Mord an Georgier in Berlin:Röttgen weist russische Darstellung zurück

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Präsident Wladimir Putin zeigt sich offensiv und zugleich vieldeutig.

(Foto: REUTERS)
  • Im Streit um einen mutmaßlichen Auftragsmord in Berlin geht Russlands Präsident Putin in die Offensive und stellt den ermordeten Georgier als tschetschenischen Terroristen dar.
  • Zugleich sagt er, man habe erfolglos um eine Auslieferung des "Banditen" gebeten.
  • CDU-Außenpolitiker Röttgen betont jedoch im Gespräch mit der SZ, dass man von einem Auslieferungsgesuch in Berlin nichts wisse.

Von Daniel Brössler, Berlin

Die Frage ist Wladimir Putin nicht unangenehm. Ganz und gar nicht. Ein deutscher Journalist hat sich in der nächtlichen Pressekonferenz in Paris soeben nach dem Mord an einem Georgier im Kleinen Tiergarten in Berlin erkundigt und nach der Ausweisung zweier russischer Diplomaten. Die Spur von dem festgenommenen russischen Täter mit gefälschten Papieren führt aus Sicht der deutschen Justiz nach Moskau und dort zum Geheimdienst.

"Ich gehe davon aus, dass die russische Seite uns ihre Informationen zur Verfügung stellt. Jedenfalls fände ich das gut", sagt die Bundeskanzlerin trocken. Putin hingegen beginnt mit einer Belehrung. Es handele sich "von der Nationalität" her nicht um einen Georgier. Es handele sich "um einen Krieger, einen brutalen und blutrünstigen Menschen", nach dem in Russland gefahndet worden sei.

Putin stellt den im August in Berlin ermordeten Selimchan Changoschwili als tschetschenischen Terroristen dar, der mitverantwortlich gewesen sei für Terroranschläge "mit 98 Toten" - darunter eine Explosion in der Moskauer Metro. "Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist", erklärt Putin schließlich. "Das ist ein kriminelles Umfeld, da kann alles Mögliche passieren."

So wie dieser Satz des Kremlchefs auch alles Mögliche bedeuten kann. Er ist von jener Vieldeutigkeit, die Putin so liebt. Einerseits weist der russische Präsident eine Verantwortung für den mutmaßlichen Auftragsmord von sich. Andererseits will er sehr wohl, dass man ihm diese Hinrichtung zutraut. Nach nie wirklich aufgeklärten Bombenanschlägen 1999, bei denen in Moskau 200 Menschen ums Leben gekommen waren, versprach der damalige Ministerpräsident, die Täter notfalls "bis aufs Klo" zu verfolgen und dort zu erledigen. Das Recht, Überläufer und angebliche Terroristen auch im Ausland exekutieren zu lassen, behält sich Putin bis heute vor.

Angebliches Auslieferungsersuchen verwirrt deutsche Seite

Man habe ja, sagt er, erfolglos um eine Auslieferung des "Banditen" gebeten. In dieser Logik wäre Deutschland also selber schuld. Die Ausweisung zweier Diplomaten, "die damit nichts zu tun haben", sei jedenfalls nicht korrekt, klagt Putin. Nach den ungeschriebenen Gesetzen der Diplomatie sei Russland nun mit der Ausweisung zweier Deutscher an der Reihe. Wobei Putin zunächst offen lässt, ob er diesen Schritt tatsächlich geht.

Verwirrt hat Putin die deutsche Seite erst einmal mit seiner Behauptung, für den Georgier habe es ein russisches Auslieferungsersuchen gegeben. Bekannt war bislang, dass die Russen die deutschen Behörden über eine angebliche terroristische Vergangenheit des früheren Rebellenkommandeurs informiert, dies aber offenbar nicht überzeugend belegt hatten.

"Von einem Auslieferungsbegehren in Hinblick auf den Ermordeten seitens Russlands ist deutschen Behörden nichts bekannt", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU), der Süddeutschen Zeitung. Dasselbe gelte für Putins Anschuldigungen gegen diese Person. "Das Einzige, was wir wissen, ist, dass Selimchan Changoschwili mutmaßlich von einer Person mit von russischen Behörden ausgestellten, gefälschten Papieren ermordet worden ist", betont Röttgen. Und fragt: "Sollen die Anschuldigungen über den Ermordeten etwa nahelegen, der Mord sei gerechtfertigt?"

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