Weißrussland gegen Deutschland:Hleb moniert aus dem Hintergrund Defizite

Weißrussland - Deutschland

Manuel Neuer (li.) und Juri Kawaljow aus Weißrussland - so lief es im Hinspiel in Borissow.

(Foto: dpa)
  • Deutschlands Nationalelf trifft am Samstag in Mönchengladbach auf Weißrussland - doch die Weißrussen verzichten auf ihren einzigen wirklich bekannten Spieler.
  • Offensivspieler Alexander Hleb, 38, ist zwar noch aktiv, aber nicht mehr Teil der Nationalelf - es gibt auch sonst nur wenig Glamour beim DFB-Gegner.

Von Johannes Aumüller

Eine bemerkenswerte Revolution steht bevor in Weißrusslands Fußball. Seit 2006 war es üblich, dass sich im Kampf um die nationale Meisterschaft stets ein Klub namens Bate Borissow durchsetzte. Aber nun ist diese beeindruckende Serie offenkundig vorbei. Wenn in den kommenden Wochen alles so läuft wie erwartet, wird der nächste Meister - Weißrusslands Liga spielt nach dem Kalenderjahr - nicht Bate Borissow, sondern Dinamo Brest, ein ungewöhnlicher Klub aus dem Westen des Landes.

Das Geld für dessen Aufstieg kam über eine Firma in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Für die Öffentlichkeitsarbeit zeichnet die Miss Weißrussland von 2008 verantwortlich. Immer wieder gibt es ein paar PR-Gags, und im Vorjahr gelang es Dinamo sogar, den großen Diego Maradona für eine diffus definierte Funktion in der Vereinsspitze zu verpflichten. Einen skurrilen Willkommenstag gab es für den Argentinier, inklusive einer Fahrt im offenen Militärjeep durch die Stadt, aber allzu oft wurde Maradona danach nicht mehr in Brest gesichtet.

Von so viel Glamour wie beim designierten Meister sind sie bei der Nationalmannschaft Weißrusslands, am Samstag nächster deutscher Gegner in der EM-Qualifikation, aber weit entfernt. Nicht einmal den einen prominenten Namen, der über fast zwei Jahrzehnte in ihrem Team herausragte, haben sie noch in ihren Reihen. Offensivspieler Alexander Hleb (früher unter anderem FC Barcelona und VfB Stuttgart) ist zwar auch als 38-Jähriger noch fußballerisch aktiv, aktuell in Diensten des Klubs FK Islotsch nahe der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Aber für die Nationalelf spielt er im Moment nicht mehr.

Schon fürs Heimspiel der Weißrussen gegen die DFB-Elf im Juni lud ihn der damalige Trainer Igor Krijuschenko nicht mehr ein. Und dass Weißrusslands Verband wenig später Krijuschenko durch Michail Marchel ersetzte, änderte auch nichts. Sollte es mit der Qualifikation für die EM 2020 etwas werden, hole er Hleb zurück, scherzte Marchel schon.

Entwicklung nach unten

Ohne Hleb aber kommt Weißrusslands Team recht bieder daher. Der bekannteste Kicker ist jetzt der Kapitän und Innenverteidiger Alexander Martynowitsch, der beim russischen Klub FK Krasnodar unter Vertrag steht. Das Gros des aktuellen 23-Mann-Kaders stellen die nationalen Spitzenklubs aus Brest und Borissow (insgesamt 13). In der EM-Gruppe wiederum sind die Weißrussen zwar chancenlos, aber immerhin nicht Tabellenletzter - und das komplizierte Qualifikationsverfahren ermöglicht ihnen noch eine Teilnahme an den Playoffs im Frühjahr. Es wäre das erste Mal, dass sich Weißrussland für ein großes Fußball-Turnier qualifiziert.

Aber trotz dieser Aussicht geht die Entwicklung in Weißrusslands Fußball tendenziell nach unten. Hleb und andere Protagonisten monieren seit Jahren Defizite. Aus ihrer Sicht gibt es kein richtiges Zukunftskonzept und keine angemessene Nachwuchsförderung. Das Niveau der heimischen Liga ist insgesamt recht schwach. Und das Budget des Verbandes ist zwar überschaubarer als in benachbarten Ländern, aber zugleich der politische Einfluss ähnlich groß.

Weißrusslands autokratischer Präsident Alexander Lukaschenko versteht den Sport traditionell als Bühne für sein Regime. Er ist zwar in erster Linie ein Mann des Eishockeys. Aber in diesem Sommer stiegen in Minsk die Europaspiele, und auch im Fußball sind Interventionen sichtbar. Schon verschiedene EM-Endrunden für Junioren fanden in Weißrussland statt, und für 2022 hinterlegte Lukaschenko jüngst den Wunsch, den europäischen Supercup auszurichten. Mithilfe chinesischer Investoren soll in Minsk ein neues Stadion entstehen, obwohl das bisherige gerade erst eine Generalsanierung hinter sich hat. Und auch im Fußballverband positionierte Lukaschenko natürlich Vertraute.

Bis vor Kurzem ging er dabei sogar so dreist vor, dass den Verband der Premierminister Sjargej Rumas höchstselbst anführte - entgegen aller üblichen Beteuerungen, dass Fußball und Politik getrennt zu sein hätten. Im Frühjahr gab Rumas sein Fußball-Amt dann ab, und es übernahm Basanow, ein Mann aus dem Militär, der zu den Veteranen des Afghanistan-Krieges zählt und inzwischen Abgeordneter im weißrussischen Parlament ist. Vor ein paar Jahren war er auch schon mal im Fußball aktiv gewesen - just als Präsident von Dinamo Brest. Dann kam es dort zu einem heftigen Streit. Und bis heute ist das Verhältnis so, dass Basanow bei seiner Wahl entgegen der üblichen weißrussischen und fußballpolitischen Gepflogenheiten von Brests Delegierten keine Ja-Stimmen erhielt.

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