Wissenschaftsbetrieb:Jugend fälscht

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In Südkorea haben zahlreiche Wissenschaftler ihre Kinder als Co-Autoren von Fachartikeln ausgegeben. Diese Form der betrügerischen Frühförderung soll die Chancen erhöhen, dass die Kinder einen der begehrten Studienplätze an einer Elite-Universität ergattern.

Von Werner Bartens

In Südkorea haben Forscher in mehreren Dutzend Fällen ihre Kinder oder Kinder von Freunden als Co-Autoren von Fachveröffentlichungen angegeben. Das Wissenschaftsmagazin Nature berichtet über diese besondere Form des Betrugs, wovon mindestens 24 Fachartikel betroffen sein sollen. Als Motivation wird vermutet, dass Jugendliche als Mitverfasser solcher Beiträge größere Chancen hätten, einen der raren Plätze an einer Eliteuniversität des Landes zu bekommen.

Nun kann Frühförderung nicht früh genug beginnen. Deshalb ist es tröstlich für Spätpubertierende, dass ihnen auch dann noch der Karriereweg geebnet werden kann, wenn es die Eltern verpasst haben sollten, den Nachwuchs im Mutterleib mit klassischen Etüden zu beschallen oder einen Kindergarten mit Fremdsprachenkurs zu wählen. Jenseits solcher individuellen Ambitionen aus dem Kulturkreis der Overachiever und Tiger-Moms wirft das dreiste Namedropping aber ein Schlaglicht auf einen aus den Fugen geratenen Publikationsbetrieb.

Längst ist die wichtigste Währung in der Wissenschaft die Veröffentlichung eines Artikels in einer angesehenen Fachzeitschrift. Obwohl es mancherorts Bemühungen gibt, für Berufungen auf Professuren oder Institutsleitungen nur eine Handvoll der hochwertigsten Paper zu berücksichtigen, gilt oft noch die alte Faustregel: Die Menge macht's, publish or perish - veröffentliche oder verschwinde. Viele Artikel sind deshalb von so minderer Qualität, dass sie das Papier - oder die Download-Zeit - nicht wert sind. Das gilt erst recht für Fachartikel in Raubverlagen. Ihr Geschäftsmodell besteht darin, dass sie Fake-Journale gründen, in denen gegen Gebühr minderwertige Beiträge abgedruckt werden können, um damit die eigene Literaturliste zu verlängern.

Auch in Deutschland gibt es gerade in Medizin und Lebenswissenschaften viele sogenannte Koryphäen, die sich in ihrer Literaturliste mit 500 oder mehr Artikelbeiträgen schmücken. Eine solche Menge an Fachartikeln kann entweder nicht von großer Qualität sein - oder sie beruht auf einem weiteren Missstand des Publikationswesens, der Ehrenautorschaft. Sie wird dem Institutsleiter, Chefarzt oder Abteilungsvorstand gleichsam gratis gewährt, weil dieser Räumlichkeiten stellt, den Vertrag der Forscher verlängert oder eine andere Gunst von ihm erwartet wird.

In Südkorea wurden 794 Fachartikel identifiziert, in denen Kinder als Co-Autoren auftauchten. Auch wenn manche als Schülerpraktikanten tatsächlich ein wenig an der Forschung beteiligt gewesen sein mögen, bleiben Dutzende Fälle, in denen die Namensnennung auf betrügerische Weise erfolgte. Wissenschaftsforscher So Young Kim äußert in Nature die Vermutung, dass "es viel weiter verbreitet ist, Kinder als Co-Autoren zu benennen, als wir denken". Der Materialwissenschaftler Changgu Lee von der Universität Suwon ist gar dagegen, dass Universitäten für die Vergabe von Studienplätzen berücksichtigen, ob die Bewerber Fachartikel veröffentlicht haben: "Oberstufenschüler können keinen seriösen Beitrag zur Forschung leisten", sagt er. "Zudem besteht die Gefahr des Missbrauchs."

© SZ vom 14.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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