Kunst:Wann ist ein Mann ein Mann?

Die Ausstellung "Yes, We Ken!" in der Pasinger Fabrik geht der Geschichte von Barbies Ex nach. Sie nimmt Gender-Fragen ebenso aufs Korn wie den Zeitgeschmack

Von Jürgen Moises

Eine Parade, an deren Spitze Michael Jackson und George W. Bush stehen? In der Realität hätte es das wohl nie gegeben. In einer Ausstellung in der Pasinger Fabrik kann man nun aber genau das sehen. Und zwar in Form einer 80 Figuren umfassenden Puppenparade, zu der auch noch ein paar Spielzeugfahrzeuge gehören. "Kenwalk" heißt die von der in Krailling lebenden Künstlerin Augusta Laar geschaffene Installation, für die sie auf ihre große, eigene Sammlung an Ken-Puppen zurückgegriffen und diese durch ein paar andere Figuren ergänzt hat. Wir erinnern uns: Ken, das war für viele Jahre lang der feste Freund, der Sidekick von Barbie. Aber während Barbie ein stilbildendes Idol war und als Ärztin oder Astronautin nicht nur ihre eigenen Träume, sondern auch die von vielen Frauen auslebte, blieb Ken doch immer etwas blass.

Aber auch er hat sich verändert, neue Männerbilder nicht beeinflusst, aber diese zumindest reflektiert. Und genau das will die von Augusta Laar und Stefan Maria-Mittendorf kuratierte Ausstellung mit dem schönen Titel "Yes, We Ken!" unter anderem auch zeigen. Die Kens hat Laar, von der aktuell auch eine Ausstellung in der Galerie Bezirk Oberbayern (Prinzregentenstraße 14) zu sehen ist, teilweise schon vor Jahren für frühere Arbeiten gesammelt. Etwa, als sie mit Kens und Barbies "Krippen" gebaut hat, von denen drei neuere Ken-Varianten auch an den Wänden hängen. Diese tragen Titel wie "I'll Be Home For Christmas" oder "Whenever I Seem To Be Far Away", sind nicht nur mit Kens, sondern auch noch mit Disney-, Peanuts-, Star-Trek und noch anderen Figuren angefüllt und mit Postkarten gerahmt. Ansonsten hielt sie, schreibt Augusta Laar per Mail, gezielt über das Jahr die Augen offen, hat sich von Freundinnen, Nichten, Omas oder Enkelinnen Figuren geliehen.

Yes We Ken Ausstellung Pressefoto Jana Cruder Bonding Fotoserie Great Expectations

Den "Playboy" lesen und derweil mit dem Herrn von nebenan liebäugeln? Ja, ist denn so was mit der spießigen Welt von Barbie und Ken vereinbar? "Yes, We Ken!", würden die Macherinnen der gleichnamigen Ausstellung wohl antworten. Sonst hätten sie die Fotoserie "Great Expectations" dafür nicht ausgesucht.

(Foto: Jana Cruder)

Einige hat sie auch gezielt eingekauft, wie etwa drei Militärpuppen, die neben dem "Kenwalk" zusammen mit GI Joe in einer "Militär-Vitrine" stehen: Ein "Airforce Sergeant Ken" in Desert-Storm-Tarnkleidung, ein "German Afrika Corps Soldier" in WW-II-Montur und eine Figur aus der "Elvis Presley Collection - The Army Years", die durch zwei GI Joe-Action-Figuren ergänzt werden. Auch ein Robbie-Williams-Ken, ein Wizard-of-Oz-Scarecrow -Ken, ein Bondage-Ken (der einzige mit Penis) und ein Original Hipster-Ken sind unter anderen ausgestellt. Und in einer Installation von Rose und Gisbert Stach mit Namen "Kenschmelze", gibt es fünf "hitzebehandelte" Ken-Figuren.

Noch drastischer ist die Behandlung, die zwei Babypuppen in Felix Müllers Splatter-Super-8-Film "Von Schönheit und Neid" erfahren. Hier sieht man nämlich, wie sie sich gegenseitig massakrieren. Und als Finale nimmt dann ein lachender Ken eine kopflose Puppe von hinten. Auch in Stefan Stratils Schwarz-Weiß-Film "Vivus Funeratus" macht Ken zu einem schönen B-Movie-Soundtrack von "Der Plan" mit zwei Frauenpuppen rum. Irgendwann ist er in einer Rutsche, fliegt ins Wasser und wird von Würmern, Knospen, schwarzer Farbe überdeckt. Damit schwingt auch hier etwas Unheimliches mit. Für Kinder ist das alles jedenfalls nur bedingt geeignet.

Yes we Ken Ausstellung Jana Cruder Domestic Ken

Das bisschen Haushalt: Der "Domestic Ken", ebenfalls aus der Fotoserie "Great Expectations", 2013 von Jana Cruder.

(Foto: Jana Cruder)

Dörthe Bäumer wiederum bringt in ihrer Serie "Bravo, Ken" in einer Mischung aus Fotocollage und filigranen Zeichnungen Ken und Barbie mit einer Katze sowie anderen "Pop-Ikonen" zusammen, wie einem Adidas-Schuh, einer Jeansjacke oder Freddy Mercury. Auf dem Gemälde "Exi(s)t" von Robert Weissenbacher sieht man Ken und Barbie, so könnte man es jedenfalls deuten, in einer zum Boot umfunktionierten Riesentasche aus dem Paradies flüchten. Und in Birthe Blauths Video "Adamizer" sieht man, wie sich ein Mann in Zeitlupe dem Aussehen von Ken angleicht. Jana Cruder und Dina Goldstein haben in ihren Fotoserien den Ehealltag von Ken und Barbie dokumentiert. So findet man die beiden, von Schauspielern dargestellt, bei Cruder ein gediegenes Upperclass-Leben am Pool führen, sieht Ken, wie er staubsaugt, Playboy liest und dabei dem Eindruck nach mit einem Mann (dem Poolboy?) anbandelt. Bei Dina Goldstein wird das Ganze fast noch eindeutiger, etwa wenn Ken und Barbie im Bett beide ihre Modemagazine lesen oder davon träumen, wie sie derselbe Soldat rettet.

Ansonsten wirkt der gemeinsame Alltag bei Goldstein ziemlich trostlos. Szenen einer unglücklichen Promi-Scheinehe, die die Künstlerin mit Puppen dargestellt hat, auf denen menschliche Gesichter kleben. Mit teilweise verblüffendem Effekt. Dass es zwischen Ken und Barbie seit 2004 aus ist, kann man jedenfalls sehr gut verstehen. Damals stellte Mattel die Ken-Produktion ein, erweckte ihn 2006 nach dem Vorbild David Beckhams aber doch wieder zum Leben. Und so ist er inzwischen, kaum zu glauben, 58 Jahre alt (Barbie wurde heuer 60).

Über all das wird Kalle Aldis Laar, der Mann von Augusta Laar, möglicherweise am 8. Januar in seiner Lecture reden, in der er Ken und GI Joe gegenüberstellt. Auch eine Lesung (17. Januar) von Jochen König zum Thema "Männer und Feminismus" ist geplant. Sowie ein Workshop (18. Januar) mit dem Titel: "Wann ist ein Mann ein Mann?".

Yes, We Ken! Über Ken zu zeitgenössischer Kunst und Gesellschaft, bis 19. Januar, Pasinger Fabrik

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