Rom:Fahrkarten für Plastikflaschen

Fahren für Flaschen

5 Cent pro Flasche bekommt jeder, der in Rom leere Plastikflaschen in speziellen Automaten entsorgt. Mit dem Guthaben können die Römer Tickets für die U-Bahn kaufen.

(Foto: Annette Reuther/picture alliance/dpa)

Wer in Rom PET-Flaschen entsorgt, bekommt Geld für den Kauf von U-Bahn- und Bustickets gutgeschrieben. Das Modell kommt bei den Römern gut an.

Von Oliver Meiler, Rom

Die Römer und ihr öffentlicher Nahverkehr, das war noch nie eine sehr glückliche Beziehung. Über nichts klagen sie mehr als über dauerverspätete, alte, brennende Busse und ständig stockende, überfüllte, übel riechende Straßen- und U-Bahnen. Vielleicht noch über den Abfall? Und so war es eine gewagte, aber auch geniale Idee, als die Stadtverwaltung und ihre ungeliebte, hoch verschuldete Transportgesellschaft Atac im vergangenen Sommer in drei Metrostationen probehalber Automaten aufstellten, die das eine mit dem anderen verband: Für dreißig leere Plastikflaschen gibt es dort eine Fahrkarte umsonst. "+Ricicli+Viaggi", heißt die Initiative, etwa: Je mehr du recycelst, desto mehr reist du. In Europa ist das eine Premiere.

Unten, in der neuen Haltestelle "San Giovanni" der Linie C, steht eine dieser bunten Maschinen. Sie sind etwa so groß wie Getränkeautomaten, entwickelt werden sie von einer Mailänder Firma. Die Operation geht ganz einfach. Man lädt eine App herunter, aktiviert den QR-Code, hält das Handy dann an das Gerät, damit es einen erkennt. Dann gibt man die mitgebrachten PET-Flaschen in eine Öffnung, ganz behutsam, eine nach der anderen, mit dem Barcode des Flaschenaufklebers nach oben. Sie können klein sein, 0,25 Liter, oder groß, bis zwei Liter. Aber formvollendet müssen sie sein, nicht etwa zerquetscht, sonst registriert die Maschine sie nicht. Der Deckel muss auch noch drauf sein.

Für jede fachgerecht entsorgte Plastikflasche gibt es in der App einen so genannten Ökobonus von 5 Cent, das Guthaben ist beliebig kumulierbar. Da Atac ihre Einzeltickets für 1,50 Euro verkauft, gibt es also für dreißig Flaschen eine digitale Fahrkarte. Aus den alten Flaschen werden neue: "Bottle to bottle", so nennt man das im Fachjargon. Und das ist ganz im Sinn der EU, die sich erst vor kurzem eine neue Richtlinie für den Umgang mit Einwegplastik gegeben hat. Bei PET-Flaschen ist das Ziel besonders ambitiös: In zehn Jahren, im Jahr 2029, sollen 90 Prozent aller Kunststoffflaschen eingesammelt werden. Für 2025 ist der Richtwert 77 Prozent.

Als Virginia Raggi, Roms Bürgermeisterin von den Cinque Stelle, die Initiative lancierte, war sie so begeistert, dass man hätte meinen können, sie habe gerade alle Probleme der Stadt gelöst. "Die Maschine isst die Plastikflaschen und gibt dafür Kredit für den Erwerb eines Tickets: So einfach funktioniert die Kreislaufwirtschaft", sagte sie. Der Triumph war Raggi zu gönnen. Sie hatte bisher nicht viel Glück bei der Verwaltung der Stadt, weder mit dem Müll noch mit dem Transportwesen.

Die Stadt will noch mehr dieser Automaten aufstellen

Offenbar funktioniert das Modell ganz wunderbar. "Jenseits aller unserer Erwartungen", sagt Pietro Calabrese, der "Assessore der Stadt in Bewegung", das ist der offizielle Titel von Roms zuständigem Spitzenbeamten für Transport und Verkehr. In den ersten elf Wochen wurden in den drei Automaten 750.000 Flaschen entsorgt - für den Gegenwert von 25.000 Fahrkarten. Ein durchschlagender Erfolg sei das, man werde nun weitere Geräte aufstellen. "Die Bürger fordern es, sie sind enthusiastisch", sagt Calabrese.

Gut möglich, dass die Euphorie des "Assessore" diensthalber noch etwas größer ist als die der Bürger selbst. Aber immerhin, es ist mal was Positives, und ökologisch noch dazu. In der Moskauer Metro gibt es übrigens Automaten, die für dreißig Kniebeugen eine Fahrkarte auswerfen. Das ist dann wohl Kreislaufwirtschaft im engsten Sinn.

Ganz beispiellos ist das römische Modell nicht, wenigstens nicht weltweit. Aus dem Amt für Mobilität erfährt man, dass es das auch schon in Istanbul gibt, außerdem in Peking, im indonesischen Surabaya und im indischen Mumbai, dem alten Bombay. Solche Novellen würde man ja eher aus herkömmlichen Modellstädten erwarten: Stockholm etwa, Kopenhagen, München, Zürich, vielleicht noch Tokio, Singapur und Melbourne. Den Römern wäre es allerdings lieber, die Busse kämen stattdessen etwas häufiger und dann noch pünktlicher.

Zur SZ-Startseite
Splashing milk on black background Splashes of milk PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright xdey

SZ PlusErnährung
:Schadet uns Milch?

Früher galt Kuhmilch als uneingeschränkt gesund. Heute meiden viele Menschen das Nahrungsmittel, weil sie sich vor angeblichen Gesundheitsrisiken fürchten. Wie begründet sind die Ängste?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: