Studie Pro-Quote-Medien:Revolution im Schneckentempo

Frauenquote

Eine von drei? Nicht annähernd. In der Medienbranche ist die Frauenquote in Führungsetagen immer noch marginal.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Die Organisation Pro Quote setzt sich dafür ein, dass mehr Frauen die Top-Jobs der Branche besetzen.
  • Am Donnerstag präsentierten sie ihre jährliche Zwischenbilanz - mit einem ernüchternden Ergebnis.
  • In deutschen Lokalredaktionen stehen nur acht Chefredakteurinnen hundert Männern entgegen.

Von Angelika Slavik

Wenn es um große gesellschaftliche Umbrüche geht, um echte Revolutionen, dann sieht es in der Rückschau ja immer so aus, als wären sie über Nacht passiert. Als hätte es plötzlich diesen einen entscheidenden, donnernden, gewaltigen Moment gegeben und dann sei alles anderes gewesen als zuvor.

Wenn man mittendrin ist in der Revolution, ist es ein deutlich weniger gewaltiges Erlebnis, zumindest wenn es um die Revolution in den Führungsetagen der deutschen Print- und Onlinemedien geht. Die Organisation Pro Quote setzt sich in der Branche dafür ein, dass mehr Frauen die Top-Jobs in den Redaktionen besetzen, am Donnerstag präsentierte sie ihre jährliche Zwischenbilanz. Man kann sagen: Es ist nicht so, dass sich gar nichts bewegen würde. Aber der gewaltige, große Umbruch, auf den der Verein hofft? Bislang ist es eher eine Schneckenrevolution.

Vor allem bei den deutschen Regionalzeitungen ist die Lage düster. Betrachtet man die Chefredaktionen dieser Medien, stehen hundert Männern nur acht Frauen gegenüber. Von diesen acht sind zudem drei Teil einer Doppelspitze mit einem männlichen Kollegen. Die Zahl der Frauen, die in Deutschland alleinverantwortlich die Redaktion einer Regionalzeitung führen lautet also: fünf.

Der "Frauenmachtanteil" der Zeitungen

Pro Quote misst den Einfluss von Frauen in den Medien nicht an deren Anteil an den Führungspositionen insgesamt, sondern gewichtet nach Führungsebene: Eine Frau in der Chefredaktion bedeutet einen höheren Anteil an der Macht als eine stellvertretende Ressortleiterin. Dieser "Frauenmachtanteil" hat sich bei den Regionalzeitungen in den vergangenen drei Jahren marginal entwickelt, er beträgt nun für diese Mediengattung im Schnitt 10,2 Prozent.

Bei den zehn größten überregionalen Zeitungen liegt dieser Wert bei 25,1 Prozent, wobei nur die Berliner Tageszeitung taz mit 50,8 Prozent die Macht zwischen den Geschlechtern ausgeglichen verteilt. Den geringsten Frauenmachtanteil verzeichnen das Handelsblatt mit 16,1 Prozent und die FAZ, die genau wie ihre Sonntagszeitung FAS bei unter 17 Prozent bleibt. Die Süddeutsche Zeitung wird in der Statistik 32,1 Prozent Frauenmachtanteil auf Platz drei geführt - allerdings wurden die Werte im vergangenen Juni erhoben, als Julia Bönisch noch Mitglied in der SZ-Chefredaktion und Chefredakteurin der Onlineausgabe war. Sie hat das Haus mittlerweile verlassen, ihre Nachfolge ist noch ungeklärt. Bei den großen Magazinen liegt der Stern klar vorne, dort werden Frauen mit 45,8 Prozent der Macht ausgestattet. Auch, weil im April 2014 jedes Ressort gezielt paritätisch mit je einem Mann und einer Frau an der Spitze besetzt worden ist.

Eine bessere Atmosphäre für mehr Frauen

Was kann man also machen, damit die Revolution an Tempo gewinnt? Darüber wurde im Anschluss an die Präsentation der Zahlen diskutiert. Die Chefin des Gruner + Jahr-Verlags, Julia Jäkel, unter deren Verantwortung also auch der Stern erscheint, sagt, es gelte vor allem auf die Atmosphäre in einem Unternehmen zu achten: "Wie sind die Sprüche, wie sind die Witze, wie ist die Weihnachtsfeier?", fragt Jäkel. Frauen müssten sich wohlfühlen, es brauche Rollenvorbilder, die verdeutlichen wie weibliche Führung aussehen könne. Wenn das gelinge, seien nicht nur die Frauen angetan, das ganze Unternehmen profitiere von einer diversen Führungsebene: "Ich kenne keine Männer, die in einer Monokultur arbeiten wollen", sagt Jäkel, "zumindest keine, die ich ernst nehme".

Marion Horn will das nicht recht glauben. Sie ist die Chefredakteurin der Bild am Sonntag und sagt, aus der Sicht eines Mannes sei heute jede Frau "eine Bedrohung für seine eigene Karriere". Vor ein paar Jahren hätten männliche Mitarbeiter in einer internen Bewertung ihren Führungsstil kritisiert - sie würde Frauen bevorzugen, lautete der Vorwurf. Dafür erinnert sie sich umso besser daran, dass in ihren Anfängen bei der Bild eine Rollenverteilung herrschte "wie bei Mad Men: Frauen gab es nur in jung und hübsch und als Sekretärinnen".

Die klassische Rollenverteilung findet man übrigens auch heute noch in der Statistik, wenn man etwa auf die Führungspositionen bei den Publikumszeitschriften schaut. Da gibt es in den Segmenten Frauenmagazine, Lifestyle, Haus und Garten viele Frauen in Führungsjobs, bei Motorpresse, Wissen und Technik und auch bei Wirtschaft sieht es aber mau aus.

Liegt das am mangelnden Interesse von Frauen an diesen Themen? Oder daran, dass die Männerbande dort besonders eng geknüpft sind? Darauf geben die Zahlen keine Antwort. Juliane Seifert, die Staatssekretärin des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, berichtet jedenfalls, dass es nicht nur in der Medienbranche ein zäher Weg sei zur gleichen Verteilung von Macht. Aber immerhin, kleine Fortschritte gebe es auch anderswo: So gebe es 2019 erstmals mehr Frauen in den Vorstandsetagen der großen deutschen Konzerne als Männer, die Thomas oder Michael heißen. "Das sieht man natürlich auch, von welchem Ausgangsniveau wir kommen", sagt Seifert.

Marion Horn will da noch abschließend anmerken, dass man sich eben von den Selbstzweifeln, "die Frauen auch so wunderbar machen", nicht abhalten lassen dürfe vom Weg an die Spitze. "Wer mit den großen Jungs spielen will, darf nicht nur mit Wattebäuschen werfen."

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