Omid Atai:"Ein Opfer bin ich definitiv nicht"

Omid Atai - SPD Landratskandidat

Landratskandidat Omid Atai.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der Landratskandidat, geboren und aufgewachsen in Bayern, wird im Wahlkampf um den Landratsposten rassistisch angefeindet

Interview von Johanna Feckl, Ebersberg

Im Zuge seiner Landratskandidatur für die SPD wird der 26-jährige Omid Atai immer wieder rassistisch angegangen - seine Eltern stammen aus Afghanistan. Wie der Poinger Gemeinderat mit den Anfeindungen umgeht, hat er im Gespräch mit der SZ erzählt.

SZ: "So, wie Sie aussehen, sollten Sie lieber woanders kandidieren." Herr Atai, dieser Satz - so oder so ähnlich - kommt Ihnen bekannt vor, oder?

Omid Atai: Ja, das stimmt. So etwas kann man unter einem Facebook-Post nachlesen. Mündlich habe ich Ähnliches gehört, wenn ich auf Veranstaltungen im Landkreis unterwegs war. Meine Hautfarbe würde nicht passen, und solche Sachen ...

Wie reagieren Sie auf solch rassistische Anfeindungen?

Im persönlichen Gespräch stelle ich klar: Ich bin hier geboren, so wie der Mensch, der mir solche Kommentare entgegenbringt. Ich lebe hier - ich bin Bayer, Deutscher und ein Mensch, wie Sie und wir alle.

Sie verteidigen sich also?

Ich sehe es als Erklärungsversuch, nicht als Rechtfertigung. Die Schwierigkeit ist ja folgende: Ich sehe nicht ein, dass ich mit jemanden über meine Herkunft streiten sollte. Das tue ich auch nicht. Aber es ist wichtig, auf den Anderen zuzugehen, damit er sieht, dass ich genauso ticke wie er.

Nun ja, das tun Sie ja nicht. Sie beleidigen schließlich keine Landratskandidaten auf rassistische Weise. Ist es denn das für Sie, eine Beleidigung?

Ich kategorisiere das nicht. Es ist eine Meinung - der muss ich zwar nicht zustimmen, aber sie aushalten. Ich halte es für wichtig, weiter mit dem Menschen zu sprechen. Der soll mich anders erleben können, als er es bislang durch seine Vorurteile tut. Bisher hatte ich immer das Gefühl, dass das funktionieren kann, dass sich derjenige dann denkt: Der Omid, der ist anders. Die Pauschalisierung ist bestimmt immer noch vorhanden, aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung getan.

Seit 2014 sitzen Sie für die SPD-Fraktion im Poinger Gemeinderat. Gab es in dieser Funktion auch schon einmal solch rassistische Anfeindungen?

Nein, das nicht. Ich komme nun mal aus Poing, da kennen mich viele. Dort wurde ich immer ermutigt in dem, was ich tue. In meinem privaten und beruflichen Umfeld höre ich aber Sprüche, die auf die Herkunft meiner Eltern abzielen, schon immer mal wieder. Und jetzt, durch meine Kandidatur, ist die Öffentlichkeit größer geworden. Dadurch erreichen mich mehr Nachrichten und darunter sind leider auch rassistische. Aber ich kann sagen: Das ist zum Glück nur vereinzelt der Fall.

Macht denn das einen Unterschied?

Solange ich das Gefühl habe, die Mehrheit vertritt keine rassistischen Positionen, kann ich da relativ gelassen sein. Erst, wenn das Verhältnis kippt, geht man als Betroffener anders damit um.

Und das war bei Ihnen noch nie der Fall?

Als vor einigen Jahren "Der Dritte Weg" (eine rechtsextremistische Kleinstpartei, Anm. der Red.) in Poing unterwegs war, da hatte ich schon Angst - und zwar Angst in dem Sinne, dass ich viel vorsichtiger war, wann und wo ich unterwegs war.

Vor kurzem war David Mayonga für eine Lesung aus seinem Buch in Markt Schwaben, wo er als einziger schwarzer Junge in den 80er- und 90-er Jahren aufgewachsen ist. Sie waren auch da und haben danach erzählt, dass Sie sich in einigen Geschichten wiedererkannt haben.

Ja, auf jeden Fall. Genau wie David Mayonga war ich als Kind immer näher an der Schuld als an der Unschuld, obwohl ich meistens gar nichts angestellt hatte.

Haben diese Erfahrungen als Kind Ihr Gerechtigkeitsempfinden beeinflusst? Sie studieren schließlich Jura ...

Absolut ... Wenn man selbst viel Unfaires erlebt hat, dann möchte man selbst anders handeln. Ich zum Beispiel kann meinen Mund auch nie halten, wenn ich mitbekomme, dass jemand ungerecht behandelt wird.

Eine Schwierigkeit bei Gesprächen wie diesem hier ist: Wie über Rassismus mit einem Betroffenen sprechen, ohne denjenigen in eine Opferrolle zu manövrieren. Trotzdem ist es aber wichtig, die rassistischen Anfeindungen, die Sie erleben, zu thematisieren. Wie sehen Sie das?

Ein Opfer bin ich definitiv nicht - ganz im Gegenteil! Solche Anlässe geben mir Energie, ein Zeichen zu setzen für ein stärkeres Miteinander. Mich beschäftigt, warum jemand so ist: Woher kommt das, dass ein Mensch mir solche Dinge sagt? Ist das Neid? Ist das eine Feindlichkeit gegenüber dem, was ich politisch mache? Oder ist das eine Feindlichkeit gegenüber dem Land, aus dem meine Eltern kommen?

Ihnen geht es also um den Ursprung: Wie kommt es, dass ein Mensch Ihnen gegenüber sagt, Sie sollten lieber woanders ein politisches Amt übernehmen?

Ganz genau. Da steckt möglicherweise ein Herrschaftsgedanke dahinter. "Ach schau mal, deine Hautfarbe - nicht gut." Es ist eine Möglichkeit, mit relativ einfachen Mitteln auf eine Person Einfluss zu nehmen und zu versuchen, sie herabzuwürdigen. Schwarz-weiß zu denken ist einfach. Aber das ist der falsche Weg. Wir müssen uns auf unser Gegenüber einlassen. Bildung und Erziehung spielen dabei auch eine wichtige Rolle. Ich glaube, da ist viel von der Familie geprägt, um solche Dinge überhaupt zu sagen. Kinder werden da hinein getragen und sind Opfer ihrer gesellschaftlichen Struktur. Dasselbe gilt ja auch zum Beispiel bei der Diskriminierung von Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung.

Sie haben in unserem bisherigen Gespräch geschickt vermieden, konkrete Situationen oder Sprüche im Wortlaut darzulegen. Warum?

Es sind immer zwei Personen an solchen Situation beteiligt. Ich möchte da niemanden bloßstellen, indem ich auf Einzelheiten eingehe. Mir ist es wichtiger, auf diese Menschen zuzugehen, im persönlichen Gespräch. Was habe ich denn davon, jemanden als bösen Menschen darzustellen?

Genugtuung?

Das brauche ich nicht, ich will mich dadurch ja nicht profilieren. Ich möchte aber über Rassismus sprechen und darüber, dass er stattfindet - auch hier bei uns.

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