Yelp:Krieg um die Sterne

Der BGH muss klären, ob Bewertungsportale die abgegebenen Urteile filtern dürfen. Geklagt hat eine ehemalige Bodybuilding-Weltmeisterin.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Man kann sich die Welt ohne Bewertungsportale gar nicht mehr recht vorstellen. Wer ein Restaurant sucht, schaut nach, was frühere Gäste im Netz hinterlassen haben. Und auch sonst wird jeder Dienstleister vorab auf die Zufriedenheit seiner Kunden geprüft. Weil das so ist, werden solche Portale immer wichtiger - auch für die Geschäftswelt. Oder, wie es Rechtsanwalt Axel Rinkler vor dem Bundesgerichtshof (BGH) formulierte: "Bewertungen sind existenziell für Unternehmen."

Auch deshalb hat der BGH am Dienstag über eine Klage gegen das Bewertungsportal Yelp verhandelt. Rinkler vertritt in dem Verfahren die Klägerin Renate Holland, in den Achtzigern zweimalige Bodybuilding-Weltmeisterin und inzwischen Betreiberin mehrerer Fitnessstudios. Einige davon sind auf Yelp eher so mittel weggekommen. Gegen die geringe Sterneausbeute hat ihr Anwalt nichts einzuwenden, wohl aber gegen die Art und Weise, wie die Bewertung zustande kommt: Man wolle nachvollziehbare Kriterien. "Momentan sind die Unternehmen völlig machtlos."

Konkret geht es um einen Algorithmus, den Yelp einsetzt, um fragwürdige Kommentare von vornherein auszufiltern. Bewertungen also, deren Urheber Tatsachen verfälschen oder die Leistung offenkundig nicht in Anspruch genommen haben, oder die womöglich vom bewerteten Unternehmen selbst initiiert worden sind. Dazu nutzt Yelp beispielsweise die IP-Adresse des Absenders, achtet auf Doppelbewertungen oder darauf, ob der Bewerter auch sonst auf Yelp aktiv ist. Die exakten Kriterien legt das Portal nicht offen - auch um Manipulationen nicht noch leichter zu machen. Im Fall der Fitnessstudios blieben nach dem Waschgang im Yelp-Filter nur ein bis drei Bewertungen übrig, Dutzende wurden als "nicht empfohlen" aussortiert. Sie blieben zwar auffindbar, waren aber für die Gesamtnote irrelevant.

In der ersten Instanz gewann die Klägerin gegen Yelp

Der BGH hat nun die für das gesamte Bewertungswesen grundlegende Frage zu beantworten: Dürfen Portale solche Filter einsetzen? Das Oberlandesgericht München hatte Renate Holland recht gegeben und damit für ein gewisses Aufsehen in der Branche gesorgt. Zwar gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Yelp etwa eigene Anzeigenkunden bevorzugt hätte. Dennoch fanden die Münchner Richter, eine solche automatisierte Vorsortierung führe zu einer "verzerrten Gesamtbewertung, welche zum Wesen eines Bewertungsportals im Widerspruch steht". Mit dem Einsatz des Algorithmus gebe Yelp seine Rolle als neutraler Vermittler von Kundenbewertungen auf und treffe eine eigene Auswahl von Bewertungen, die das Unternehmen für vertrauenswürdig und nützlich halte. Dadurch aber komme es zu einem eigenen Werturteil, für das es auch verantwortlich sei. Das OLG sprach der Studiobetreiberin Schadenersatz zu.

Thomas Winter, der Anwalt von Yelp, forderte eine Aufhebung dieses Urteils. "Es steht dem OLG schlicht nicht zu, der Beklagten ein Geschäftsmodell zu diktieren." Es müsse Yelp möglich sein, das Portal nicht einfach nur mit dem Taschenrechner zu betreiben, der den Durchschnitt aller Bewertungen ermittle.

Der BGH wird sein Urteil erst am 14. Januar verkünden. In den Worten des BGH-Senatsvorsitzenden Stephan Seiters klangen zwar gewisse Zweifel an der apodiktischen Sichtweise des OLG durch. "Wir haben aber noch keine fertige Lösung", fügte er hinzu.

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