"Apollo 12" wird 50:Schneller, höher, Zweiter

APOLLO 12 CREW AND ROCKET

"Dum di dum dum dum" - niemand summte so schön auf dem Mond wie Pete Conrad (links). Alan L. Bean (rechts) ließ eine silberne Nadel dort, Richard Gordon hielt alleine im Kommandomodul die Stellung.

(Foto: REUTERS)
  • Pete Conrad und Alan L. Bean flogen zum Mond und waren Helden. Aber nur diejenigen, die halt auch dort gewesen sind.
  • Anders als ihre Vorgänger sind die Astronauten der zweiten Mission aber wesentlich entspannter - einer singt sogar bei der Arbeit.

Von Alex Rühle

Sie waren die Ersten, die eine Apollomission durchzogen, obwohl ihre Rakete kurz nach dem Start von mehreren Blitzen getroffen worden war. Sie waren die Ersten, die auf den Meter genau auf dem Mond landeten, im Ozean der Stürme, neben der Fähre Surveyor 3. Sie waren die Ersten, die auf dem Mond einen Witz machten, die Ersten, die auf dem Mond eine kleine Nuklearstation errichteten, und die Ersten, die eine Farbkamera mitbrachten.

Und doch sind sie die ewigen Zweiten: Pete Conrad und Alan Bean, Astronauten der Apollo-12-Mission, der dritte und der vierte Mensch auf dem Mond. Ihre Namen sind heute fast vergessen, so grell werden sie überstrahlt von Buzz Aldrin und Neil Armstrong. Als sich in diesem Sommer deren Flug zum 50. Mal jährte, überschlugen sich die Zeitungen und Fernsehsender mit Beilagen und Sondersendungen. Am heutigen 19. November ist es 50 Jahre her, dass Conrad und Bean als Astronauten der Apollo-12-Mission den Mond betraten. Aber es ist noch diskret ausgedrückt, wenn man sagt, dass es in gedenktechnischer Hinsicht dieser Tage doch recht ruhig zugeht.

"Hoioioi! Mann, das war vielleicht ein Kleiner für Neil, aber für mich ist es ein Großer."

Nun sind im Grunde alle Apollo-Astronauten zu beneiden, schließlich durften sie da oben wenigstens eine Weile lang das tun, wovon wir hier unten träumen: fast schwerelos umhertreiben, das ganze irdische Gewese mal wirklich aus der Distanz betrachten und dabei auch noch der kosmischen Hintergrundstrahlung Guten Tag sagen, so wie John Glenn, der erste Amerikaner, der 1962 in einer Kapsel um die Erde flog und diese Erfahrung so zusammenfasste: "Was soll man sagen über einen Tag, an dem man vier wunderschöne Sonnenuntergänge sehen durfte."

Bean und Conrad haben denn auch nie sehr gelitten unter ihrer Rolle als Zweite. Im Gegenteil, vielleicht haben sie das Ganze auf lange Sicht besser weggesteckt als Armstrong und Buzz Aldrin. Aldrin kämpfte nach der Rückkehr vom Mond mit schweren Depressionen. Er sprach von der "Melancholie der erledigten Dinge" - was soll noch kommen nach dieser Aufgabe, außer dem vierhundertsten Interview. Und Neil Armstrong fand die Sache mit dem Ruhm doch sehr anstrengend. Irgendwann prozessierte er sogar gegen seinen Friseur, nachdem er herausbekommen hatte, dass der heimlich Armstrongs Haare verkaufte.

Aber Verzeihung, jetzt reden wir ja schon wieder nur von den Ersten. Also Vorhang auf für Charles Pete Conrad und Alan Bean. Vielleicht kann man die beiden am besten durch zwei Anekdoten charakterisieren. Als Conrad durch die Luke der Intrepid-Sonde auf den Mond herabstieg, sagte er: "Whoopee! Man, that may have been a small one for Neil, but that's a long one for me." (Hoioioi! Mann, das war vielleicht ein kleiner für Neil, aber für mich ist es ein großer.") Er spielte mit diesem Satz auf seine nicht gerade imponierende Körpergröße an, zitierte ironisch Armstrongs großen Satz vom Schritt für die Menschheit und gewann außerdem eine Wette: Die Journalistin Oriana Fallaci hatte ihm nicht geglaubt, dass die Astronauten sagen dürfen, was sie wollen. Fallaci war überzeugt, dass Armstrongs berühmter Satz mit dem großen und dem kleinen Schritt nicht von ihm selbst stamme (womit sie recht hatte), was sie zu der Behauptung veranlasste, dass die Nasa den Astronauten für ihre gesamte Exkursion ein strenges Skript vorgegeben habe (womit sie falschlag). Die beiden sollen um 500 Dollar gewettet und Conrad danach nie sein Geld bekommen haben.

Alan Bean hatte einen Timer mit in die Rakete geschmuggelt, er wollte unbedingt ein Bild machen, auf dem er und Conrad vor der Surveyor-Sonde zu sehen sind, nur um den Fotoanalysten der Nasa einen Streich zu spielen (Wer um alles in der Welt hat dieses Bild aufgenommen?). Als die beiden dann vor der Sonde standen, fand Bean den Timer nicht in seiner Ausrüstungstasche. Später wurde Bean Maler, kritische Stimmen sprechen von "Mondkitsch", ihn aber hat das nie angefochten, er hat immer und immer wieder den Mond gemalt, in den schillerndsten Farben, darunter ein Bild, das ihn und Conrad vor der Surveyor-Sonde zeigt, Titel: "The Fabulous Photo We Never Took".

Kurzum: Conrad und Bean waren seelisch stabil ausgepolsterte Charaktere, sollten sie je darunter gelitten haben, dass sie "nur" Dritter und Vierter waren, so haben sie sich das zumindest nie anmerken lassen. Vielleicht war Conrad sogar etwas zu lässig: Eines der größten Probleme, die die Nasa hatte, betraf die derbe Umgangssprache der Astronauten. Die Apollo-Teilnehmer sollten ja ein strahlendes Amerika vertreten. Die meisten von ihnen fluchten aber bei der Arbeit, dass sich die Bolzen bogen. Was vor einem internationalen Multimillionenpublikum doch eher peinlich gewesen wäre.

Also wurden sie darauf trainiert, sich auch in Stresssituationen gediegen auszudrücken. Conrad lernte wohl unter Hypnose, immer wenn er fluchen wollte, zu summen. So ist er der einzige Astronaut, der auf dem Mond je gesummt hat: Es gibt eine Videoaufnahme, in der er konzentriert Gesteinsproben sammelt und dann plötzlich wie Puh der Bär klingt: "Dum di dum dum dum" und "Dum du du du, du du du".

Wenn demnächst die Weihnachtszeit beginnt, dann werden im Lyndon B. Johnson Space Center in Houston, Texas, auch in diesem Jahr wieder die Bäume angestrahlt, die dort zum Gedächtnis aller verstorbenen Apollo-Astronauten stehen. Sie alle erstrahlen in weißem Licht. Alle außer einem. Der Baum zu Ehren von Pete Conrad wird rot angeleuchtet. Auf Conrads Beerdigung hatte Alan Bean 1999 so getan, als würde ihm sein ehemaliger Kollege aus dem interstellaren Jenseits zuflüstern. Bean zitierte den toten Conrad mit dem erfundenen Satz: "Wenn du schon nicht gut sein kannst, dann sei wenigstens bunt." Auf seinem Grabstein steht: "An Original".

Was Bean angeht, so hat er auf die diskretestmögliche Art und Weise sich selbst ein winziges Andenken gesetzt: Wenn hienieden in ferner Zukunft längst alle Spuren von Alan Beans Existenz vergangen sein werden, wird auf dem Mond noch immer seine silberne Astronautennadel liegen. Diese Nadel symbolisierte, dass man das Astronautenprogramm der Nasa absolviert hatte, aber noch nicht im Weltraum war. Bean hatte sie sechs Jahre lang getragen und dann da oben in den Staub gelegt. Er wusste, dass er nach seiner Rückkehr hier unten eine goldene bekommen würde.

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