Handball-Bundesliga:Wie von Hitchcock inszeniert

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Uwe Gensheimer von den Rhein-Neckar Löwen jubelt über ein Tor. (Foto: dpa)

Das 26:25 der Rhein-Neckar Löwen gegen Kiel bietet alles, was den Handballsport ausmacht - es zeigt sich, dass die Liga viel spannender ist als gedacht.

Von Carsten Scheele

Wie viele dramatische Wendungen passen in ein Handballspiel - drei, vier, fünf? Man konnte während des Gipfeltreffens der Rhein-Neckar Löwen mit dem THW Kiel beim Zählen durcheinanderkommen, am Ende trugen die Löwen jedenfalls ihren Torhüter Mikael Appelgren durch die Halle. Der hatte drei Sekunden vor Schluss seine linke Pranke hochschnellen lassen und einen letzten Gewaltwurf des Kielers Domagoj Duvnjak entschärft - es war der finale Gong beim 26:25 (10:13), in einem Bundesliga-Spitzenspiel wie von Hitchcock inszeniert. Als Löwen-Kapitän Uwe Gensheimer vor die Mikrofone trat, ein Mann, der im Handball alles mitgemacht hat, wirkte er baff: "Das war eine Achterbahnfahrt, die ich so noch nicht erlebt habe."

Die Rhein-Neckar Löwen haben der Bundesliga am Donnerstagabend einen Dienst erwiesen; sie haben alle Kräfte aufgewendet, um die schon sieben Spiele währende Siegesserie des THW Kiel zu brechen. Hätten die Kieler auch in Mannheim gewonnen; sie wären nur noch schwer aufzuhalten gewesen auf dem Weg zur ersten Meisterschaft seit 2015. Doch ganz so leicht macht es ihnen die Liga im EM-Jahr nicht: Der THW kann noch verlieren, ist in der Tabelle bloß Zweiter, einen Punkt hinter dem Überraschungsteam Hannover-Burgdorf, auf das Kiel Mitte November trifft. Zwei Punkte vor Meister Flensburg, vier vor den Löwen. Die Liga ist spannender als erhofft - eine gute Nachricht.

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Rekordmeister ist trotzdem mitten drin in seiner Renaissance, das zeigten die Kieler in der ersten Halbzeit. Sieben Tore betrug der Vorsprung zwischenzeitlich für die Gäste (13:6), ein Klassenunterschied. "Nach 15 bis 20 Minuten sieht es so aus, dass wir aus der Halle geschossen werden", erzählte Löwen-Spielmacher Andy Schmid bei Sky. Doch so gefestigt sind die Kieler nach ihren Umbruchjahren noch nicht. Bis zur Halbzeit büßten sie mehr als die Hälfte des Vorsprungs ein, kurz nach der Pause führte Mannheim sogar - die meisten der 13200 Fans in der Halle brüllten. "Wir hören auf, Handball zu spielen", bemäkelte Kiels Nationalspieler Hendrik Pekeler. Die Kieler warfen leichte Bälle weg oder scheiterten am immer fulminanter haltenden Keeper Appelgren. Endgültig kompliziert wurde es, als Kiels Gisli Kristjansson auf die Schulter fiel und mit ausgekugeltem Gelenk unter Schmerzensschreien aus der Halle geführt wurde.

Noch einmal nahm die Achterbahn Fahrt auf, Kiel führte trotz aller Rückschläge vier Minuten vor Schluss mit drei Toren, doch Gensheimer per Siebenmeter und Appelgrens Pranke drehten die Partie in der letzten halben Minute. Er habe "selten ein Spiel dämlicher verloren", urteilte Pekeler.

Nichtsdestotrotz haben die Kieler die Favoritenposition inne - das erkannte auch der Gegner an. Vier lange Jahre kamen die deutschen Meister aus Mannheim (2016, 2017) oder Flensburg (2018, 2019), diese Serie könnte in diesem Jahr reißen. Der Kieler Kader verfügt über eine beneidenswerte Breite, profitiert von den Ideen des neuen Trainers Filip Jicha, der zwar erstmals Chef auf der Bank ist, aber zwei Jahre lang in die Aufgabe hineinwachsen konnte. Der mehrfache Welthandballer lässt die Kieler mit beachtlichem Risiko agieren, gibt auch den jungen Profis viele Spielanteile, ohne dass die Mannschaftsleistung merklich nachlässt. Kiel habe "eine neue Generation aufgebaut", lobte Löwen-Coach Kristjan Andresson: "In diesem Herbst spielen sie überragend." Schwer wiegt jedoch die erneute Verletzung von Kristjansson, 20, der wochenlang fehlen wird. An diesem "gebrauchten Tag" seien die Gedanken beim jungen Isländer, sagte Jicha: "Ich verspreche ihm, dass wir Siege für ihn holen werden."

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