Nazi-Devotionalien:Der größte Verbrecher aller Zeiten - ein Verkaufsschlager

Versteigerung von Nazi-Devotionalien in Grasbrunn. Die Initialen ´AH" sind in einem persönlichen Faltzylinder von Adolf Hitler im Auktionshaus ´Hermann Historica" zu sehen.

Die Initialen ´AH" sind in einem persönlichen Faltzylinder von Adolf Hitler im Auktionshaus ´Hermann Historica" zu sehen.

(Foto: dpa)

Hitlers Zylinder für 50 000 Euro, die Luxusausgabe von "Mein Kampf" für 130 000 Euro: Das Auktionshaus "Hermann Historica" versteigert Nazi-Devotionalien und stößt auf großes Interesse. Aber wer kauft diesen Schund?

Von Martin Bernstein

Ein 19-Jähriger schreibt einem Freund, dass er gerne einen Reiseführer aus Linz hätte. Am Mittwoch wurde dieser banale Brief aus dem Jahr 1908 versteigert. Der Hammer des Auktionators bei "Hermann Historica" fiel nach einem Gebot über 80 000 Euro. Denn der Verfasser des Briefs hieß Adolf Hitler. Auch Hermann Görings Zigarettenetui (1800 Euro) wechselte den Eigentümer, ein "leichter, blaugrüner Mantel" von Eva Braun (6000 Euro) und die Kaffeelöffel der Familie Himmler (4200 Euro).

Wer kauft diesen Nazi-Schund? Überwiegend seien es Museen, staatliche Sammlungen und "private Sammler, die sich wirklich akribisch mit dem Thema auseinandersetzen", behauptet das Auktionshaus, das vor Kurzem von München in den Vorort Grasbrunn umgezogen ist. Görings überdimensionale seidene Unterhose etwa, die vor drei Jahren medienwirksam über den Tisch des Versteigerers gegangen war: im Fundus eines Militärmuseums in Asien, hat Geschäftsführer Bernhard Pacher jüngst der SZ erzählt.

Bekannt war bislang, dass ein Bieter aus Argentinien das Konvolut mit persönlichen Gegenständen des drogensüchtigen Kriegsverbrechers und anderer Nazi-Führer für 600 000 Euro ersteigert und ankündigt hatte, sie an ein Museum weiterzugeben. Ein Museum, das Derartiges ausstelle, möge man sich besser nicht vorstellen, sagten Kritiker.

Wer am Mittwoch die Auktion live im Internet verfolgte, konnte zu dem Eindruck kommen: je näher dran am Privatleben eines NS-Massenmörders, desto begehrter. Hitlers Mietvertrag für die Wohnung am Prinzregentenplatz etwa (6400 Euro). Der größte Verbrecher aller Zeiten - ein echter Verkaufsschlager. Selbst Objekte, die der Diktator wohl nie selbst in Händen gehabt hatte, wie etwa ein Serviertablett aus der Reichskanzlei, wurden unter dem Hitler-Label verkauft. Wenn ausnahmsweise tatsächlich historisch Interessantes dabei war - etwa ein Brief des gescheiterten Putschisten aus der Haft in Landsberg an den getürmten Göring -, schwächelte die Nachfrage allerdings ein wenig. Gerade 850 Euro war das Dokument einem Bieter wert.

Am Mittwochabend bekräftigte Pacher gegenüber der Nachrichtenagentur dpa: "Wir wollen keine Kellernazis hervorlocken." Soweit er das beurteilen könne, habe das geklappt. Zum Handel zugelassen würden nur Personen, die dem Auktionshaus bekannt oder überprüft seien, hatte der Geschäftsführer jüngst in der SZ erklärt. Es liege, so Pacher laut dpa, nicht an seinem Auktionshaus, zu beurteilen, was Käufer mit Relikten aus der Nazi-Zeit machen. Doch: "Es liegt an uns, zu verhindern, dass es die falschen Leute kriegen." Strenge Kontrollen verhinderten das. Wie die genau aussehen, verriet das Auktionshaus auch auf Nachfrage nicht. "Dass der ein oder andere mit falscher Ideologie sich darunter mischt, ist praktisch nicht verhinderbar", räumt Pacher aber ein.

Der Antisemitismus-Beauftrage der Bundesregierung, Felix Klein, kritisierte die Versteigerung scharf. "Der Verfassungsschutz sollte solche Auktionen beobachten", sagte er der Funke Mediengruppe. Der Geheimdienst müsse wissen, wer solche Gegenstände kaufe und wo sie hingingen. "Hier werden die Verbrechen der Nazis verharmlost. Es wird so getan, als ob mit ganz normalen historischen Kunstgegenständen gehandelt würde", sagte Klein. Derartige Auktionen bereiteten den Boden für Äußerungen, die den Holocaust relativieren.

Mehr als 500 Interessenten boten am Mittwoch online mit, fünf Mal so viele wie sonst üblich. Im Saal hätten die Bieter stehen müssen. Für die Einlieferer - private Sammler und Händler - sei das fantastisch, sagte Pacher.

Alles andere als fantastisch finden indes Kritiker den Handel mit NS-Souvenirs. Gegen die Versteigerung hatte die European Jewish Association (EJA) protestiert. EJA-Vorsitzender Rabbi Menachem Margolin hatte in einem Brief das Auktionshaus aufgefordert, die Versteigerung abzusetzen. Was das Auktionshaus tue, sei nicht illegal, aber moralisch falsch: "Wir glauben, dass dem Verkauf solcher Memorabilia wenig historischer Wert innewohnt." Stattdessen würden sie von denjenigen gekauft, die die Taten des größten Europa je widerfahrenen Unheils glorifizierten und zu rechtfertigen suchten. So wurde am Mittwoch - es war der 78. Jahrestag der Deportation von 1000 Münchner Juden in den Tod - auch "Allacher Porzellan" ver- und ersteigert, darunter eine Biwakschale der SS. Die Manufaktur gehörte seit Ende der Dreißigerjahre der SS, die dort Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau für sich arbeiten ließ.

Welche bizarren Blüten der Handel mit Nazi-Devotionalien treibt, zeigte sich am Mittwoch. Zwei der teuersten Stücke - eine Luxusausgabe von "Mein Kampf" und ein Faltzylinder, der dem Diktator gehört haben soll - wechselten für 130 000 und 50 000 Euro den Besitzer. Ersteigert haben soll sie nach Medienberichten ein in der Schweiz ansässiger Kaufmann mit libanesischen Wurzeln. Er wolle nicht, dass diese Dinge in falsche Hände gerieten, wird der Käufer zitiert. Angeblich will er die NS-Artefakte an "Keren Hayesod" weitergeben - eine Organisation, die strukturschwache Gemeinden und benachteiligte Jugendliche in Israel unterstützt. Offen blieb, wie die jüdische Hilfsorganisation reagiert.

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