Münchner Momente:Train'ing in der Pendler-Hölle

U-Bahnfahren ist in Japan äußerst beliebt - und eine Angelegenheit in engster Enge. Eine App soll dafür sorgen, dass man trotzdem fit bleibt. Wäre das nicht auch in München angebracht?

Kolumne von Karl Forster

Reisen bildet, sagt man. Wer zum Beispiel nach Griechenland fährt, lernt, dass "nè" nicht "nein", sondern "ja" bedeutet. Wen es in noch weitere Fernen treibt, zum Beispiel nach Japan, sollte verinnerlichen, dass man sich dort in der Öffentlichkeit nicht schnäuzt. Dieses gilt als ziemlich unhöflich und zeugt von schlechter Erziehung. Wer aber als Münchner zum Beispiel in Tokio in die U-Bahn steigt, wird sich - bei allem Fremdländischen außenrum - schnell wie zu Hause fühlen. Denn U-Bahnfahren ist dort nicht nur äußerst beliebt, die U-Bahnen sind dieser Beliebtheit wegen auch meist rappelvoll. Vor allem in Zeiten des Berufsverkehrs. Die Japaner nennen, so meldet es die Nachrichtenagentur dpa, diese Art der Fortbewegung "Tsukin Jigoku", was auf Deutsch "Pendler-Hölle" bedeutet, womit ein mehr als eindeutiger Bezug zu München hergestellt wäre.

Nun achtet der Japaner als solcher einer langen Tradition folgend sehr auf seinen Körper (weswegen er auch sehr oft sehr alt wird). Aus diesem Grund und um ihm die Pendler-Hölle etwas angenehmer zu machen, hat man in Tokio eine App erfunden, um auch in engster Enge den Körper auf Vordermann zu bringen. Diese App für den Zug heißt "Train'ing".

Da es also eine verkehrstechnisch enge Verwandtschaft zwischen Tokio und München gibt, wäre es angebracht, die MVG würde sich ähnliche Gedanken machen, also ein Train'ing entwickeln, das dem Bewegungsmodus des Münchners entspricht und in U- und S-Bahnen ausgeführt werden kann, ohne dem Nachbarn Nase oder Rippen zu brechen. Einzelne Abläufe aus der Disziplin des Schuhplattelns fallen da schon mal weg. Auch die weit ausholende Bewegung des rechten Arms unter Ausrufung des Satzes "Dea Stich ghährd mia!", entlehnt der Kunst des Schafkopfspiels, kommt nicht infrage. Ebensowenig eine ähnliche Übung, die das Führen des Maßkruges zum Mund imitiert. So bleibt dem Münchner, will er sich denn die Pendler-Hölle erträglich gestalten, nur seine Lieblingsdisziplin: grantig schauen und auf den Sitzplatz spechten. Auf dem aber meistens ein Japaner hockt.

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