Kommunalwahl im Landkreis:Auf Stimmenfang von Haustür zu Haustür

Ingo Mehner  Bad Tölz CSU Bürgermeister-Kandidat

Eine Blume für den Kandidaten: Ingo Mehner bekommt an der Tür von Devana und Leni Robar mehr als nur zu hören, was sich in Tölz ändern sollte.

(Foto: Manfred Neubauer)

Auf seiner Wahlkampftour durch die Stadtviertel von Bad Tölz bekommt CSU-Bürgermeisterkandidat Ingo Mehner viele Ideen und Kritik zu hören

Von Klaus Schieder

Die Haustür geht auf und gibt den Blick in den schattigen Flur des Mehrparteienhauses frei. Drinnen steht ein älterer Mann, der auf dem Absatz kehrtmacht, als er den Bürgermeisterkandidaten Ingo Mehner (CSU) mit dem Lokaljournalisten im Schlepptau sieht. Er wirft die Arme in die Luft und ruft aufgeregt: "Naaa, naaa, um Gottes willen, geht's weg!" Mehner bleibt ein wenig irritiert stehen. Einen solchen Rauswurf erlebt er bei seinem Wahlkampf von Haus zu Haus fast nie. Also wendet er sich einem anderen Bewohner zu, der gerade die Wohnungstür geöffnet hat. Und aus ihrem Gespräch bekommt der ältere Herr alsbald mit, dass er einem Irrtum erlegen ist: Er hat den CSU-Kandidaten für einen Zeugen Jehovas gehalten.

Im Zeitalter sozialer Medien ist es zumindest ungewöhnlich, dass sich ein Lokalpolitiker die anstrengende Tour von einer Türklingel zur nächsten antut. "Ich kenne keinen, der das in Tölz schon gemacht hat", sagt der 41-Jährige. Seit dem Frühjahr befindet er sich schon auf Stimmenfang, trifft sich mit Bürgerinnen und Bürgern zu Stadtteilgesprächen, besucht sie zu Hause. Der Wahlkampf, sagt er, "muss online, darf aber nicht nur online sein". Deshalb verlässt er sich nicht auf seine professionelle Homepage, sondern nimmt sich immer wieder mal Zeit, durch eines der Tölzer Stadtviertel zu laufen. Es komme vor, dass ihm die Tür mal vor der Nase zugeschlagen werde, allerdings sehr selten, berichtet er. "Es gibt viel Wohlwollen, aber auch viel konstruktive Kritik." Er bekommt zu hören, dass im Stadtgebiet kaum Wickeltische für Mütter zu finden seien, dass es kein Streetfood-Festival gebe, dass die Straßenbeleuchtung zu hell, zu dunkel, an der falschen Stelle sei. Und so fort. Für einen Bürgermeister sei es wichtig, "dass er sich nicht nur vom eigenen Umfeld beeinflussen lässt", sagt Mehner. In Tölz gebe es schließlich unterschiedliche Bedürfnisse.

Das wird auch an diesem kalten Nachmittag im Advent deutlich. Im Stadtviertel rund um den Bahnhof leben Wohlhabende und weniger Betuchte, junge Familien und Ehepaare im Seniorenalter, Alleinstehende mit und ohne Kinder. Mehner hat in dieser Gegend fast ein Heimspiel, weil er selbst nicht weit entfernt davon wohnt. Manche, die er aufsucht, kennt er seit langem, aus der Schulzeit, vom Pendeln mit der BOB, über Freunde. Mit Devana Robar hatte er noch nicht zu tun. Die Assistentin der Geschäftsführung in einem Chemieunternehmen findet es wichtig, dass in Tölz mal ein anderer Bürgermeister ans Ruder kommt. "Ich mag die Vetternwirtschaft nicht", sagt sie. Was sie damit genau meine, will der CSU-Kandidat wissen. Da erzählt ihm Robar, wie sie vor sechs Jahren für die ökumenische Sozialstation gearbeitet und Kinder mit Behinderung in die Schule begleitet hat. Viele Vorschläge habe der Leiter der Station an den Bürgermeister geschickt, aber nichts sei umgesetzt worden, kritisiert Robar. "Es gibt viele Kids, die brauchen Hilfe." Von ihrer 13 Jahre alten Tochter Leni, die in die Tölzer Südschule geht, bekommt Mehner noch eine Pflanze im Topf geschenkt, die er von nun an die gesamte Tour über mit sich trägt.

Knapp 9000 Haushalte hat Bad Tölz. 50 bis 100 Prozent davon will der CSU-Bewerber abklappern. Dabei legt er sich einige Selbstbeschränkungen auf. Er geht zum Beispiel nicht in Alten- und Pflegeheime, "weil ich das unpassend finde". Auch zwischen Heiligabend und Dreikönig sowie abends nach 20 Uhr klingelt er eben deshalb nicht an den Türen. Außerdem vermeidet er es, sich auf der Suche nach der Haustür durch die Gärten zu schleichen, schon gar nicht in der hereinbrechenden Nacht. Und er geht alleine. "Weil man die Leute ja nicht erschlagen will", sagt er.

Damit läuft er bei Rainer Sachs nicht Gefahr. Den Zukunftsrisikoforscher kennt er von vielen gemeinsamen Fahrten mit der BOB nach München. Der Familienvater hätte gerne, dass die Fußgängerzone für den Radverkehr freigegeben würde - auch deshalb, um sein Kind in den Albert-Schweitzer-Waldkindergarten zu bringen. Aber davon hält Mehner nichts. Und sagt das auch: "Die Öffnung der Marktstraße ist für mich nicht der Stein der Weisen." Ihm schweben vielmehr Radl-Achsen vor, die den Osten mit dem Westen der Stadt verbinden, das Lettenholz mit dem Badeteil. So könnten Radfahrer von der Salzstraße zum Rathaus und weiter zum Bürgergarten gelangen, dort müssten nur vier Stufen durch eine Rampe ersetzt werden. Sachs kritisiert auch, dass Radler in Tölz oftmals auf dem Gehweg fahren müssten. "Wir müssen es schaffen, das Radfahren auf dem Radweg zu fördern." Da ist Mehner ganz bei ihm.

Die mangelnde Fahrradtauglichkeit der Kurstadt moniert auch Martin Franz. Aber ihm geht es noch um anderes: Der marode und inzwischen geschlossene Bahnhof sei "eine Schande" für Bad Tölz, vor dem Gebäude fehlten Zebrastreifen, vor allem die Nutzer der BOB. Dann geht es noch eine Weile um Veranstalter Peter Frech, ohne den sich in Tölz nichts rühren würde, wie Franz meint. Mehner verweist auf die Ausfallbürgschaften der Stadt für dessen Veranstaltungen, dann verabschiedet er sich.

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In zunehmender Dunkelheit geht er weiter von Haus zu Haus, von Thema zu Thema: Christian Eibl, dessen Frau für die bundesweite Elterninitiave Mother-Hood aktiv ist, beklagt das Ende der Geburtenstation in der Asklepios-Klinik ("Im Freundeskreis ist das nach wie vor ein Thema") und die schlechte Busverbindung von Wolfratshausen nach Tölz. Christine Rödig übt scharfe Kritik an der neuen Verkehrsführung auf der Flinthöhe ("ein Schildbürgerstreich"), ihr Mann Rudolf sieht die Kreisverkehre in Tölz an der falschen Stelle gebaut, etwa auf der Buchener Straße oder nahe der Lettenholzschule. Auf der Bundesstraße 472 würde ein Kreisel bei knapp 30 000 Fahrzeugen pro Tag jedoch verstopfen, erwidert Mehner. Außerdem erzählt Christine Rödig, dass sie zum Einkaufen nach Garmisch oder Tirol fährt. "Ich kaufe kein G'wand in Tölz, hier lässt man ja nichts rein", sagt sie. Zum Beispiel keinen C&A. Ums Josefstift dreht sich das Gespräch mit Marianne und Hans Miller. Beide hätte ein neues Pflegeheim gerne an der alten Stelle an der Bahnhofstraße gesehen. Mehner erklärt, dass dies mit viel Baulärm für die betagten Bewohner und einem Verlust des Interesses an einem Pflegeplatz im Josefistift verbunden wäre.

Und der ältere Herr, der den CSU-Kandidaten für einen Zeugen Jehovas hielt? Beim Gespräch im Hausflur fordert er ein Durchfahrtsverbot für die Allgaustraße. Außerdem erzählt er, dass er seit 29 Jahren für die Tölzer Feuerwehr aktiv ist. Deshalb fuchst es ihn, dass Ehrenamtliche wie er Strafzettel erhalten, wenn sie dienstlich unterwegs sind. Dabei gehe es nicht ums Parken im absoluten Halteverbot, erklärt er. Aber die Parkwächter könnten ein wenig kulanter sein. Das mit Allgaustraße lehnt Mehner ab, beim zweiten will er sich in anderen Kommunen umhören. Mit seinem Topf mit der Pflanze geht er nach draußen. An zwei Häusern wird er noch die Klingel drücken, dann ist Feierabend. Was er an diesem Nachmittag gehört hat, will er daheim strukturieren: "Man braucht schließlich die große Linie."

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