Champions Hockey League:Der Dalai Lama bellt

Augsburg, Deutschland, 12.11.2019, CHL, Saison 2019/2020, First Game, Round of 16, Achtelfinale, AEV Augsburger Panther

Unruhestifter: Matt Fraser (Zweiter von rechts) erzielte gegen Biel seinen achten Treffer im laufenden Wettbewerb. Der Kanadier führt damit die Torschützenliste der Champions League an.

(Foto: Thomas Hiermayer/imago)

Die Augsburger Panther treten gegen Biel mal wieder munterer auf als in der DEL. Das 2:2 wahrt ihre Chance aufs Viertelfinale.

Von Johannes Schnitzler

Tray Tuomie war jetzt nicht mehr nach Freundlichkeit zumute. Klar, jeder kann mal einen schlechten Tag haben, jeder macht mal Fehler und, ja doch, keiner spielt mit Absicht schlecht. Aber genug ist irgendwann genug.

Tuomie, 51 und nach eigenen Worten "ein freundlicher Mensch", wollte die Sache jetzt geklärt haben. Also verließ der Amerikaner seinen exponierten Posten auf der Bank, stellte sich ganz nah an die Bande, damit man ihn auf dem Eis auch gut hören konnte, und begann, Wörter zu bellen. Erst bellte er ein englisches Wort mit vier Buchstaben, beginnend mit einem F, und nur für den Fall, dass man ihn nicht verstanden haben sollte, schickte er noch ein Wort mit acht Buchstaben hinterher, der erste ein B, das übersetzt so viel bedeutet wie Verdautes vom Stier. Dazu gestikulierte er heftig mit seinem Ellenbogen.

Die meisten Menschen, die seit seinem Amtsantritt im August als Cheftrainer der Augsburger Panther mit ihm zu tun hatten, konstatieren, dass dieser freundliche Herr Tuomie durchaus ein ausgeglicheneres Temperament besitzt als sein bisweilen recht impulsiver Vorgänger Mike Stewart. Aber manchmal, verdammt, platzt es auch aus dem Freundlichsten heraus. Fuck you! Bullshit! Vermutlich hat sogar der Dalai Lama Tage, an denen er nicht lächelt.

"Die Jungs haben gezeigt, dass sie noch Eishockey spielen können", sagt der Coach des DEL-Zwölften

Am Tag danach lächelte Tray Tuomie wieder, vor allem über sich selbst. Seine Panther hatten am Vorabend im Achtelfinale der Champions Hockey League (CHL) gegen den EHC Biel, den Tabellenzweiten der Schweizer National League, eine 2:0-Führung vergeben; das 2:2 (1:0, 1:0, 0:2) lässt ihnen vor dem Rückspiel am nächsten Dienstag alle Chancen auf das Viertelfinale, für einen Debütanten in der kontinentalen Eliteklasse ein durchaus ehrenwertes Ergebnis (die Gäste aus dem Kanton Bern, wiewohl selbst Neulinge in der CHL, hatten sich zuvor beglückwünscht, dass sie von den vier Schweizer Klubs in der Runde der letzten 16 das leichteste Los erwischt hätten). Aber wer die Monate seit Tuomies Amtsantritt verfolgt hat, konnte seine Enttäuschung nachvollziehen. Und als die Schiedsrichter einen vermeintlichen Ellenbogenschlag gegen Verteidiger Patrick McNeill nicht ahndeten, fing Tuomie an zu bellen. "In dem Moment" habe er die Situation wohl schlimmer eingeschätzt als sie war, sagte er. Der Frust musste raus.

Dabei gab dieses Spiel durchaus Anlass zur Hoffnung, dass die bislang eher freudlose Saison in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) von jetzt an etwas freundlichere Züge annehmen könnte. Gerade 28 Sekunden dauerte die Partie, als Jaroslav Hafenrichter eine Vorlage von Drew LeBlanc zum 1:0 ins Netz schob. Im zweiten Drittel vergingen 55 Sekunden, bis Matt Fraser auf 2:0 erhöhte - der achte Treffer im siebten CHL-Spiel für den Kanadier, der damit die Torschützenliste anführt. "Wir hatten Chancen auf das 3:0 und 4:0", sagte Tuomie, einmal spielten sie fast zwei Minuten lang mit zwei Mann mehr, einmal tauchte Hafenrichter völlig frei vor Biels Schlussmann Elian Paupe auf. "Aber es ist uns nicht gelungen." Vielleicht wäre ein 3:0 oder 4:0 auch ein bisschen zu viel des Guten gewesen gegen die läuferisch und technisch überlegenen Schweizer. Andererseits aber zählt im Sport nun mal das Ergebnis, weshalb Tuomie alle Eventualitäten flugs abhakte: "Hätte, hätte, hätte. Es ist so oder so ein Spiel über 120 Minuten, nächsten Dienstag müssen wir nach Biel. Wir haben nichts gewonnen und nichts verloren."

Das war freilich nur bedingt richtig. Gewonnen haben dürften die Panther, vergangene Saison Dritter der DEL, ein wenig mehr Zuversicht als ihr zwölfter Tabellenplatz in der heimischen Liga eigentlich zulässt. "Wir haben eine gute Leistung gezeigt und wie in jedem CHL-Spiel gepunktet. Die Jungs haben gezeigt, dass sie noch Eishockey spielen können." Anders als in vielen DEL-Spielen waren sie jeweils zu Drittelbeginn wach, erspielten sich Chancen und kamen zu Toren. Die Zuschauer, 5580 waren es am Dienstag im Curt-Frenzel-Stadion - mehr als im DEL-Saisondurchschnitt - honorierten die couragierte Leistung, auch wenn Biel durch ein Zufallstor des Österreichers Stefan Ulmer (48.) und einen fulminanten Schlagschuss des finnischen Weltmeisters Toni Rajala (54.) noch zum Ausgleich kam (bei beiden Gegentreffern sah der ansonsten wieder einmal gute Torhüter Olivier Roy unglücklich aus). Wie immer, wenn die Panther die Champions-League-Trikots überziehen, wirkte es so, als ob sie damit in einer Art Reinigungsritual zugleich den Grauschleier des DEL-Alltags abstreifen könnten.

Zwischendurch war die Stimmung so gut wie in den Playoffs im April.

Rund 1000 Fans werden die Panther nächste Woche nach Biel begleiten. Ihre drei bisherigen Auswärtsspiele in der CHL gewannen die Augsburger jeweils 3:2. Zuvor müssen sie in der DEL am Freitag gegen Meister Mannheim und am Sonntag in Krefeld ran. Die Vorhersagen sind seit Dienstag wieder etwas freundlicher.

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