Malta:Moralisch am Tiefpunkt

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Demonstranten fordern Gerechtigkeit für den Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia. (Foto: REUTERS)

Premier Muscat hat es zugelassen, dass sich auf der Insel ein korruptes System etablieren konnte. Damit ist er nicht nur selbst ins Zwielicht geraten. Er hat das Land in eine politische Krise gestürzt.

Von Andrea Bachstein

Immer wieder haben Menschen in Maltas Hauptstadt La Valletta für Daphne Caruana Galizia ein improvisiertes Denkmal errichtet, egal wie oft Behörden diese Erinnerung an die ermordete Journalistin entfernten. Das Denkmal symbolisiert auch die Hartnäckigkeit, die in dieser verstörenden Affäre so viel bewirkt hat. Hätten Aktivisten, empörte Bürger und Journalisten aus Malta und vielen anderen Ländern vor allem im Rahmen des investigativen Panama-Papers-Netzwerks nicht so unermüdlich die Aufklärung des Anschlags auf sie gefordert, wären die Ermittlungen vielleicht versandet, korrupte Politiker würden weiter den Inselstaat regieren, Premier Joseph Muscat hätte nicht endlich seinen Rücktritt angekündigt. Tausende verlangten das noch am Abend zuvor in La Valletta, und Tausende sind sehr viele in einem Land mit einer halben Million Einwohner.

Panama Papers
:Maltas Regierungschef Joseph Muscat kündigt Rücktritt an

Er war in Folge des Mordes an der Journalistin Daphne Caruana Galizia in Bedrängnis geraten. Andere Mitglieder der Regierung sind bereits zurückgetreten.

Dass es sich lohnt, hartnäckig auf Wahrheit und Gerechtigkeit zu bestehen, ist nicht das Einzige, was der Fall Daphne Caruana Galicia lehrt, der zum Fall Malta wurde. Dass Journalisten und Bürgerrechtler, die Mächtigen unbequem sind, mundtot gemacht, sogar getötet werden, wird gern zugeordnet in die traurige Realität meist ferner totalitärer Regime, zumindest schwacher Demokratien. Dorthin, wo die Mächtigen und korrupte Eliten sich alles oder vieles erlauben, China, Mexiko, Russland und die Türkei.

Der Fall Malta zeigt aber, dass auch in der so zivilisierten EU Wahrheit und Demokratie immer wieder verteidigt, erkämpft werden müssen, nicht nur auf dem Felsen im Mittelmeer: So brauchen im schönen Italien noch immer Roberto Saviano und ein Dutzend weiterer Journalisten Polizeischutz, weil ihr Leben bedroht ist. In der Slowakei wurden wenige Monate nach Daphne Caruana Galicia der Journalist Ján Kuciak und seine Freundin ermordet. Auch Kuciak hatte Verstrickungen von Kriminellen, Geschäftsleuten, Politikern recherchiert, Betrug mit Steuern und EU-Geldern. Auch in der Slowakei sorgten hartnäckig protestierende Bürger und Medien dafür, dass Minister und der Regierungschef zurücktraten, die Ermittlungen weiterkamen.

Und Malta lehrt genauso wie die Slowakei, dass es Korruption zu bekämpfen gilt, wo immer auch nur leichte Schwingungen von ihr fühlbar sind. Denn Korruption wirkt zerstörerisch auf alles, was sie berührt. Vermutlich dachten die inzwischen zurückgetretenen Keith Schembri und Konrad Mizzi, Ex-Stabschef und Ex-Tourismusminister, nur ans Geld, hielten es für eine Art Kavaliersdelikt, als sie sich auf illegale Geschäfte und Korruption einließen. Möglich, dass sie nicht ahnten, in ein System einzutreten, das Mord beinhalten könnte. Wahrscheinlich schlossen sie Deals mit dem nun als Drahtzieher des Mordes an Daphne Caruana Galizia verdächtigen Unternehmer Yorgen Fenech im Glauben, alles kontrollieren zu können.

Und in diesem Glauben bestärkte sie Premier Muscat, weil er zuließ, dass sich seine korrupten Regierungskollegen über Jahre sicher fühlten. Das ist Muscats große Schuld. Er reagierte nicht, als Daphne Caruana Galizias Recherchen und das internationale Enthüllungsprojekt Panama Papers Indizien gegen Schembri und Mizzi ans Licht brachten. Muscat selbst geriet so ins Zwielicht, aber vor allem stürzte er das ganze Land, das ganze politische System Maltas in eine tiefe Krise, politisch und moralisch. Es wird Europas Beistand brauchen, um diese zu überwinden.

© SZ vom 03.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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