Pflege in Bayern:Bis das Geld ankommt, sind viele Empfänger gestorben

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Familienangehörige zu pflegen, ist ein Kraftakt. Einer, den die Staatsregierung mit dem Pflegegeld anerkennen will. Doch das kommt nicht immer rechtzeitig an. (Foto: obs/VP Verband Pflegehilfe Gesellschaft mit beschränkter Haftung)
  • Eigentlich sollte die Einführung des Pflegegeldes im vergangenen Jahr ein Prestigeprojekt der CSU sein.
  • Doch mittlerweile gibt es viele Beschwerden - viele Antragsteller warten monatelang auf ihr Geld.
  • Manchmal zu lange: Etwa 3500 Antragsteller sind laut Staatsregierung allein in diesem Pflegegeldjahr noch vor der Auszahlung gestorben.

Von Dietrich Mittler

Für Bayerns Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml (CSU) war es ein großer Moment: die Auszahlung des Landespflegegeldes im Oktober 2019, bereits die zweite seit Einführung der bundesweit einmaligen Leistung. Ausnahmslos alle Pflegebedürftigen in Bayern mit Pflegegrad zwei und höher bekommen 1000 Euro zusätzlich im Jahr. Doch das Prestigeprojekt, das Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor den Landtagswahlen 2018 auf den Weg gebracht hatte, löst nun nicht nur Freude aus, sondern auch Ärger: Einigen Bürgern dauert es viel zu lange, bis das Pflegegeld ausbezahlt wird.

Bis das Geld endlich ankomme, so die Kritik, seien viele Empfängerinnen und Empfänger bereits gestorben. Das Pflegegeld werde zwar oft noch ausbezahlt, aber ärgerlich ist für die Hinterbliebenen: Sie müssen dann den vollen Betrag zurückzahlen - also auch das Geld für jene Zeit, in der die Antragsteller noch lebten. Manfred Rott und seine Ehefrau - sie sind im Alpenvorland zu Hause - gehören zu jenen, bei denen das zu einer bösen Überraschung führte. "Meine Mutter hatte das Pflegegeld im Mai 2018 beantragt, die Auszahlung war aber erst im September", sagt Rott. Zu spät für die 84-Jährige: Einen Monat zuvor, im August, war sie gestorben.

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Im September 2019 erhielt Rott Post aus Amberg, vom Landesamt für Pflege: Er solle die 1000 Euro zurücküberweisen, hieß es da. Dem muss Rott nachkommen, entsprechend dem Landespflegegeldgesetz. Experten schätzen, dass die Zahl derjenigen, denen es ähnlich geht, mindestens im oberen vierstelligen Bereich liegt. Allein in diesem Pflegegeldjahr sind nach Auskunft der Staatsregierung circa 3500 Antragsteller vor der Auszahlung gestorben.

Ruth Waldmann, der gesundheitspolitischen Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, liegen etliche Beschwerden von betroffenen Bürgern vor, aber auch sie kann immer wieder nur auf die Gesetzeslage verweisen. Sie versteht jedoch den Zorn der Bürger. Dass das Geld erst so spät überwiesen werde, das könne "nun wirklich niemand verstehen". Waldmann trifft bei Manfred Rott den Kern: "Warum braucht man neun oder zehn Monate dafür, so einen Antrag zu bearbeiten?", fragt er.

"Der macht Sprüche, der Herr Söder, und dann passiert nichts"

Auch Martin Feneberg ärgert sich über das Landesamt. Für seine Frau hat er im Januar dieses Jahres den Antrag auf Landespflegegeld gestellt. Aus Amberg kam aber keine Reaktion. "Dann habe ich zwei Mahnschreiben an die Behörde geschickt - wieder keine Antwort", sagt er. Wirklich sauer ist Feneberg jedoch auf Ministerpräsident Söder: "Der macht Sprüche, der Herr Söder, und dann passiert nichts."

Auf Anfrage der SZ hieß es dazu aus dem Gesundheits- und Pflegeministerium: "Das Landesamt für Pflege kann dem Namen Martin Feneberg keinen Antrag zuordnen." Das Ministerium werde ihn bei der Klärung des Vorgangs unterstützen. Er solle sich dazu doch bitte noch einmal an die Behörde wenden. Dort hieß es dann, der Antrag sei nie angekommen. "Ich bin mir aber sicher, dass ich den mit einer Menge an Unterlagen abgeschickt habe", sagt Feneberg - abgesehen davon, dass er das Landesamt sowohl im Mai als auch im September noch einmal schriftlich an seinen Antrag vom Januar erinnert habe.

Aus Sicht des Ministeriums handelt es sich dabei um einen bedauerlichen Einzelfall. "Im Vergleich zur Antragszahl bewegt sich die Zahl von Beschwerden in einem niedrigen Bereich", betonte ein Sprecher. Für das erste Pflegegeldjahr 2017/2018 seien die tausend Euro in 340 000 Fällen ausgezahlt worden. Und für das zweite Pflegegeldjahr 2018/19 seien bis Anfang November rund 53 000 Erstanträge gestellt worden. Die überwiegende Zahl dieser Antragsteller habe ihr Geld bereits bekommen. Lediglich in rund 300 Fällen seien im Ministerium "Beschwerden wegen langer Bearbeitungsdauer" eingereicht worden. "In den meisten Fällen lag eine nachvollziehbare Verzögerung vor - zum Beispiel aufgrund unvollständiger Anträge", teilte das Ministerium auf Nachfrage mit.

Die SPD-Abgeordnete Ruth Waldmann stellt das nicht wirklich zufrieden. Die Frage stehe nun mal im Raum, warum es mit der Bearbeitung der Anträge oft so lange dauere, obwohl das Landesamt doch nur wenige Dinge - wie etwa den Pflegegrad der Betroffenen - zu prüfen habe. "Richtig schnell", sagt Waldmann, "ging es mit dem Pflegegeld doch nur, als es vor einem Jahr noch rasch vor der Landtagswahl als Wahlkampfschlager der Staatsregierung herauskam."

© SZ vom 29.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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