Zusteller-Subventionen:Wie die Zeitung aufs Land kommt

Union und SPD ringen um eine Förderung für Löhne der Zusteller von gedruckten Blättern. Es geht um 40 Millionen Euro - und einen seltsamen Koalitionsstreit.

Von Cerstin Gammelin

Die Sache schien klar zu sein: "Die Zustellung von Abonnementzeitungen und Anzeigenblättern" soll mit 40 Millionen Euro gefördert werden. So steht es im Einzelplan 11 des Etats von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der am sehr frühen Freitagmorgen vom Haushaltsausschuss des Bundestags beschlossen worden war. Es liest sich so, als würden die Löhne der Zusteller von gedruckten Blättern ab 2020 staatlich subventioniert.

Wirklich? Wer weiterliest, stößt auf einen gefetteten Vermerk. Und der zeigt, dass nichts klar ist. "Neuer Haushaltsvermerk": Die Ausgaben seien bis zur Vorlage eines Gesamtkonzepts gesperrt. Die Aufhebung der Sperre bedürfe der Einwilligung des Haushaltsausschusses des Bundestages.

Hatte also der Haushaltsausschuss des Bundestages in der Nacht die Subventionierung der Zustellung beschlossen - und gleich wieder blockiert?

Man fragt nach. Und findet einen vielstimmigen Chor vor. Und einen Koalitionsstreit, der seltsam kleinteilig daherkommt.

Die Abgeordneten von der Union fühlen sich übergangen, weil die Sozialdemokraten am vergangenen Dienstag "wie aus dem Nichts" in den Haushaltsberatungen Subventionen für die Zustellung gefordert hatten. Die Begründung: es sei quasi Teil der Daseinsvorsorgepflicht, Menschen in abgelegenen Gebieten die Möglichkeit einer Zeitung zu eröffnen. Das ist ein Argument, das in vertraulichen Gesprächen überwiegend überall geteilt wird. Sogar in der FDP, deren Haushaltsexperte Otto Fricke am Freitag bekannte, das Bringen einer Zeitung aufs Dorf sei wohl aufwendig, aber auch "Garantie unserer intellektuellen Daseinsvorsorge".

Der Haushaltsausschuss hat die Förderung beschlossen - und sie vorerst gleich wieder blockiert

Trotzdem, man war sauer bei der Union und versammelte sich hinter dem Argument, das Leben werde ohnehin digital und man solle einer sterbenden Branche nicht das Sterben verlängern; es mache keinen Sinn, da noch viel Geld bereitzustellen. Was interessant ist, weil gerade traditionelle Konservative zu denen zählen dürften, die lieber eine Zeitung in der Hand haben statt sie mit dem Finger über den Bildschirm zu schieben.

Was die Fronten so verhärtet hatte, war nicht nur der überraschende Vorstoß. Sondern auch das Misstrauen, die Sozis wollten womöglich parteieigene Medienbeteiligungen subventionieren. So interpretierte man jedenfalls die Geldforderung der Sozialdemokraten. Die SPD-Kollegen hatten zunächst auf Nachbarländer verwiesen - dort würden Zusteller mit ein paar Millionen Euro jährlich bezuschusst. Und hatten dann selbst dieses Geld gefordert.

Dann wurde die Zeit knapp. Ein Kompromiss musste her, damit die Nacht zu Ende gehen konnte. Und natürlich fand man einen: erstens, die Förderung wird auf 40 Millionen Euro für 2020 reduziert. Und zweitens gesperrt, bis Heil ein "System" entwickelt hat, das die flächendeckende Versorgung mit Abonnementzeitungen und Anzeigenblättern unterstützt, und an dem sich die Verlage anteilig beteiligen. Die Förderung soll "als temporäre Unterstützung bei der digitalen Transformation" gestaltet werden und "zeitlich begrenzt auf fünf Jahre erfolgen".

Nachfrage bei Heil. Legt der Minister jetzt ein solches Konzept vor? "Das Ziel bleibt, dass Regionen nicht von der Pressezustellung abgehängt werden sollen", sagte ein Sprecher. Man sehe allerdings, dass die Presseverbände skeptisch seien, "ob die gestern im Haushaltsausschuss getroffene Vereinbarung dem Ziel dient, eine flächendeckende Zustellung von Zeitungen zu fördern". Heil will nun abwarten. Vielleicht hofft er, dass die Verlage die Union überzeugen. Gelingt das bis zum Sommer, könnte der Ausschuss die 40 Millionen im Herbst 2020 freigeben. Und wenn das läuft, könnte das Geld ab 2021 längerfristig fließen.

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