Grüne und Linke:Cool bis überschwänglich

Gremiensitzungen von Bündnis90/Die Grünen

Sie wollen wissen, ob die SPD das Land weiter regieren will: die Parteivorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Beiden Oppositionsparteien kommt der Führungswechsel bei den Sozialdemokraten ganz gelegen - wenn auch aus recht unterschiedlichen Gründen.

Von Constanze von Bullion und Boris Herrmann

Besser kann es kaum kommen für die Oppositionsparteien, eigentlich. Seitdem die SPD-Basis sich im Mitgliederentscheid für Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans als neue Parteichefs entschieden hat, ist nichts mehr gewiss in der Sozialdemokratie außer Ungewissheit. Der großen Koalition steht eine Kraftprobe bevor. Und die Oppositionsparteien links der SPD? Könnten sich ins Fäustchen lachen, eigentlich. Es soll aber nicht gelacht werden, jedenfalls nicht hämisch. Weshalb man sich jetzt ganz besonders vorsichtig freut.

Montag in der Bundeszentrale der Grünen in Berlin, Parteichefin Annalena Baerbock tritt zum wöchentlichen Rapport vor die Presse. Baerbock spricht über den Agrargipfel und Probleme von Jungbauern, dann über die Klimakonferenz in Madrid und die Nato. Und. Ach ja. Da war doch noch was. Die Entscheidung der SPD-Basis. Herzlichen Glückwunsch den neuen Parteivorsitzenden, sagt Baerbock fröhlich - und bremst gleich wieder. Die Menschen erwarteten nun aber schon, "dass die SPD in den nächsten Tagen klarstellt, ob sie dieses Land weiter regieren will", sagt sie. Mit einem "deutlichen Jein" funktioniere das nun mal nicht.

Man sei jederzeit zu Neuwahlen bereit, heißt es bei den Grünen

Der Linksschwenk an der SPD-Spitze und die unklare Zukunft der Bundesregierung hat Grüne wie auch Linke überrascht. Hier hatte man sich eher auf ein schwarz-rotes Weiter-so eingerichtet. Nun ist plötzlich alles denkbar, bis hin zu einem Bruch der großen Koalition und Neuwahlen.

Für die Grünen wäre das kein Unglück, theoretisch. Nie stand die Partei so selbstbewusst da. Grüne Themen haben Konjunktur. Erst kürzlich wurden die Parteivorsitzenden mit Rekordergebnis bestätigt, in Umfragen kletterte die Partei zuletzt auf 23 Prozent. Und die Zahl der Mitglieder steigt, inzwischen sind es 95 000.

Genau das aber, die große Zahl überwiegend junger Mitglieder, ist nun plötzlich nicht mehr nur ein Segen für die Grünen. Denn viele Neumitglieder, die wegen der Klimakrise oder des Rechtsrucks kürzlich eingetreten sind, haben so gut wie keine Kampagnenerfahrung. Begänne plötzlich ein Bundestagswahlkampf, dürften die Grünen gerade in ostdeutschen Flächenländern alle Not haben, einen professionellen Wahlkampf auf die Beine zu stellen.

Führende Köpfe der Partei wedeln solche Bedenken selbstverständlich flugs vom Tisch. "Wir haben eine große Dynamik und genauso eine Geschlossenheit in der Partei", sagt Bundesgeschäftsführer Michael Kellner. Man sein bereit, könne losschlagen jederzeit, heißt eine Botschaft. Eine andere: Jetzt bloß nicht auftrumpfen. Denn als Kriegsgewinnler wollen die Grünen angesichts des SPD-Elends nicht dastehen. "Bei der SPD braucht niemand kluge Ratschläge von uns", betont Kellner. Unvergessen ist seit den Jamaika-Sondierungen außerdem, wie schnell Regierungshoffnungen zerrinnen können.

Bloß nicht zu früh freuen, ist also die grüne Devise. "Das Prinzip Hoffnung ist ein ganz schlechter Ratgeber in der Politik", sagt Parteichefin Baerbock am Montag. Man warte nun erst einmal den SPD-Parteitag ab. Sollte hinterher eine runderneuerte SPD das Klimapaket der Bundesregierung nachbessern, "dann freut mich das als Grüne", fügt sie hinzu. Im Übrigen werde ihre Partei bei einem Koalitionsbruch nicht kneifen. "Klar, dann gehen wir auch zu Gesprächen", sagt Baerbock - und ergänzt, dass die Rahmenbedingungen inzwischen nicht mehr die gleichen seien wie bei den Jamaika-Sondierungen.

"Die Lage ist zwei Jahre später eine komplett andere." Etwas anders, fast begeistert, ist am Montag die Tonlage bei der Linkspartei. Parteichefin Katja Kipping gratuliert der SPD, der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte sendet Glückwünsche. Selbst Sahra Wagenknecht, die lange als eine Art Abgrenzungsbeauftragte auftrat, bringt plötzlich wieder Verben wie freuen und hoffen in einem Satz über die SPD unter. Es wäre vielleicht verfrüht, von Liebesgrüßen aus dem Karl-Liebknecht-Haus zu sprechen. Aber für eine Partei, die sich gegründet hat, um sich von der SPD abzugrenzen, klingt das erstaunlich versöhnlich.

Wenn Fraktionsgeschäftsführer Korte nun von einer "Chance zur Rettung der SPD" spricht, dann zeugt das womöglich weniger von Mitgefühl als von Pragmatismus. Teile der Linken hoffen vor allem deshalb auf die Rettung der SPD, um mit ihr früher oder später auch im Bund koalieren zu können. Korte sagte der SZ: "Von allen Seiten sollte nun an einem Linksbündnis gearbeitet werden und an einem Aufbruch für eine grundsätzlich andere Politik."

Die meisten Äußerungen aus der Linkspartei sind Variationen der Botschaft: Wenn ihr euch bewegt - wir wären bereit. Parteichef Bernd Riexinger drückt es eher subtil aus: "Die Forderungen des neuen SPD-Führungsduos, wie zwölf Euro Mindestlohn, Steuergerechtigkeit und mehr Investitionen, sind gut und richtig. Mit der Union und ihrem wahnhaften Festhalten an der schwarzen Null werden sie das aber nicht umsetzen können." Geradezu euphorisch klingt dagegen Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler, der mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans bereits die Chance verbindet, "das neoliberale Zeitalter zu beenden". Das sind recht viele Vorschusslorbeeren für ein Führungsduo, das noch gar nicht offiziell gewählt ist.

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