Fürstenfeldbruck/München:Unbegreifliche Tat einer Mutter

Verfahren wegen versuchter Tötung des Sohns wird vertagt

Von Andreas Salch, Fürstenfeldbruck/München

Wie es ihr ging, worüber sie jetzt bitterlich weint, lässt sich wohl nicht einmal erahnen: eine Lehrerin aus dem Landkreis, Mutter eines Teenagers. Nach Einschätzung von Ärzten litt sie Anfang dieses Jahres an einer "schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen". Am Morgen des 14. Januar fasste sie den Entschluss, ihr Kind und anschließend sich zu töten. An diesem Freitag sitzt die Frau auf der Anklagebank des Schwurgerichts am Landgericht München II. Die Staatsanwaltschaft hat die zeitlich unbefristete Unterbringung der Lehrerin in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik bei Gericht beantragt. Denn strafrechtlich kann die Mutter wegen ihrer psychischen Erkrankung nicht verantwortlich gemacht werden für das, was sie getan hat.

Nachdem ihr Mann am frühen Morgen jenes 14. Januar das Haus verlassen hatte, war sie in das Kinderzimmer gegangen. Sie trug Handschuhe und hatte sich mit einer Zieraxt bewaffnet. Ihr Kind schlief noch. Es lag auf dem Bauch in seinem Bett. Die Mutter setzte sich auf den Rücken des Kindes und begann es mit beiden Händen zu würgen. Das Kind erwachte und fragte: "Mama, was machst du?" Doch die Mutter ließ nicht ab. Das Kind begann sich mit aller Macht zu wehren. Die Mutter holte mit der Zieraxt aus und schlug auf den Hinterkopf ihres Kindes, um es zu betäuben und um "mit dem Würgevorgang" bis dessen "Ableben fortfahren zu können", heißt es in der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft. Als der Anklagevertreter diese Passage verliest, presst die Lehrerin ihre Lippen fest aufeinander, schließt die Augen, zittert, schluchzt und hält sich beide Hände vors Gesicht. Seit der Tat ist die Frau einstweilig in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung untergebracht.

Trotz des Würgegriffs und den Beilschlägen der Mutter gelang es dem Teenager, sich loszureißen. Nur mit einem Schlafanzug bekleidet, rannte er barfuß aus dem Haus - die Mutter hinterher. Das Kind fand Schutz bei Passanten. Die Mutter gab daraufhin auf, lief zurück in ihre Wohnung. Dort versuchte sie zunächst, sich die Pulsadern aufzuschneiden, dann wollte sie sich erhängen. Beides gelang ihr nicht, auch deshalb, weil Polizisten schnell vor Ort waren. Das Kind der Lehrerin erlitt ein Hirntrauma. Es musste intensivmedizinisch behandelt werden.

Wie es zu dieser Tragödie kommen konnte, wird nicht zu erfahren sein. Noch vor Verlesung der Antragsschrift durch den Staatsanwalt beantragte die Verteidigerin der Lehrerin, die Öffentlichkeit für weite Teile der Verhandlung auszuschließen. Bei der Vernehmung ihrer Mandantin müssten Dinge angesprochen werden, die zum "persönlichen Lebensbereich" gehören und die es zu schützen gelte, erklärte die Anwältin. Die Erörterung vor Gericht werde ihre Mandantin an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führen. Eine psychiatrische Sachverständige fügte hinzu, eine öffentliche Einvernahme wäre der Gesundheit der Beschuldigten abträglich. Das Gericht unter dem Vorsitzenden Richter Thomas Bott schloss sich dem Antrag der Verteidigung an. Der Prozess wird am 18. November fortgesetzt. Ein Urteil wird für Ende des Monats erwartet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: