Klimaschutz:Fliegen muss sein!

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Aktivisten auf der Klimakonferenz in Madrid. (Foto: REUTERS)

Klar, wer die Umwelt schonen möchte, verzichtet auf Flugreisen. Aber bitte nicht Forscher auf dem Weg zur Klimakonferenz nach Madrid.

Kommentar von Marlene Weiß

Für Klimaforscher gehört es zum guten Ton, in Vorträgen eine Bemerkung über die eigene CO₂-Bilanz fallen zu lassen. Man fliegt um die Welt, um auf Konferenzen zu besprechen, was - unter anderem - genau diese Fliegerei anrichtet, ja, das ist schon etwas bescheuert. Manche Forscher haben Konsequenzen gezogen und Initiativen gegründet wie "No Fly Climate Sci" in den USA oder "Unter 1000 mach ich's nicht" in Deutschland. Es sind Aufrufe zu weniger Flügen, vor allem auf der Kurzstrecke.

Aber am Zulauf zur größten Klimakonferenz hat das wenig geändert: Dieser Tage kommen knapp 27 000 Menschen in Madrid zusammen. Gut die Hälfte davon sind Entsandte von Staaten, die über das Kleingedruckte im Pariser Klimaabkommen verhandeln. Der Rest sind NGO-Mitarbeiter, Wissenschaftler und Journalisten, die ihnen dabei auf die Finger schauen (auch von der SZ ist selbstverständlich jemand dort). Ein Riesenaufwand: viel Geld, viel Müll, viel CO₂-Ausstoß, denn außer Greta Thunberg reist kaum jemand mit dem Segelboot an.

Man könnte die Konferenz sicher enorm verschlanken

Nach der Klimakonferenz 2017 in Bonn hat das Umweltministerium berechnet, wie viele CO₂-Emissionen durch Anreise und Unterbringung zusammengekommen sind, um sie anschließend zu kompensieren. Es waren 50 000 Tonnen, fast die Jahresemission einer deutschen Kleinstadt. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat nun vorgeschlagen, sich - statt jährlich - nur noch alle zwei Jahre zu globalen Klimakonferenzen zu treffen. Dazwischen würden kleinere Formate reichen. Für Madrid hat er deshalb die Delegation seines Ministeriums halbiert. Nur noch unverzichtbare Experten sollen anreisen, sogar er selbst lässt es sein.

Man könnte die Konferenz sicher enorm verschlanken, wenn das noch mehr Minister so hielten. Malaysia schickt nur 20 Personen nach Madrid, Deutschland 102, die Elfenbeinküste 348, das ist absurd. Auch könnte man gewiss einen Teil der Vorarbeit per Videoschaltung erledigen. Aber man sollte die Relationen im Blick behalten: Die Welt produziert jedes Jahr mehr als 40 Milliarden Tonnen CO₂.

Wenn es noch eine Chance gibt, die Klimakrise in den Griff zu bekommen, dann liegt sie trotz allem in der Umsetzung des Paris-Abkommens, um die in Madrid gefeilscht wird. Und das geht eben nicht virtuell. Für den Erfolg braucht es die Emotionalität der Sitzungssäle, den Druck, nicht mit leeren Händen heimzukommen, die spontanen Allianzen aus Zigaretten- oder Kaffeepausen. Auch die Erschöpfung nach durchverhandelten Nächten hat schon so manches "Na gut" produziert, wo vorher noch ein "Auf keinen Fall!" stand.

Einmal im Jahr dieser Aufwand, um vielleicht das Schlimmste abzuwenden? Ja, das muss sein.

© SZ vom 07.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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