen. Und Gärtnern. Doch wer einmal Hand an einen feuchten, kühlen Tonklumpen gelegt hat, der wird ihn vermutlich so schnell nicht mehr loslassen wollen. Lange Zeit als verstaubtes Hobby abgetan, ist das viele Jahrtausende alte Handwerk plötzlich wieder cool geworden, sogar Leonardo DiCaprio und Brad Pitt sollen Gefallen daran finden. Und auch der Münchner isst sein Müsli derzeit gerne aus einer selbstgefertigten Schale, das legt zumindest die Zahl der Töpferkurse nahe, die das Internet auf Anfrage anzeigt.

Es ist ja auch ungemein entspannend, wenn man einmal an nichts anderes denkt als an den nächsten Handgriff. "Das ist die perfekte Abwechslung zur Arbeit", sagt Daniela Dittrich. Die 29-jährige Ärztin ist gerade dabei, einen Tannenbaum aus einer ausgerollten Masse Ton zu schneiden. Total befriedigend sei das. Einen Tisch weiter knallt eine Frau mit kinnlangen Haaren einen Tonklumpen auf eine Holzplatte, vier, fünf Mal. "Die Luft muss raus. Sonst kann es später beim Brennen explodieren", erklärt Myriam Fischer.

Die Kursleiterin nimmt sich Zeit für jeden, zwei Mitarbeiterinnen des Kinderkunsthauses unterstützen sie an diesem Abend. Fischer und ihre Helferinnen erklären, dass die glibbrig-wässrige Tonmasse in dem Plastikgefäß "Schlicker" heißt und dazu dient, beim Töpfern zwei Teile miteinander zu verbinden, die man davor mit einer Gabel etwas angeraut hat. Oder dass man die Kanten einer Obstschale gründlich abrunden sollte, damit man sich später nicht daran schneidet. Oder sie helfen bei der Auswahl der Farben, wenn eine sich nicht entscheiden kann. Hellblau? Oder doch lieber ein Grünton? "Ich finde beides schön", sagt Teilnehmerin Gurprit Mahal und blickt etwas ratlos auf ihren Schneckenteller. Dann pinselt sie los, lässt Blau und Grün ineinanderlaufen.

Während die Schüssel von Raphaela Roth schon fix und fertig da steht, kämpft Anna Merkle noch mit ihrem Milchkännchen. "Es ist einfach nicht rund, verdammt!", ruft sie. "Aber das ist doch gerade das Schöne!", kontert ihre Freundin Julia Ripke. Dass es nicht nur selbst gemacht ist, sondern auch genau so aussieht. Sie selbst hat eine Tasse nachgetöpfert, die sie gekauft hat - mit maschinell hergestellten Dellen und Unebenheiten. Denn Perfektion, die will sich in diesen Tagen offenbar niemand ins Regal stellen.

Töpfern im Kinderkunsthaus an der Römerstraße 21/Ecke Hohenzollernstraße, immer dienstags von 19 bis 20.30 Uhr, Kosten: 22 Euro/ermäßigt 17 Euro, inklusive Material, Glasieren und Brennen. Freie Plätze von Mitte Dezember an.

© SZ vom 08.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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