Sicherheit in Museen:Sicherheit? Ist gut. Sagen alle.

Sicherheit in Museen: Hier hing mal ein Rembrandt. Der Diebstahl im Bostoner Isabella Stewart Gardner Museum im Jahr 1990 war einer der größten der Geschichte.

Hier hing mal ein Rembrandt. Der Diebstahl im Bostoner Isabella Stewart Gardner Museum im Jahr 1990 war einer der größten der Geschichte.

(Foto: Josh Reynolds/Associated Press)
  • Nach den Einbrüchen in das Stasi-Museum und das Grüne Gewölbe kommt die Frage auf, was konkret für die Sicherheit von Kunstschätzen getan wird.
  • Wer sich in der Branche umhört, dem fällt auf: Auch eine mangelnde öffentliche Empörung ist ein Problem - genau wie schwerfällige Denkmalschutzbestimmungen.

Von Cornelius Dieckmann

Früher hießen die natürlichen Feinde der Museumssammlungen Feuer und Wasser. Museumsdirektoren fürchteten Kabelbrände oder Überschwemmungen. Und natürlich gab es immer wieder auch Kunstraube, vom nonchalanten Diebstahl der "Mona Lisa" aus dem Louvre 1911 bis zum ausgeklügelten "Gardner Heist" 1990 in Boston. Doch erst in den vergangenen Jahren hat sich der Fokus der deutschen Museen auf den Menschen verlagert.

Man habe es heute mit einer "anderen Qualität von Einbruch im Sinne des Vorgehens" zu tun, sagt Christina Haak, die als stellvertretende Generaldirektorin der Staatlichen Museen zu Berlin 2017 den Diebstahl der überdimensionalen Goldmünze "Big Maple Leaf" verschmerzen musste. Sowohl im Bode-Museum als auch zuletzt im Dresdner Grünen Gewölbe gingen die Diebe gewaltsam mit Äxten vor. Das sei "nicht der elegante Gentleman-Einbrecher, der durch Infrarotstrahlen springt", sagt die Kunsthistorikerin.

Muss er oft auch gar nicht. Das Stasi-Museum Berlin ist architektonisch die Antithese zum Dresdner Residenzschloss. Im Vergleich zu dem prächtigen Renaissancebau, aus dem Ende November Juwelen von unschätzbarem Wert gestohlen wurden, strahlt das Haus in Berlin-Lichtenberg die Pracht einer maroden Berufsschule aus. Eigentlich kein offensichtliches Ziel für Museumsdiebe.

Doch ausgerechnet auf dem früheren Gelände des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, auf dem sich heute das Stasi-Museum befindet, ist das "Sicherheitsgefühl" seit Kurzem "erheblich gestört", wie Museumsleiter Jörg Drieselmann dem Tagesspiegel klagte. Vor gut einer Woche war jemand unbemerkt über das flache Vordach des Museums durch ein Fenster ins Haus eingedrungen und hatte Goldschmuck - wohl beschlagnahmte Stücke aus dem Besitz von Republikflüchtlingen - und mehrere Orden gestohlen.

Anders als das Grüne Gewölbe stellt das Stasi-Museum keine materiellen Preziosen aus, sondern nüchterne Objekte von historischem Wert. Das ließ sich auch an den Sicherheitsvorkehrungen ablesen. In Dresden war innerhalb weniger Minuten die Polizei vor Ort, in Berlin vergingen wahrscheinlich Stunden, bis ein Museumsangestellter den Einbruch bemerkte.

Kulturstaatsministerin Grütters will eine Sicherheitskonferenz einberufen. Das finden alle gut.

Und doch: Nur wenige Tage, nachdem Kulturstaatsministerin Monika Grütters eine eigene Sicherheitskonferenz für Museen ankündigte, ist abermals ein Dieb in ein staatlich mitgetragenes Museum eingestiegen. Man sollte also meinen, dass Grütters' Vorstoß - der Kulturhoheit der Länder zum Trotz -, auch auf Bundesebene über Sicherheit zu sprechen, auf einhellige Zustimmung stößt. Und hört man sich bei Museen und Branchenexperten um, fällt das vorläufige Urteil auch überwiegend positiv aus. Sicherheit? Ist gut. Sagen alle.

Auch der Direktor eines Hauses, das unlängst selbst ausgiebig über Sicherheitsfragen nachgedacht hat. Fragt man ihn nach dem Plan der Kulturstaatsministerin, seufzt er tief und sagt dann: "Ich weiß nicht, was das bringen soll, wenn ich mich mit Kollegen hinsetze und sage, dass wir bessere Panzervitrinen und Kameras wollen. Letztendlich müssen wir über Geld reden."

Aus der Sicherheitsbranche hört man von der schwierigen Verhandlungsposition im Museumswesen. "Man gibt Geld für eine teure Anlage aus, und dann passiert erst mal nichts", sagt Alke Dohrmann, Mitschöpferin und Co-Autorin eines Sicherheitsleitfadens für Museen. "Die Träger haben das Gefühl, Geld verschwendet zu haben. Dann machen sie vielleicht lieber eine schöne Ausstellung." Attraktiv ist alles, was für die Öffentlichkeit sichtbar ist, also vor allem Sonderschauen und aufsehenerregende Leihgaben. Nicht neue Kameras, Schulungen für Sicherheitsleute, dickeres Glas.

"Nachdem jetzt zweimal so große Dinger gedreht wurden, ist die Gefahr für die Öffentlichkeit real geworden."

Auch in das Rheinische Landesmuseum Trier wurde vor einigen Wochen eingebrochen, verglichen mit dem Grünen Gewölbe fand der Fall deutlich weniger Aufmerksamkeit. In der Nacht zum 5. Oktober stiegen zwei maskierte Täter durch ein Fenster in das Haus ein, lösten Alarm nach Alarm aus - und scheiterten schließlich an der Glasscheibe des "Trierer Goldmünzenschatzes". Der Schatz blieb im Museum, die Diebe unerkannt. Nach dem Einbruch hat Marcus Reuter, Direktor des Rheinischen Landesmuseums, sich mit dem Landeskriminalamt beraten. Die Kosten für die Umsetzung der Sicherheitsvorschläge des LKA lägen im sechsstelligen Bereich, jetzt müsse Reuter sie "der Politik vorlegen" - und hoffen.

Andererseits kennt Reuter die Aufmerksamkeitsökonomie. Passiert nichts, fragt auch niemand. Kommt etwas weg, reden alle darüber. "Nachdem jetzt zweimal so große Dinger gedreht wurden, ist die Gefahr für die Öffentlichkeit real geworden", sagt der Direktor. Das erste große Ding war der Diebstahl aus dem Bode-Museum. Das zweite das Grüne Gewölbe.

Sofern es in den Museen ein Problem mit der Sicherheit gibt, dann ist es deren Image. Schon der beamtendeutsche Name des betreffenden Gremiums innerhalb des Deutschen Museumsbunds, "Arbeitskreis Gebäudemanagement und Sicherheit", an dem bisher etwa 70 Häuser beteiligt sind, lässt erahnen, dass das Thema bei Trägern nicht zum instinktiven Ausschütten von Geldern führt. Karola Richter, stellvertretende Sprecherin des Arbeitskreises bestätigt, dass Sicherheitsaspekte bei der Verteilung von Budgetanteilen oft zu kurz kämen. Dabei hatte Monika Grütters kurz nach Dresden in einer Pressemitteilung erklärt, das Thema Sicherheit stehe "auf der Agenda der Museen ohnehin ganz oben."

Richter ist im Hauptamt für die Gebäudeverwaltung und Sicherheit im Landesmuseum Württemberg zuständig, das sich im Stuttgarter Alten Schloss befindet, einem Bau mit mehr als tausendjähriger Geschichte. "Vielen Häusern, die ursprünglich nicht als Museen gebaut wurden, wird durch Denkmalschutzauflagen die Gewährleistung der Sicherheit erschwert", sagt sie. Dazu gehört auch das Dresdner Residenzschloss, das trotz allseitiger Bescheinigung vorbildlicher Sicherheitsstandards der Gewalt der Täter nicht standhielt. Und dazu gehört auf gewisse Weise auch das Berliner Stasi-Museum. Natürlich sei der Denkmalschutz wichtig, sagt Richter, aber ein altes Fenster eben auch leichter zu überwinden.

Wie werden die Häuser für die Verluste entschädigt? Die prosaische Antwort: Gar nicht

Frank Matthias Kammel, Generaldirektor des Bayerischen Nationalmuseums, formuliert es so: "Das Schwarzbrot muss man haben. Wenn es nicht reicht, muss man halt vom Aufstrich ein bisschen was wegnehmen." Dass erst seit Dresden über Sicherheitsdefizite gesprochen werde, weist er zurück. Die Diskussion werde schon länger geführt, nur eben ohne öffentliche Empörung. Die konstituierende Sitzung des Arbeitskreises fand in der Tat Anfang Oktober statt, vor dem Einbruch in das Grüne Gewölbe.

Ob das früh genug ist, bleibt offen. Der Spiegel berichtet von Aussagen ehemaliger Mitarbeiter in Münchner Museen, die erhebliche Sicherheitslücken kritisieren. In der Pinakothek der Moderne wäre Dresden beispielsweise "täglich möglich", sagen sie.

Das Pathos in den Reaktionen auf den Dresdener Diebstahl - Sachsens Innenminister Roland Wöller sprach von einem "Anschlag auf die kulturelle Identität aller Sachsen" - legt eine nachträgliche Frage aber sehr wohl nahe, nämlich wie ein bestohlenes Haus für einen solchen Verlust entschädigt wird. Die weit weniger pathetische Antwort lautet: gar nicht. Staatliche Sammlungen seien fast nie versichert, sagt Christina Haak, die neben ihrer Tätigkeit bei den staatlichen Museen Berlins auch Vizepräsidentin des Deutschen Museumsbundes ist. "Mit welcher Summe soll man Nofretete und Co. versichern?", fragt sie: "Die könnte zum Ersten niemand aufbringen, und zum Zweiten käme sie auch noch aus Steuergeldern." Ohnehin sei der erste Reflex aus Museumsperspektive nicht der Ruf nach Entschädigung: "Angenommen, es wird irgendein Rubens geklaut. Dann kann man sich auf dem Markt umtun, ob man einen vergleichbaren Rubens findet. Aber der würde nie die einzigartige Position innerhalb der eigenen Sammlung haben."

Der größte Kunstdiebstahl der DDR-Geschichte ist inzwischen verjährt

Manchmal genügt Geduld. Ende der Woche wurde bekannt, dass fünf Gemälde wieder aufgetaucht sind, die 1979 im größten Kunstdiebstahl der DDR-Geschichte aus dem Schloss Friedenstein in Gotha verschwanden: Frans Hals' "Brustbild eines jungen Mannes", Jan Brueghels d. Ä. "Landstraße mit Bauernwagen und Kühen", Anthonis van Dycks "Selbstbildnis mit Sonnenblume", Jan Lievens' "Alter Mann" und "Heilige Katharina" von Hans Holbein dem Älteren. Die Entdeckung mag die Kunstwelt trösten. Allerdings ist der Fall seit zehn Jahren verjährt, und um die Bilder zurückzubekommen, müsste die Stiftung Schloss Friedenstein sie den neuen Besitzern, einer Erbengemeinschaft, wohl abkaufen. Die verlangt laut MDR mehr als fünf Millionen Euro dafür.

Was nun? Zu befürchten ist das Eintreten dessen, was in der Flughafenbranche security theater heißt, Sicherheitstheater. Dabei geht es nicht um die tatsächliche Verschärfung von Sicherheitsvorkehrungen, sondern darum, dass die Öffentlichkeit das so wahrnimmt. Das ist billiger, aber ob es wirklichem Schaden vorbeugt, ist umstritten.

Schloss Friedenstein hatte übrigens schon 1979 eine Alarmanlage. Man hatte sie nur noch nicht in Betrieb genommen.

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