Versteigerung von Nazi-Andenken:Die Aura des Bösen für die gute Stube

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Im Auktionshaus "Hermann Historica" in Grasbrunn werden zahlreiche Nazi-Devotionalien versteigert. (Foto: dpa)

Auktionen von Nazi-Devotionalien bereiten den Boden für eine Relativierung des Holocaust. Sie sollten deshalb gesellschaftlich geächtet werden.

Kommentar von Martin Bernstein

Degoutant. Wie anders sollte man es nennen. Während in München der Deportation und Ermordung von tausend jüdischen Menschen gedacht wird, während Antisemiten die Gedenkstätte für eines der Opfer noch vor ihrer feierlichen Einweihung schänden, während das Landgericht einen notorischen Holocaust-Leugner für vier Jahre ins Gefängnis schickt - während all das passiert, wechseln in einem Auktionshaus Autogrammkärtchen von NS-Massenmördern für Tausende Euro ihre Besitzer.

Und der Geschäftsführer, der zuvor wider besseren Wissens behauptet hatte, Nazi-Ramsch wie Hitlers Klappzylinder oder Eva Brauns Seidentäschchen habe irgendeinen historischen Wert, erklärt danach triumphierend: Der von Kritikern gewünschte Effekt sei "nach hinten losgegangen", viele Gegenstände hätten Rekorderlöse erzielt.

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Von Martin Bernstein

Deutlicher kann man es nicht formulieren. Es geht ausschließlich ums Geld, um viel Geld bei solchen Auktionen. Historischer Wert? Nebbich. Moral? Stört nur. Dass die Kritiker der Auktion Nachkommen von Schoah-Überlebenden oder Menschen sind, die sich dem erstarkenden Antisemitismus entgegenstemmen, dass der von ihnen erhoffte Effekt ein Nachdenken darüber gewesen wäre, ob man mit dem schlimmsten Menschheitsverbrechen Reibach machen sollte? Am Ende nur ein mit selbstzufriedener Häme registrierter Pluspunkt in der Bilanz.

Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung hat gesagt, derartige Auktionen bereiteten den Boden für eine Relativierung des Holocaust. Und er hat gefordert, diese Versteigerungen - und ihr Publikum - vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Ein bedenkenswerter Vorschlag, auch wenn eine weitere Auktion vom Sonntag schon andeutet, wohin die Szene dann ausweicht: ins Internet. Vielleicht muss auch der Paragraf 86a im Strafgesetzbuch, der das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Strafe stellt, auf den kommerziellen Handel mit solchen Gegenständen ausgedehnt werden.

Tatsächlich aber ist all das nur Kosmetik, so lange Menschen nicht deutlich machen, wie widerlich die Aura des Bösen ist, die derartige Gegenstände umgibt. Wer Porzellan mit SS-Runen in der Vitrine stehen oder Himmlers Kaffeelöffel auf dem Tisch liegen hat, wer Hunderte Euro für rassistische Zigarettenbildchen oder Hitlerfotos ausgibt, muss spüren, dass ihn so etwas einsam macht. Judenhass, Völkermord und Kriegsverbrechen dürfen nie salonfähig sein. Auch nicht unter dem Deckmantel der Sammelleidenschaft.

© SZ vom 26.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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