Poolbillard:Überall Baustellen

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Bringt seine Bestform derzeit nicht auf den Filz: Dachaus Zugang Roman Hybler. (Foto: Niels P. Joergensen)

Serienmeister Dachau hat Tabellenführer Sankt Augustin aus den Augen verloren - selbst Altmeister Ralf Souquet trifft die Kugeln nicht mehr wie gewohnt.

Von Ralf Tögel

Neunmal bei zehn Versuchen versenke er so einen Ball, sagt Ralf Souquet - ausgerechnet im letzten Spiel des Jahres gab es Versuch Nummer zehn. Es war auch noch das Heimspiel des BSV Dachau gegen den Tabellenführer 1. PBC Sankt Augustin, das Spitzenspiel, würde man im Fußball sagen. Die Rede ist aber von Poolbillard. Souquet ist Mannschaftskapitän des Billardsportvereins Dachau, dem deutschen Serienmeister der Jahre 2016 bis 2018, ehe eben jener Pool Billard Club aus der 60 000-Einwohner-Stadt nordöstlich von Bonn der dreijährigen Dachauer Regentschaft überraschend ein Ende setzte. Und nach der jüngsten Niederlage sieht es auch danach aus, als könnte sich Dachau den Titel nicht zurückholen, was vor der Spielrunde deutlich als Ziel ausgegeben wurde. Und was angesichts der personellen Besetzung der Dachauer auch keineswegs vermessen ist. Christoph Reintjes etwa bezeichnete die Dachauer als "die wahrscheinlich bestbesetzte Mannschaft Europas", womit der Poolbillard-Profi nicht einmal falsch liegen dürfte.

Reintjes spielt für Sankt Augustin, er war also am deutlichen 6:2-Erfolg der Gäste aus Nordrhein-Westfalen beteiligt, die damit ihre Tabellenführung eindrucksvoll verteidigten. Der Titelverteidiger ist Dachau mit dem Triumph bereits auf sechs Punkte enteilt, der PBC Schwerte sowie der BC Oberhausen stehen zwar hinter Dachau im Tableau, haben aber je zwei Spiele weniger absolviert. Diese beiden Kontrahenten könnten den BSV also ebenfalls demnächst überholen, im Billard gilt wie im Fußball die Drei-Punkte-Regel. Überhaupt suchen die Dachauer gerne den Vergleich zum Fußball, genauer gesagt zu einem bestimmten Verein: "Uns geht es ein bisschen wie dem FC Bayern München", sagt Souquet, weil er dem Urteil des Kollegen Reintjes vollumfänglich zustimmt: "Ich denke auch, dass wir die am besten besetzte Mannschaft haben."

Doch im Gegensatz zum Fußball dürfen im Billard pro Spiel nur zwei ausländische Kräfte zum Einsatz kommen. In David Alcaide (Spanien), den Österreichern Albin Ouschan und Mario He, dem Bosnier Sanjin Pelivanovic und Fedor Gorst aus Russland stehen deren fünf im Dachauer Team; wegen der nach wie vor gültigen Ausländerregelung in der Poolbillard-Bundesliga müssen pro Viererteam und Spieltag aber immer auch zwei deutsche Akteure an den Tischen stehen. Beim BSV sind diese Positionen mit Souquet und Zugang Roman Hybler ebenfalls exzellent besetzt, doch vor allem Hybler bringt derzeit seine Bestform nicht auf den Filz. Aber was für den FC Bayern gilt, ist dem BSV Dachau allemal Vorbild: Hinken die vermeintlich Besten trotz edlen Kaders in der Liga auch hinterher, abschreiben sollte man sie nicht.

Gegen Sankt Augustin agierte auch Souquet nicht in Bestform, wie er angesichts der vergebenen Chance gegen Reintjes selbstkritisch anfügt. Was auch für Fedor Gorst gilt, der neben Albin Ouschan die zweite Ausländerposition im Spiel gegen den Meister besetzte, er vergab mehrmals Gelegenheiten zum Sieg. Zweimal musste er gegen Joshua Filler ran, zweimal verlor er knapp - und selbst verschuldet. Dabei hatte der 19-jährige Junioren-Weltmeister den derzeit weltbesten Gegner: Joshua Filler ist aktueller Weltmeister, US-Open-Sieger und führt die Weltrangliste an. Er gilt als der neue Superstar der Pool-Szene. Filler im Übrigen hatte vor der Saison ein Angebot des BSV ausgeschlagen, der Nordrhein-Westfale entschied sich für Sankt Augustin und damit für Heimatnähe. Unattraktiv war die Offerte dem Vernehmen nach auch nicht. "Trotzdem hätten wir mindestens unentschieden spielen müssen", sagt Souquet, der Kaiser, wie Dachaus Kapitän in der Szene genannt wird. Auch er vergab Siegchancen. Im Vorjahr kam den Dachauern ob ihrer starken Besetzung der internationale Terminkalender in die Quere, allzu oft fehlten Akteure wegen großer Turniere. Auch bei der ersten Niederlage der laufenden Spielzeit in Schwerte war das der Fall, "da spielten wir ohne fünf", erklärt Souquet, also ohne die fünf am höchsten notierten Spieler. Das immerhin war fortan nicht mehr der Fall, der Punkterückstand kann aber nach der nun zweiten Niederlage, bei der Ouschan beide Punkte holte, und einem Remis gegen Oberhausen aus eigener Kraft nicht mehr aufgeholt werden.

Kleinigkeiten würden derzeit fehlen, sagt Souquet, die eben in Summe eine große Wirkung entfalten würden. Woran das liegt, kann er selbst nicht so genau erklären, aber "in den beiden letzten Saisons hatten wir nicht gerade die besten Voraussetzungen, um frei aufzuspielen". Im Vorjahr schwebte die Gefahr, dass der BSV sein Spiellokal verlassen muss, wie ein Damoklesschwert über dem Verein. Nun, da endlich eine neue Heimstatt über einem Autohaus gefunden ist, wird deren Fertigstellung durch Brandschutzvorgaben weiter verzögert. "Wir spielen auf einer Baustelle", sagt Souquet, was für einen Sport wie Billard, dessen elementarer Bestandteil die Konzentration ist, nicht gerade förderlich erscheint. Als Ausrede will Souquet die derzeitige Situation beim BSV aber nicht sehen, und Aufgeben ist für sein Team sowieso nie eine Option. Der BSV gibt sich nicht geschlagen, "wir müssen einfach alle Spiele gewinnen und auf Schützenhilfe hoffen".

Das nächste Spiel steht für Dachau am 18. Januar in Altstadt auf dem Programm, doch Zeit für Trübsal bleibe sowieso keine. Als Souquet das sagt, steht er gerade im Terminal des Istanbuler Flughafens. Er warte auf seinen Anschlussflug nach Dubai. Dort beginnt an diesem Samstag die Weltmeisterschaft.

© SZ vom 14.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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