Olympiadorf:"Ich war quasi in meine Wohnung gesperrt"

Cordula wohnt im Hochhaus am Helene-Mayer-Ring 7a.

Spricht aus leidvoller Erfahrung: Cordula wohnt im Hochhaus am Helene-Mayer-Ring 7a, in dem immer wieder die Aufzüge streiken.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Im 19-stöckigen Hochhaus des Studentenwerks im Olympiadorf gibt es seit Jahren Probleme mit den Fahrstühlen. Anfang Oktober waren alle vier Aufzüge defekt.
  • Als Ausgleich für die Unannehmlichkeiten ist den Bewohnern eine Mietminderung für die zweite Oktoberhälfte und den November versprochen.
  • Das Studentenwerk versichert, im Gespräch mit der Wartungsfirma zu sein, um eine langfristige und tragfähige Lösung zu erarbeiten.

Von Julius Bretzel

Was tun, wenn man in den 16. Stock eines Hochhauses möchte, aber kein Aufzug funktioniert? Wie gelangen Rollstuhlfahrer oder Verletzte mit Krücken in einer solchen Situation in ihre Wohnung? Mit diesen Fragen sind die Bewohner des 19-stöckigen Hochhauses des Studentenwerks im Olympiadorf konfrontiert. Dort gibt es seit Jahren Probleme mit den Fahrstühlen. Als kürzlich für zwei Monate alle vier Aufzüge ausfallen, spitzt sich die Situation für die rund 800 Mieter zu. Inzwischen sind wieder vereinzelt Lifte in Betrieb, von den Studenten wird dies jedoch nur als Notlösung empfunden.

"Sonderfahrt" ist auf der kleinen Leuchtanzeige links von der Aufzugstür zu lesen. Für gewöhnlich zeigt sie das Stockwerk an, in dem sich der Fahrstuhl gerade befindet. "Da steht Sonderfahrt, aber das heißt, dass er gerade nicht funktioniert", erklärt Cordula. Manchmal werde auch "Außer Betrieb" angezeigt. Sie möchte nur ihren Vornamen preisgeben, um keine Probleme bei der Verlängerung ihres Mietvertrags zu bekommen. Cordula studiert Tiermedizin und wohnt seit knapp vier Jahren im 16. Stock. Dass einmal alle Aufzüge gleichzeitig funktionierten, sei in dieser Zeit sehr selten vorgekommen.

Über vier Fahrstühle verfügt das Hochhaus, zwei in jeder Gebäudehälfte. Sie wurden 2011 im Zuge der Sanierung eingebaut.

Doch die Modelle sind sehr fehleranfällig, der Ausfall eines Aufzugs führt zur Überbelastung eines anderen. Diese Problematik gipfelte Anfang Oktober im absoluten Stillstand, jeder Aufzug war defekt.

"Müll runterbringen, Einkaufen, mit der Wäsche in den Waschraum - die einfachsten Dinge waren kaum noch möglich für uns", klagt Cordula. Sie habe das Glück gehabt, in der Zeit teilweise bei ihrem Freund wohnen zu können. Ansonsten sei eben nur die Treppe in Frage gekommen. Für Sophia aus dem zehnten Stock, die aufgrund einer Operation zu der Zeit im Rollstuhl saß, wurde der Technik-Ausfall zur Katastrophe: "Ich war quasi in meine Wohnung gesperrt, bis ich wieder mit Krücken laufen konnte." Essen habe sie sich liefern lassen, bis die Zusteller die Lieferung verweigerten. Schließlich hätten auch Paketboten die Treppen nehmen müssen. Wer in dem Zeitraum ein- oder ausziehen musste - bei Semesteranfang nicht wenige -, hatte mit der Situation umzugehen.

Studenten klagten über schmutzige Flure, da kein Putzpersonal mehr nach oben kommen konnte. Informationen des Studentenwerks München, das die Wohnungen vermietet, bekamen die Mieter nur gelegentlich. Wer mehr wissen wollte, musste die Techniker fragen, die jeden Tag im Haus waren. "Die Antwort war meistens, dass an den Aufzügen alles kaputt sei", sagt Cordula. Die Motoren sollen die nötige Leistung nicht mehr schaffen, hieß es, es habe ein Problem mit den Bremsen gegeben, und der Antrieb erfülle gerade so die Anforderungen. Jeder Lift habe andere Anfälligkeiten. "Letzte Woche wurde bekanntgegeben, dass einer der Aufzüge wieder geht. Nach vier Stunden war er überlastet und wieder kaputt." Dass mittlerweile zumindest der Totalausfall überstanden ist, freut die Studenten.

Laut Studentenwerk funktionierten zwei Lifte seit zwei Wochen verlässlich, die anderen beiden sind angeblich seit diesem Wochenende wieder in Betrieb. Als "verlässlich" würde Cordula den aktuellen Fahrstuhlbetrieb aber nicht bezeichnen. "Der Aufzug läuft wohl im Energiesparmodus, sehr langsam, sonst geht er kaputt." Die Studenten seien gespannt, ob es erneut zu einem Totalausfall komme. "Ich wage keine Prognose für die Zukunft zu machen", sagt Cordula.

Auf die Situation angesprochen, versichert das Studentenwerk, im Gespräch mit der Wartungsfirma zu sein, um eine langfristige und tragfähige Lösung zu erarbeiten. Falls erneut Schwierigkeiten auftreten sollten, lasse sich auch ein kompletter Austausch der Aufzugsanlagen in Erwägung ziehen. Davor warte man jedoch noch ab, wie sich die Situation weiter entwickle. Als Ausgleich für die Unannehmlichkeiten ist den Bewohnern eine Mietminderung für die zweite Oktoberhälfte und den November versprochen. Je nach Stockwerkshöhe sollen sie eine Vergünstigung von drei bis 23 Prozent auf ihren Mietpreis erhalten. Im ersten Stock werden ihnen damit rund neun Euro erlassen, im 18. Stock sind es rund 70.

Dass eine Erneuerung der Aufzüge erst nach einem zweimonatigen Totalausfall erwogen werde, ist für Cordula unverständlich. Das Problem stehe schließlich seit Jahren im Raum. Sie ist, wie viele andere Bewohner des Hochhauses auch, die Aufzug-Problematik leid. Am Ende flüchtet sie sich in Humor: "Immerhin wissen jetzt alle, wo sich das Treppenhaus befindet."

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