Klassik:Bloß nicht gewöhnlich

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Komponieren tut er übrigens auch: Patrick Hahn, 24, arbeitete gerade als Assistent von Kirill Petrenko. (Foto: Peter Purgar)

Der Dirigent Patrick Hahn gibt sein Debüt beim Chor des BR

Von David Renke

Mit dem Begriff Wunderkind kann Patrick Hahn nichts anfangen. Nicht nur, weil er zu einer Floskel geworden sei, die viel zu schnell herumgeworfen werde, sondern auch, weil er als Dirigent mit seinen 24 Jahren der Floskel doch schon längst enteilt sei. "Wenn man sich im Klassikbetrieb umschaut, gibt es doch einige Künstler, die viel jünger sind als ich."

Jünger vielleicht, was der Österreicher in seiner jungen Karriere allerdings schon erreicht hat, schaffen nicht viele. Im März dieses Jahres hat er die Hamburger Symphoniker in der Elbphilharmonie geleitet. Auf dem Programm stand Bruckners siebte Sinfonie. Als Assistent von Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper hat er bei der "Salome" und Korngolds Oper "Die tote Stadt" geholfen. Bescheiden bleibt der junge Dirigent aber trotzdem und die Gefahr, dass ihm einmal neue Ziele ausgehen könnten, sieht Hahn eigentlich nicht: "Es gibt immer neue Sachen, die mich interessieren. Vor allem habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mir gar keine konkreten Ziele setzen sollte, viele schöne Dinge sind mir ganz unerwartet passiert."

In München steht der Österreicher nun zum ersten Mal mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks auf der Bühne. Geplant war das Weihnachtskonzert eigentlich als sein offizielles Debüt beim Bayerischen Rundfunk, doch wie so oft in seiner Karriere ging es bei ihm wieder schneller als gedacht. Das Münchner Rundfunkorchester lud ihn im vergangenen Juli ein, bei der "Space Night in Concert Vol. II" seinen Einstand beim BR vorzuverlegen - galaktische Filmmusik also statt besinnlicher Weihnachtslieder.

"Bei dem Pensum, das ich in diesem Jahr in München habe, würde sich eine Wohnung hier fast lohnen", lacht Hahn. Im Frühling hatte der Österreicher bereits die musikalische Leitung für die Kinderoper "Kannst du Pfeifen, Johanna" an der Staatsoper übernommen. Zur Zeit wohnt er allerdings noch in Hamburg, weil er dort ein Jahr an der Oper korrepetiert hat. Seinen Job dort hat er zwar wieder aufgegeben, in Hamburg ist er aber "hängen geblieben". Auf seine feste Verpflichtung am Opernhaus schaut Hahn mit gemischten Gefühlen: "An der Oper läuft man schnell Gefahr, in eine Schublade gesteckt zu werden. Da wieder herauszukommen und auch in anderen Bereichen der Klassik wahrgenommen zu werden, ist teilweise sehr schwierig." Außerdem genießt Hahn seine Unabhängigkeit als freier Dirigent viel zu sehr, als dass er sich fest binden möchte. Daher steht bald der Umzug an von der norddeutschen Metropole ins Herz der österreichischen Kulturszene. In Wien, von der Donau aus, ist die Welt dann noch viel schneller zu erreichen als von der Elbe. Außerdem ist Wien natürlich näher an seiner Grazer Heimat, wo er das Dirigieren auch studiert hatte.

Auch mit seinem Konzert beim Chor des Bayerischen Rundfunks kehrt Hahn gewissermaßen zu seinen Wurzeln zurück. Das Singen im Schulchor und später als Knabensolist bei den Grazer Kapellknaben brachten ihn schließlich überhaupt erst zur klassischen Musik, als Chordirigent trainierte er früh sein Handwerk. Eine musikalische Initialzündung, Musiker zu werden, gab es für Hahn dabei nicht. Als er mit zwölf Jahren seine eigene Oper "Frittatensuppe" dirigiert, merkt er, dass er gerne leitet. Und so professionalisiert er sich als Musiker immer weiter. Von da an seien es dann immer Ältere gewesen, vor denen er sich beweisen musste.

Beim Chor des Bayerischen Rundfunks ist die Situation nicht anders, doch Patrick Hahn weiß, wie man mit einem renommierten Klangkörper umzugehen hat. "Seien Sie situationselastisch", ruft er dem Chor bei den Proben zu. Das sei einmal das Unwort des Jahres in Österreich gewesen und bezog sich mit Sicherheit auf die Politik. Für den Chor bedeutet es, sich auf ein Programm einzulassen, dass Hahn ganz bewusst von der üblichen "Jauchzet, frohlocket"- und "Tochter Zion"-Taumelei abgrenzen will. Auf dem Programm stehen Poulenc, Britten und ein "Vater unser" von Leoš Janáček, auf das Hahn bei seinen Vorbereitungen gestoßen ist. Die ungewöhnliche Besetzung für Tenor, Chor, Orgel und Harfe passt dabei gut zum Hauptwerk nach der Pause, das "Oratorio de Noël" von Camille Saint-Saens, das der Chor gemeinsam mit dem Rundfunkorchester aufführt. Für sein Debüt hat Hahn außerdem die "Ballade of Christmas Ghosts" für achtstimmigen Chor a cappella vertont.

"Ich habe in der letzten Zeit nicht mehr so viel Zeit zum Komponieren, deswegen musste ich mich ein wenig überreden lassen, aber der Chor singt zeitgenössische Musik hervorragend, das hat sich angeboten." Auch bei seinem eigenen Werk wird deutlich, dass Hahn auf den üblichen Weihnachtsklang keine Lust hat. "Auf irgendeinen Magnum Mystrium-Verschnitt hatte ich keine große Lust, ich wollte lieber etwas Gruseliges schreiben", gibt Hahn zu. Also verzichtet er auf Latein und vertont eine Ballade des schottischen Dichters Andrew Lang, der in seinem Text Geister und uralte Legenden heraufbeschwört. Es ist genau das, wonach Hahn gesucht hat. Und vor allem ist es auf gar keinen Fall gewöhnlich.

Weihnachtskonzert 2019 , Samstag, 14. Dezember, 20 Uhr, Prinzregententheater, Prinzregentenpl. 12

© SZ vom 14.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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