Räuber aus wirtschaftlicher Not:Wilder Westen in Fahrenzhausen

Mordprozess Landshut

Symbolbild

(Foto: dpa)

Landgericht verurteilt einen 61-Jährigen, der im Cowboy-Outfit eine Bank überfallen hat, zu viereinhalb Jahren Haft.

Von Peter Becker, Landshut/Fahrenzhausen

Eine Bankangestellte leidet noch heute unter den Ereignissen, die sich vor gut fünf Jahren in der Fahrenzhausener Sparkassenfiliale zugetragen haben. Ein wie ein Cowboy ausstaffierter Mann stand vor ihr, reichte ihr eine Stofftasche mit den Worten, die solle sie voll machen. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, bedrohte er die Frau mit einer Revolverattrappe. Anschließend verschwand er mit einer Beute von 36 800 Euro. Die junge Frau kann als Spätfolge des Überfalls bis heute keinen Schalterdienst mehr versehen. Den Täter, ein heute 61-jähriger Mann aus dem Landkreis Pfaffenhofen, hat am Montag die vierte Strafkammer am Landshuter Landgericht wegen schwerer räuberischer Erpressung zu einer Haftstrafe von viereinhalb Jahren verurteilt.

Im Wilden Westen hätte man den 61-Jährigen wohl als Desperado bezeichnet. Er sei in einer wirtschaftlichen Notlage gewesen, verteidigte sich der Angeklagte vor Gericht. Nachdem er zu viel Punkte bei der Verkehrssünderkartei in Flensburg gesammelt hatte, musste er seinen Führerschein abgeben. Da war es vorbei mit der selbständigen Beschäftigung. Der 61-Jährige hatte zuvor europaweit Lastwagen überführt. Arbeitslosengeld oder Hartz IV zu beantragen, das hatte ihm sein Stolz verboten.

Der Angeklagte war 1989 vor der Stasi geflohen, später versank er in Schulden

Am Tag des Überfalls war der Angeklagte von einem Westernfest in Pullman City Richtung Pfaffenhofen gefahren. Angesichts der Sparkassenfiliale in Fahrenzhausen kam er spontan auf die Idee, diese zu auszurauben. "Ich bin nicht stolz drauf", sagte der 61-Jährige. Es sei eine dumme Idee gewesen. Er habe ohnehin nicht geglaubt, dass er damit durchkomme. Trotzdem gelangte er unbehelligt von der Polizei nach Pfaffenhofen, wo er sich in einem Hotel die Hochzeitssuite mietete, um dort eine Nacht mit seiner Geliebten zu verbringen. Wenige Tage später setzte sich der Mann in die USA ab, um dort für einen Freund Reparaturarbeiten zu verrichten.

Der Angeklagte hatte bis zum Überfall ein unbescholtenes Leben geführt, das ihm bisweilen übel mitgespielt hatte. Geboren und aufgewachsen in Ostberlin, war er bei einem Fluchtversuch erwischt worden und saß ein halbes Jahr in Stasi-Haft. 1989 flüchtete er mit seiner damaligen Frau über Ungarn nach Westdeutschland. Die Scheidung folgte bald, nachdem seine Frau mit den Kindern zu den Zeugen Jehovas konvertiert war. Als damaliger Gutverdiener ließ sich der Beschuldigte von einer Bank als Steuersparmodell eine überteuerte Wohnung in Ingolstadt aufschwatzen. Davon sind 30 000 Schulden übrig geblieben. Richtig bergab ging es dann nach dem Führerscheinverlust.

Zielfahnder spüren den Räuber, der sich nach Kalifornien abgesetzt hat, in der Wüste auf

Zielfahnder spürten den Bankräuber Anfang des Jahres in der kalifornischen Wüste auf. Dort wohnte er im San Bernadino County in einem Van und lebte von Gelegenheitsjobs. Bis zu seiner Abschiebung im Juli saß er dort mit 48 Mann zusammengepfercht in einem Gefängnis ein. Dort sei es wie in einem Bunker gewesen, sagte der Beschuldigte. Es herrschten chaotische Zustände. Dagegen sei, ohne etwas beschönigen zu wollen, die Haftanstalt, in der er jetzt einsitze, "der reinste Kindergarten".

Strafmildernd rechnete die Strafkammer unter Vorsitzendem Richter Theo Ziegler dem Angeklagten sein "volles Geständnis" an. Berücksichtigung fand auch die Haft im US-amerikanischen Gefängnis. Zu seinen Lasten sprechen in diesem Fall die stattliche Beute und die schweren psychischen Folgen für die Bankangestellten in Fahrenzhausen.

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