Chefinnen:"Sowohl Männer als auch Frauen diskriminieren weibliche Vorgesetzte"

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Haben es Frauen in Führungspositionen schwerer als Männer? Das wollte Martin Abel bei einem Experiment herausfinden.

(Foto: imago/Westend61)

Macht es einen Unterschied, ob es einen Chef oder eine Chefin gibt? Der Ökonom Martin Abel erzählt im Interview, warum gerade Männer schlecht mit weiblicher Kritik umgehen können.

Interview von Julian Erbersdobler

Wie reagieren Arbeitnehmer auf Feedback aus der Chefetage? Und welche Rolle spielt das Geschlecht des Vorgesetzten? Mit diesen Fragen im Hinterkopf gab sich der amerikanische Ökonom Martin Abel als fiktiver Arbeitgeber aus und heuerte Mitarbeiter an. Per Zufallsprinzip ordnete er ihnen auch fiktive Vorgesetzte zu - mal männlich, mal weiblich. Dann gab es Feedback. Im Interview erzählt Abel, wie unterschiedlich die Mitarbeiter damit umgingen.

SZ: Herr Abel, Sie sind für Ihr Experiment zum Arbeitgeber geworden. Wie sah das konkret aus?

Martin Abel: Ich habe 2700 Freiberufler beauftragt, für ein fiktives Unternehmen Quittungen in ein System einzugeben. Sie haben für ihre Aufgaben natürlich auch Geld bekommen, wussten aber nicht, dass es sich um eine Studie handelt. Jeder Person wurde am Anfang dann entweder eine Chefin oder ein Chef zugeteilt. Auch die Vorgesetzten waren fiktiv. Sie haben nach der Hälfte der Arbeit entweder positives oder negatives Feedback gegeben. Das kam per Nachricht.

Interview am Morgen

Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier.

Und wie waren die Reaktionen?

Sehr unterschiedlich. Lob hatte zum Beispiel keinerlei Auswirkung auf die Mitarbeiter.

Heißt das, dass sich Chefs positives Feedback sparen können?

Ganz so einfach ist es nicht. Ich glaube, das hat in diesem Fall mit den Eigenheiten der Gig Economy (kleine Aufträge, die kurzfristig an Freiberufler vergeben werden, Anm. d. Red) zu tun. Es ist ein bisschen wie bei Uber-Fahrern. Sie sind es gewohnt, dass sie positives Feedback bekommen. Der Uber-Fahrer erwartet, dass er fünf Sterne bekommt. Und wenn er dann nach der Fahrt fünf Sterne bekommt, hält sich seine Freude in Grenzen, weil er ja damit gerechnet hat.

Und wie ist es bei negativem Feedback?

Die Reaktion auf Kritik hängt stark vom Geschlecht des Vorgesetzten ab. Wenn eine Frau die identische Kritik äußert, führt das bei den männlichen Testpersonen zu größerer Unzufriedenheit mit der Arbeit und verdoppelt die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht noch einmal für die Firma arbeiten wollen.

Martin Abel

Martin Abel lehrt am Middlebury College im US-Bundestaat Vermont. Davor war er für seinen Master an der Havard University.

(Foto: privat)

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Es ist nicht so, dass Frauen ignoriert werden. Das konnte ich widerlegen. Nach dem klassischen Rollenbild werden Frauen aber eher mit Lob in Verbindung gebracht und Männer eher mit Kritik. In der Psychologie gibt es die Theorie, dass Leute negativ reagieren, wenn ihre eigenen Erwartungen widerlegt werden. Das kann ich in der Studie nicht beweisen, aber vieles deutet darauf hin, dass genau das beim kritischen Feedback passiert ist.

Wie unterscheiden sich die Reaktionen von Männern und Frauen auf weibliches Feedback?

Sowohl Männer als auch Frauen diskriminieren weibliche Vorgesetzte. Es gibt aber einen wichtigen Unterschied: Wenn Männer von Frauen kritisiert werden, wird die Kritik als weniger akkurat wahrgenommen. Das heißt: Männer zweifeln an der Kompetenz ihrer Chefin. Das tun Frauen nicht.

Können jüngere Arbeitnehmer besser mit weiblichem Feedback umgehen als ältere?

Ja, die Jüngeren reagieren weniger negativ auf die Kritik von Frauen - vielleicht weil die klassischen Rollenbilder bei ihnen weniger stark ausgeprägt sind.

Insgesamt klingen Ihre Ergebnisse aber doch eher pessimistisch. Was muss sich in Unternehmen ändern?

Es gibt hier meiner Meinung nach keine Patentlösungen. Einige Studien zeigen, dass die Diskriminierung abnimmt, wenn Frauen ihre Qualifikationen schon in der Bewerbung mehr hervorheben. Es mag auch helfen, die Angestellten direkt mit dem Thema zu konfrontieren. Zum Beispiel in Seminaren, in denen es darum geht, wie man Vorurteile abbaut.

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