Mittelfranken:Vier Quadratmeter, die eine Stadt spalten

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Pappenheims Bürgermeister Uwe Sinn ist nicht mehr bereit, "dieses lächerliche Spielchen auf Kosten der Allgemeinheit" mitzumachen. Er droht der Familie von und zu Egloffstein mit Enteignung. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Seit drei Jahren streiten sich die Familie von und zu Egloffstein und die Stadt Pappenheim um vier Quadratmeter einer öffentlichen Straße.
  • Nun erließ Pappenheims Bürgermeister Uwe Sinn einen amtlichen Bescheid mit Sofortvollzug gegen die Familie. Er will zudem ein Enteignungsverfahren einleiten.
  • Anlass sind Pläne der Stadt, den größten öffentlichen Parkplatz in der Innenstadt zu sanieren. Er ist nur über eine Engstelle zu erreichen, in der die besagten vier Quadratmeter liegen.

Von Uwe Ritzer

Seit drei Jahren tobt der Straßenkampf nun schon, ein Kleinkrieg der besonderen Art. Zwischendurch war ein bisschen Frieden eingekehrt, aber nun flammt er wieder auf, heftiger denn je. Es geht um vier Quadratmeter einer öffentlichen Straße mitten in der historischen Innenstadt von Pappenheim. Der Flecken gehört der Familie von und zu Egloffstein, deren Oberhaupt Albrecht, 73, seit Jahrzehnten zu den einflussreichsten Denkmalpflegern in Bayern zählt und zur Staatsregierung und Ministerialbürokratie gute Kontakte pflegt. Was ihn und die Seinen nicht daran hindert, sich zu Hause ein Duell mit der Kommune zu liefern. Nun droht den Egloffsteins dort gar eine Enteignung.

An diesem Freitag griff Pappenheims Bürgermeister Uwe Sinn durch und erließ einen amtlichen Bescheid mit Sofortvollzug gegen die Familie. Anlass sind Pläne der Stadt, den größten öffentlichen Parkplatz in der Innenstadt zu sanieren. Er ist nur über eine Engstelle zu erreichen, in der die ominösen vier Quadratmeter liegen. Die Straße existiert seit mehr als hundert Jahren, wobei vor sehr langer Zeit von der Verwaltung versäumt wurde, besagte vier Quadratmeter auch korrekt als Teil dieser Straße rechtlich zu widmen. Wenige Tage nun, bevor die Arbeiter zur Parkplatzsanierung anrückten, verbot die Familie über ihren Anwalt der Baufirma, die vier Quadratmeter "zu begehen, zu befahren oder anderweitig zu nutzen". Sie drohte andernfalls mit einstweiligen Verfügungen und Schadenersatzforderungen.

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Der Bürgermeister ist "dieses lächerliche Spielchen um vier Quadratmeter Straße auf Kosten der Allgemeinheit" jetzt leid, wie er sagt. Weshalb Uwe Sinn den Bescheid erließ, der die Überfahrt mit sofortiger Wirkung gestattet. Seit Jahren bemüht er sich darum, der Familie die vier Quadratmeter für die Stadt abzukaufen, was aber "für uns nicht in Frage kommt", wie Desiree Gräfin von und zu Egloffstein als Generalbevollmächtigte ihrer Familie Ende Oktober nicht zum ersten Mal bekräftigte. Stattdessen forderte sie im Gegenzug für eine Abtretung des Straßenflecks weitreichende Zugeständnisse für die Gestaltung vor dem Schloss, das am Marktplatz steht und ihrer Familie gehört. "Wenn wir darauf eingehen würden, käme das einer Enteignung des Marktplatzes gleich", sagt Bürgermeister Sinn. "Wir müssten künftig jede Veränderung auf einer Gesamtfläche von mehreren Hundert Quadratmetern von der Grafenfamilie vorher genehmigen lassen. Das steht in keinem Verhältnis, das ist absurd."

Eine friedliche Lösung ist nicht in Sicht, und wie jeder Konflikt hat auch dieser eine Vorgeschichte. Sein Ursprung liegt in der Sanierung des Schlosses, in dem die gräfliche Verwaltung sitzt und die Familie offenkundig lebt. Bezahlt wurde das Millionenprojekt hauptsächlich vom Steuerzahler, unter anderem mit 1,9 Millionen Euro Städtebaufördermitteln. Im Gegenzug für die Zuwendungen verpflichteten sich die Egloffsteins, in klar festgelegten Bauabschnitten ebenso eindeutig definierte Reparaturen an dem klassizistischen Schloss vornehmen zu lassen, das nach Plänen des königlichen Hofarchitekten Leo von Klenze im frühen 19. Jahrhundert errichtet wurde. Vor allem die gammelige Fassade zum Marktplatz hin sollte saniert werden.

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Das allerdings ist bis heute nicht geschehen. Wie sich herausstellte, investierten die Egloffsteins lieber in andere Arbeiten, etwa die Aufhübschung ihrer rein privaten, zur Altmühl hin gerichteten Schloss-Rückseite. So sieht es jedenfalls die Stadt. Deshalb stoppte sie die Mittelzuwendung und verlangt eine Rückzahlung von etwa 40 000 Euro. Seit geraumer Zeit liegt der Fall beim Ansbacher Verwaltungsgericht.

All dies soll die Egloffsteins doch sehr verärgert haben. Die vier Quadratmeter Altstadtstraße dienen ihnen offenbar als Druckmittel. Einmal drohten sie gar damit, den Flecken mitten in der Straße zu umzäunen - kein Auto käme dann noch zum Parkplatz durch. Das Klima in Pappenheim ist über all dies vergiftet: Das geschichtsträchtige Städtchen am Ufer der fränkischen Altmühl ist so gespalten wie der Stadtrat. Kritiker nennen Familienoberhaupt Albrecht von und zu Egloffstein kurz "Graf Ego" und wundern sich, wie dieser nach wie vor zweiter stellvertretender Vorsitzender des bayerischen Landesdenkmalrates und Mitglied anderer einschlägiger Gremien sein kann. Die Familie hat aber auch treue Paladine, darunter Stadträte, die dem Bürgermeister und seinen Unterstützern Vorwürfe machen und verlangen, trotz aller Vorschriften gegenüber "der Grafschaft" Milde walten zu lassen.

Für Uwe Sinn ist das keine Alternative, "denn bekanntlich gelten Gesetze und Vorschriften in diesem Land für alle gleich." Im Kleinkrieg um die vier Quadratmeter fährt er jetzt scharfes Geschütz auf. Er will ein Enteignungsverfahren einleiten.

© SZ vom 09.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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