"Frauensache":Ins Gewissen geredet

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Ein Stück über Abtreibung und die Strategien der neuen Rechten: "Frauensache" am Theater Karlsruhe.

Von Adrienne Braun

Ist es schon ein Mensch? Oder nur Zellgewebe? Elke ist es einerlei. Sie will dieses Es in ihrem Bauch nur loswerden. Deshalb ist sie weit gefahren zu einer Praxis in der Provinz; dort soll es Frau Doktor richten. Doch in "Frauensache", dem neuen Stück von Lutz Hübner und Sarah Nemitz, hat die Ärztin eine junge Kollegin an der Seite, die der Schwangeren ins Gewissen redet. Braucht das Land nicht gesunde Kinder von gesunden Müttern? Deutschen Müttern?

Seitdem Anna Bergmann Schauspieldirektorin ist, sind am Badischen Staatstheater Karlsruhe nicht nur die künstlerischen Teams weiblicher geworden, sondern auch die Stoffe. Lutz Hübner und Sarah Nemitz, die derzeit zu den am häufigsten gespielten Autoren auf deutschen Bühnen gehören, haben für Karlsruhe ein Auftragsstück geschrieben, das dramaturgisch zwar nicht allzu raffiniert, aber hochaktuell ist. In "Frauensache" geht es um Abtreibung, Ärztemangel auf dem Land und um das Konzept, den sogenannten vorpolitischen Raum zu besetzen. Denn die junge Kollegin Hanna ist eine knallharte Rechte. Sie will die Provinzpraxis aus strategischen Gründen übernehmen. Erst das Vertrauen der Frauen gewinnen, dann die rechte Ideologie einsickern lassen.

In der Gynäkologie, heißt es im Stück, "erfährst du am deutlichsten, wie die Gesellschaft mit Frauen umgeht". Viele Frauen haben in der Provinzpraxis abgetrieben, jetzt aber tobt ein Shitstorm. Die Autoren hatten hier unübersehbar den Fall von Kristina Hänel vor Augen, der Ärztin, die angeklagt wurde, weil sie auf ihrer Homepage angeblich Werbung für Schwangerschaftsabbrüche gemacht hatte.

Lutz Hübner und Sarah Nemitz wollen linke wie konservative Positionen zu Wort kommen lassen, wodurch die Dialoge letztlich zu Plädoyers werden. Das Stück gipfelt in einer Podiumsdiskussion, bei der die altfeministische Ärztin von der neuen rechten Rhetorik nachgerade weggefegt wird. Allerdings schreit Swana Rode in der Rolle der Rechten diesen langen Monolog so greinend mit überschlagender Stimme, dass die Figur jede Glaubwürdigkeit verliert. Die Schauspielerin kommt so wenig mit der Figur der Fanatikerin zurecht wie die Regisseurin Alexandra Liedtke. Obwohl sie eine versierte Theaterfrau ist, wirkt ihre Karlsruher Inszenierung erstaunlich ungelenk. Liedtke scheut sich, die Figuren ernst zu nehmen und flüchtet immer wieder in ironische Distanz, aus Angst, Applaus von der falschen Seite zu provozieren.

Trotz seiner Schwächen ist "Frauensache" in einem Punkt aber doch herausragend. Denn das Stück stellt sich gegen zweieinhalbtausend Jahre Theatertradition und kommt ganz ohne Männer aus. Wobei ausgerechnet dieses Thema nur bedingt taugt für den frischen Wind, schließlich wird die rechte Szene klar von Männern dominiert.

© SZ vom 03.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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