Sachsen:Bürgermeisterin von Arnsdorf gibt nach Hetze ihr Amt auf

Arnsdorf

Hausbemalung im Zitat: "Der beste Platz für einen Bürgermeister ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos, erfolgreich und leicht zu entfernen."

(Foto: Antonie Rietzschel)
  • Nach monatelanger Hetze hat die Bürgermeisterin der sächsischen Gemeinde Arnsdorf, Martina Angermann (SPD) die vorzeitige Versetzung in ihren Ruhestand beantragt.
  • Arnsdorf im Landkreis Bautzen war 2016 in die Schlagzeilen geraten, weil vier Männer damals einen psychisch kranken Flüchtling aus dem Irak mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt hatten.
  • Angermann hatte die Tat der vier Männer wiederholt verurteilt und war daraufhin selbst zum Feindbild geworden. Sie sei monatelang verbal bedroht und attackiert worden.

Nach monatelanger Hetze hat die Bürgermeisterin der sächsischen Gemeinde Arnsdorf, Martina Angermann (SPD), die vorzeitige Versetzung in ihren Ruhestand beantragt. Angermann habe am Donnerstagabend in einer Gemeinderatsitzung den Antrag auf Versetzung gestellt, sagte eine Verwaltungsmitarbeiterin der Gemeinde. Zuvor hatten die Sächsische Zeitung und der MDR berichtet. Bis der Antrag bewilligt sei, bleibe Angermann noch Bürgermeisterin.

Arnsdorf, das 15 Kilometer von Dresden entfernt liegt, war 2016 in die Schlagzeilen geraten, weil vier Männer damals einen psychisch kranken Flüchtling aus dem Irak mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt hatten. Sie hatten das Verhalten als Notwehr dargestellt. Angeblich soll der Iraker eine Kassiererin eines Supermarktes bedroht haben. Ermittlungen gegen ihn waren Mangels Nachweis einer Bedrohung später eingestellt worden. Angermann hatte die Tat der vier Männer wiederholt verurteilt und war daraufhin selbst zum Feindbild geworden. Sie sei monatelang verbal bedroht und attackiert worden. Zudem wurde jetzt bekannt, dass eine Anzeige gegen die SPD-Kommunalpolitikerin wegen Verleumdung vorliegt. Angermann sei seit Februar krankgeschrieben gewesen.

"Wenn sich Menschen aufgrund von Drohungen und Hetze aus ihrem gesellschaftlichen Engagement zurückziehen, gerät unsere Demokratie in Gefahr. Das dürfen wir nicht hinnehmen", sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). "Meine ganze Solidarität gilt der Arnsdorfer Bürgermeisterin und allen, die sich jeden Tag für unsere Gesellschaft einsetzen." Auch die sächsische SPD hat die Hetze gegen die Bürgermeisterin verurteilt. "Seit Monaten wird sie verbal attackiert, bedroht und es versucht, sie durch eine Anzeige einzuschüchtern. Sie soll schlicht 'fertiggemacht' werden", erklärte SPD-Landesgeneralsekretär Henning Homann am Donnerstag in Dresden: "Wir dürfen nicht zulassen, dass rechte Kampagnen unsere demokratischen Werte und den Zusammenhalt in Frage stellen. So etwas darf nicht passieren."

Die Bundesjustizministerin kündigte an, um die Spirale von Hass und Gewalt zu stoppen, würden Hetzer künftig härter verfolgt und bestraft. Das Maßnahmenpaket der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität werde "unter Hochdruck" umgesetzt. Es diene auch dem besonderen Schutz von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern.

Angermann war seit 2001 Bürgermeisterin von Arnsdorf. Ob über eine Neuwahl noch im Dezember entschieden werde, sei offen, sagte eine Sprecherin der Gemeindeverwaltung. Eine neue Bürgermeisterin oder einen neuen Bürgermeister werde es in Arnsdorf voraussichtlich nicht vor April geben.

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