Ausstellung:Die Kunst des steten Wandelns

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Das Münchner Stadtmuseum zeigt die fabelhafte Schau "Ready to go! Schuhe bewegen"

Von Evelyn Vogel

Hi! Mein Name ist Heel. High Heel. Bist du bereit für mich?", lockt die Stimme aus einer Hörstation. Und egal, ob unsere eigenen Füße in modischen Sneakers, handgenähten Lederschuhen, billigen Latschen, bequemen Puschen, hochhackigen Pumps, seidig-fiedrigen Pantöffelchen, geschnürten Stiefeln oder Riemchen-Sandalen stecken, mit diesem abgewandelten Bond-Spruch packt die Schuh-Ausstellung "Ready to go!" im Stadtmuseum die Besucher. Und nicht nur damit. Aber man sollte keinesfalls versäumen, sich Zeit zu nehmen für die acht Hörstationen. Denn wie die Musikerin, Komponistin und Performerin Antonia Dering einige ausgewählte Damen- und Herrenschuhe "zum Sprechen" bringt, ist absolut hörenswert. Und nebenbei kann man an den Taststationen auch einzelne Schuhe mit Händen erkunden - ein sinnlich vielfältiges Erlebnis also. Schließlich lösen Schuhe bei vielen Menschen Emotionen aus. Auch deshalb trägt die Ausstellung den herrlich doppeldeutigen Untertitel "Schuhe bewegen".

Das sinnliche Erlebnis beginnt schon damit, dass man über einen roten Teppich in die Ausstellung schreitet. Rechts und links laufen kleine Video-Einspieler, die vor allem eines zeigen: Jeder Schuh hat seinen eigenen Ton. Begleitet von klackernden Absätzen und quietschenden Gummisohlen gelangt man so in den Hauptraum. Unfassbare 550 historische Paar Schuhe sowie mehr als 30 teils völlig bizarre Schuhwerke internationaler Künstlerinnen und Künstler zeigt die von Sammlungsleiterin Isabella Belting überwiegend aus dem eigenen Bestand kuratierte Ausstellung. Zumeist nach Themen auf Podesten in Vitrinen arrangiert trappeln die Schuhpaare in Stufen hoch hinauf, breiten sich über die Wand aus oder tippeln wie auf einer Wendeltreppe um die Kurve herum.

Bei einigen Exponaten tun einem schon beim Anblick die Füße weh. Dazu zählen nicht nur die oft futuristisch anmutenden Künstlerentwürfe. Sondern durchaus auch einige zum Tragen gedachte Schuhe: etwa manche der High Heels à la Manolo Blahnik, auf denen Carrie in der Serie "Sex and the City" so souverän laufen konnte, oder viele der Stilettos aus dem Fetischbereich, für die die Trägerin fast einen Waffenschein bräuchte. Aber auch die extrem schmal geschnittenen und wie Korsagen eng geschnürten Schühchen und Stiefelchen aus dem Rokoko machen keinen besonders bequemen Eindruck. Ganz zu schweigen von den euphemistisch "Lotusschuh" bezeichneten puppenhaften Schühchen, in die Chinesinnen jahrhundertelang ihre - durch extremes Binden von Kindheit an - verkrüppelten Füße zwängten. Andere Schuhe hingegen würde man am liebsten gleich anprobieren, weil sie so bequem aussehen - oder einfach unfassbar schön sind.

Viele führen in längst vergangene Zeiten, als Schuhe wie im 17. und 18. Jahrhundert auf Grund der Höhe ihrer Absätze nicht notwendigerweise Geschlechterrollen, sondern vielmehr Gesellschaftsklassen definierten und man deshalb von der "gehobenen Gesellschaft" sprach. Herzallerliebst sind die Babyschühchen, historische seidige Hochzeitsschuhe aus der Sammlung sind wie auf einer Hochzeitstorte arrangiert. Herrlich auch die venezianischen Chopinen aus dem 16. Jahrhundert (aus dem Bayerischen Nationalmuseum), auf denen die Damen über Unrat hinwegsteigen konnten. Dem augenblicklichen Hochwasser in der Lagunenstadt würden sie aber auch damit nicht entkommen.

Den Formen, Absatz- und Sohlenhöhen sind im 19. und 20. Jahrhundert kaum Grenzen gesetzt. Und bei vielen Exemplaren kommen sofort persönliche Erinnerungen auf. Wer dachte, dass Plateau eine Erfindung aus den Siebzigerjahren sei, wird hier eines besseren belehrt. Eine Vitrine widmet sich Schuhen in Gold und Silber, eine andere unterschiedlichen Lederarten bis hin zum Animalprint. Auch die Entwicklung des Herrenschuhs wird ausführlich dargestellt und gipfelt in der Geschichte des weißen Ed-Meier-Schuhs, mit dem ein Münchner Arzt ein Zeichen gegen die Birkenstock-Kultur im Krankenhaus setzen wollte. Aber auch deren steiler Karriere sowie der von Turnschuh und Adilette wird hier nachgegangen, und ein Sonderkapitel beleuchtet die Gothik-Szene. Die Entwicklung des Stiefels bis hin zum Overknee oder dem Cowboystiefel wird gestreift und mündet in der Lack-und-Leder-Fetischszene. Schuhe von oder für Künstler wie für Madonna oder Lady Gaga sind thematisch an einzelnen Kapiteln angedockt. Selbst die Notlösungen in Kriegs- und Nachkriegszeiten werden thematisiert, und auch Aspekten der Nachhaltigkeit widmet sich diese wahrlich umfassende und schöne Schuh-Schau.

Wer diese Ausstellung verlässt und nicht sofort ins nächste Geschäft stürmt, hat kein Faible für Schuhe. Wobei: Natürlich sollte es dann nicht irgendeine schnöde Fußbekleidung sein. Sondern ein Schuh, der seine Trägerin oder seinen Träger erhöht. Ein Schuh, der Emotionen schürt. Ein Schuh eben, der bewegt.

Ready to go! Schuhe bewegen, Stadtmuseum, St.-Jakobs-Platz 1, bis 21. Juni 2020, Di-So 10-18 Uhr

© SZ vom 15.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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