Hörenswert:Zufall in Vinyl

Lesezeit: 2 min

Das neue Album von "Schnitt"

Von Jürgen Moises, München

Eine Loop Station, das ist in der Regel so ein kleines elektronisches Gerät, das man mit der Hand oder dem Fuß bedienen kann. Es geht aber auch anders, wie Moritz Illern vom Augsburger Experimental-Pop-Duo Schnitt seit sieben Jahren beweist. Als Loop Station benutzt er nämlich eine Vinylschneidemaschine, wie er sie auch als Audio Engineer in seinem Duophonic Studio verwendet. Dort schneidet Illner sonst Masterfolien, die als Vorlage für die Herstellung von Schallplatten im Presswerk dienen. Das macht er etwa für die Münchner Labels Gutfeeling und Trikont. Teilweise produziert er auch fertige Vinylschallplatten, meistens Unikate, wie sie Indiebands aus Augsburg, München oder anderen Orten bestellen.

Nun muss man sagen: So eine Vinylschneidemaschine ist nicht gerade klein und mit rund 70 Kilogramm nicht leicht zu transportieren. Aber sie macht optisch etwas her und lässt sich keineswegs nur für simple Loops verwenden, wie man an diesem Donnerstag im Import Export bei der Konzertreihe "Alien Puzzle" erleben kann. Dort treten Schnitt, zu denen neben Illner der Multi-Instrumentalist Markus Christ gehört, zusammen mit der britischen Psychedelic-Pop-Band Vanishing Twin auf und stellen ihr zweites Album "Wand" vor. Eine Sammlung ihrer "schönsten Zufälle" (Illner), die vor ein paar Monaten bei Alien Transistor, dem Weilheimer Label von Markus und Micha Acher ( The Notwist), erschienen ist.

Der Zufall spielt bei Schnitt tatsächlich eine große Rolle. Denn wenn Christ, der früher bei der Noise-Band Kitty Empire war, Illner mit Trompete, Flügelhorn, Schlagzeug oder Fender-Rhodes-Piano Material zum Loopen zuspielt: dann kann dieser immer nur 1,8 Sekunden mitschneiden. Das entspricht einer Schallplattenumdrehung. Danach hebt er den Stichel hoch, damit dieser nicht noch mal in dieselbe Rille schneidet. Dafür, dass es überhaupt einen Loop, eine Endlosrille gibt und der Stichel nicht zur Plattenmitte wandert, hat Illner einen Schalter eingebaut und die Maschine auch sonst mehrfach modifiziert.

Als Material benutzt Illner besonders haltbare PVC-Rohlinge, die sich "sehr schön" manipulieren lassen. "Man kann beim Auflegen Effekte darauf legen, man kann die Platte anhalten, starten, kann sie halb so schnell oder auch rückwärts abspielen. Man kann den Tonarm auf die Platte fallen lassen, und zufällig spielt sie was ab, oder wie ein DJ darauf herumkratzen", so Illner. Und genau das ist für ihn und Christ auch das Spannende daran. Die meist improvisierte, im Zusammenspiel von Loops und Instrumenten (Illner spielt auch Bass-Klarinette) entstehende Musik ging anfangs noch in Richtung Noise und bewegt sich nun zwischen verspielten Elementen à la Notwist und sehr freien, freejazzigen Momenten. Der Titel "Wand" spielt, so Markus Christ, auf das Zeitgeschehen an. Denn sich einmauern, sich abschotten: "Das ist ja sehr beliebt gerade."

Schnitt: "Wand" (Alien Transistor), live: Do., 28. Nov., 21 Uhr, Import Export, Schwere Reiter Str. 2

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: