Kolumne: Bei uns im Adlon:Alter, neuer Ruhm

Lesezeit: 2 min

1907 wurde das Hotel Adlon eingeweiht – und damals wie heute beherbergt es berühmte Menschen. (Foto: imago)

Das Hotel Adlon ist 112 Jahre alt. Dennoch wirkt es an manchen Stellen, als wäre es für Instagram erdacht.

Von Lea Hampel

Kommt man heutzutage in ein Hotel, gleicht das oft einer Museumstour: Im Aufzug strahlt eine Lichtinstallation, auf dem Schrank sitzt ein Kuscheltier und das Kopfkissen ziert ein Spruch, ein aufs Fenster ausgerichteter Sessel verleitet zum Fläzen. Das Interieur ihrer Häuser, geben Hoteliers zu, richtet sich nicht mehr nur danach, ob es bequem ist oder gut zu reinigen. Es muss, so der Fachausdruck, "instagrammable" sein.

Nun ist die Foto-App Instagram ein vergleichsweise neues Phänomen. Das Hotel Adlon in Berlin dagegen ist mittlerweile 112 Jahre alt, hat Ruhm und Niedergang, Wiederauferstehung und eine gehörige Portion bundesdeutscher Geschichte miterlebt. Dennoch könnte man meinen, Kaiser Wilhelm II. und der namensgebende Lorenz Adlon hätten so einiges voraus geahnt. Im Hintergrund das Brandenburger Tor, auf das man aus manchem Zimmer direkten Blick hat, davor der Pariser Platz, auf dem damals wie heute Pferdekutschen fahren. Wahrzeichen und Tiere funktionieren im Internet immer, besser hätte es sich keine Digital-Agentur aus Berlin-Mitte das Setting ausdenken können.

Nun ist der Hang des Menschen zur Selbstdarstellung auf jeden Fall noch älter als das Hotel selbst. Und in der Tourismusbranche gilt schon immer, dass noch wichtiger, als das, was man hat und ist, das ist, was die heimkehrenden Gäste für erzählens- und abbildenswert halten.

Aber all das hat mit und auf Instagram eine neue Dimension bekommen. Und so geht das ungeplante Kalkül auf: Auf Instagram hat das Hotel 14 600 Abonnenten. Der Hashtag Adlon wurde bereits rund 16 600 Mal verwendet. Zu sehen sind auf den Bildern, wie war es anders zu erwarten, Menschen, die aus ihrem Zimmer aufs Brandenburger Tor schauen. Menschen, die ihr eigenes Frühstück bewundern. Und, in immer noch verwirrender aber für Hotel-Selfies typischer Menge, Menschen im Bademantel, darunter etliche Personen, deren Hauptbeschäftigung offenbar ist, in Badewannen zu posieren und euphorisch Croissants zu begutachten.

Wer nun meint, sogenannte Influencer seien ebenfalls ein Phänomen der Moderne, den belehrt das Adlon eines besseren: Greta Garbo und Albert Einstein, den man ja getrost als Influencer im wörtlicheren Sinne bezeichnen kann, übernachteten und speisten hier. Helene Weigel und Bertolt Brecht wohnten ein halbes Jahr lang hier, Marlene Dietrich beehrte das Haus. Was das Adlon allerdings zu einem Traditionshaus im Wortsinne macht, ist, dass man nicht etwa eine der vielen Aufnahmen von damals auf Instagram postet. Sondern sie so stolz wie diskret im Silberrahmen in die Zimmer stellt.

© SZ vom 12.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: