Bauernprotest:Mit Tausenden Traktoren quer durch Deutschland

  • Bauern aus allen Bundesländern demonstrieren in Berlin gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung - 10 000 Teilnehmer werden erwartet
  • Damit wäre es der größte Berliner Bauernprotest überhaupt - und in der Branche brodelt es gewaltig.

Von Silvia Liebrich

Auf deutschen Landstraßen hat sich bereits am Wochenende abgezeichnet, dass sich da etwas zusammenbraut. Aus allen Bundesländern rollen Traktoren Richtung Berlin, und wer aus Bayern oder Baden-Württemberg kommt braucht dafür leicht zwei oder drei Tage. Ziel der Landwirte ist das Brandenburger Tor, wo sie an diesem Dienstag Krach schlagen wollen. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) will sich dort den Demonstranten stellen.

Es könnte der größte Bauernprotest werden, den die Hauptstädter bisher gesehen haben. Zur Kundgebung in Berlin werden rund 10 000 Teilnehmer erwartet, Tausende Fahrzeuge sollen per Sternfahrt anrollen. Schon seit einigen Wochen gibt es immer wieder Proteste im Bundesgebiet, und es sieht so aus, als würden die Bauern diesmal nicht so schnell lockerlassen.

In der Branche brodelt es, viele Landwirte fühlen sich von der Bundesregierung im Stich gelassen und sorgen sich um ihre Zukunft. Der Ärger entzündet sich an neuen Umweltvorgaben und strengeren Düngeregeln, aber auch an Billigpreisen für Fleisch und Milch. Aufgerufen zum Protest hat die Initiative "Land schafft Verbindung", in der sich Zehntausende Landwirte zusammengeschlossen haben. "Die Demo wird zeigen, dass es einen Neustart im gesellschaftlichen Dialog geben muss", sagt dazu Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes.

Heftig umstritten sind vor allem verschärfte Düngeregeln, die Erzeuger dazu verpflichten sollen, weniger Gülle auf den Feldern auszubringen. Doch genau das muss nach dem Willen der Bundesregierung passieren, will Deutschland horrende Strafzahlung von knapp einer Milliarde Euro an die EU vermeiden. Brüssel hat Deutschland wegen überhöhter Nitratwerte im Grundwasser erfolgreich verklagt.

Tierische Hinterlassenschaften sind nicht der alleinige, aber der Hauptgrund dafür, dass viele Grundwassermessstellen zu stark mit Nitrat belastet sind (Grafik). Besonders betroffen sind Regionen mit starker Tierhaltung. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil machte am Montag deutlich, dass hier etwas passieren muss: "Wir haben ein echtes Grundwasserproblem durch die Nitrat-Belastung. Dieses Thema muss jetzt endlich angegangen werden", sagte der SPD-Politiker.

"Wer mehr will, der muss dafür bezahlen"

Die Bauern wehren sich mit ihrem Protest zugleich gegen das schlechte Image, das der Branche anhaftet. Sie fühlen sich zu Unrecht an den Pranger gestellt, obwohl Kritik in Teilen durchaus berechtigt ist. Schließlich gilt die intensive Landwirtschaft als einer der Hauptverursacher des Artensterbens, hoher Pestizideinsatz belastet zugleich Böden und Grundwasser. Berichte über Missstände in Tierställen schrecken Verbraucher immer wieder auf.

Nordrhein-Westfalens Agrarministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) sieht hier aber auch eine Mitschuld bei den Konsumenten. Verbraucher seien gegen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und forderten mehr Tierwohl. "Aber sie rennen gleichzeitig zu den Discountern und wollen möglichst wenig für Fleisch und sonstige Produkte bezahlen", kritisierte die Ministerin. Das könne nicht funktionieren. "Wer mehr will, der muss dafür bezahlen", betonte sie.

An gegenseitigen Schuldzuweisungen mangelt es nicht in diesem Konflikt, bei dem auch die angespannte finanzielle Lage vieler Betriebe eine Rolle spielt. Vor allem kleine und mittelgroße Höfe, meist Familienbetriebe, werden von Existenzsorgen geplagt. Und das, obwohl jedes Jahr mehr als sechs Milliarden Euro EU-Subventionen in die deutsche Landwirtschaft fließen. Doch der Kostendruck wächst, Preise für Agrarland und Pachten steigen rapide, auch weil immer mehr Finanzinvestoren einsteigen. Das schlägt sich in der Statistik nieder: Knapp 24 000 Höfe wurden von 2010 bis 2016 aufgegeben, ein Minus von 1,4 Prozent pro Jahr.

"Noch nie war unsere Landwirtschaft so stark unter Druck, wie sie es heute ist", sagte Klöckner beim CDU-Parteitag am Wochenende in Leipzig. Viele Bürger machten sich keine Gedanken, was ihre Erwartungen an die Branche an Mehrkosten bedeuteten. Die Grünen sehen die Hauptursache für die Missstände vor allem in der Agrarpolitik von CDU/CSU. Jahrelang seien nötige Anpassungen im Natur- und Tierschutz "aufgeschoben und weggedeutelt" worden, so Grünen-Agrarpolitiker Friedrich Ostendorff. Die unerledigten Aufgaben hätten sich "zu einer großen Welle aufgetürmt, von der die Bauern sich jetzt überrollt fühlen".

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