E-Mobilität:Die Spannung steigt

E-Mobilität Projekt Regensburg

Tanken in der Tiefgarage, das geht beim Regensburger Immobilienprojekt „Das Dörnberg“. Wohnungskäufer können sich dort eine private Ladestation installieren lassen, den Strom dafür liefert der Regensburger Energieversorger Rewag.

(Foto: Dörnberg-Viertel Projekt GmbH & Co. KG)

Künftig müssen große Neubauten mit Ladestationen für Elektroautos ausgestattet werden. Einige Projektentwickler tun das heute schon, zum Beispiel der Bauherr von "Das Dörnberg" in Regensburg. Auch das Nachrüsten von Bestandsbauten dürfte bald einfacher werden.

Von Stephanie Schmidt

Diese beiden Wünsche harmonieren zurzeit nicht gut miteinander: eine Wohnung im Bestand zu kaufen und sich zugleich für E-Mobilität zu begeistern. Wer sein Elektroauto bequem zu Hause in der Tiefgarage aufladen will, stößt oft auf große Hindernisse. Denn die meisten Wohnanlagen verfügen nicht über die notwendige Infrastruktur. Sie nachträglich einzurichten, ist technisch schwierig und auch teuer. Außerdem müssten - nach derzeitiger Gesetzeslage - sämtliche Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) ihr Plazet dazu geben, was in der Praxis äußerst selten der Fall ist. Kaufwillige mit Passion für Elektroautos sind also besser beraten, sich im Neubaubereich umzuschauen. Inzwischen gibt es einige Bauherren, die E-Mobilisten den gewünschten Komfort bieten.

In großer Dimension und mit speziellem Konzept ist das zum Beispiel bei dem Regensburger Immobilienprojekt "Das Dörnberg" der Fall. Im Westen Regensburgs, zwischen Stadtzentrum und Hauptbahnhof, errichtet der Entwickler Hubert Haupt Immobilien Holding derzeit in drei Bauabschnitten an der Kumpfmühler Straße ein Quartier mit 1300 Eigentums- und Mietwohnungen, einer Gewerbefläche von circa 20 000 Quadratmetern und 900 privaten Tiefgaragenplätzen. Seine Architektur gleicht derjenigen anderer Neubauviertel, die derzeit in Deutschland entstehen. Doch die Stellplätze werden technisch so ausgestattet, dass sich jeder Käufer eine private Ladestation installieren lassen kann - mit einer Wallbox der Leistung von 22 Kilowatt. Sie bietet die Möglichkeit, den Wagen binnen weniger Stunden komplett aufzuladen.

Für ihren eigenen Ladepunkt mit RFID-Kartenleser zahlen Bewohner knapp 3000 Euro

"Für jedes Gebäude, das in dem Quartier entsteht, gibt es einen separaten Hausstromanschluss für die E-Mobilität", sagt Michael Schmid, Leiter der technischen Gebäudeausrüstung bei der Hubert Haupt Immobilien Holding. Ein aktives Lastmanagementsystem sorgt dafür, dass das Stromnetz nicht überstrapaziert wird, wenn viele zur gleichen Zeit laden wollen: "In den Abendstunden messen wir den Strombedarf und die freien Kapazitäten. Sie werden über den quartierseigenen Trafo auf die Hausanschlüsse und von dort auf die Wallboxen verteilt", erklärt der Elektroingenieur. Das Konzept für Elektromobilität im Dörnberg-Quartier hat Bauherr Hubert Haupt in Kooperation mit dem örtlichen Energieversorger Rewag entwickelt, der die Ladestationen errichtet und für einen Zeitraum von neun Jahren betreiben und versorgen wird. Seit Dezember vergangenen Jahres sind die Wohnungen im ersten Bauabschnitt bezogen, der zweite befindet sich im Bau, für den dritten läuft derzeit der Vertrieb. Bis 2022, spätestens 2023, soll das Quartier vollendet sein. "Ich schätze, dass sich die Hälfte der Eigentümer bis zur Fertigstellung für eine Wallbox entschieden haben wird", meint Schmid. "Man muss sie nicht von Anfang an mitbestellen, sondern kann sich auch noch Jahre später dafür entscheiden."

Für ihren eigenen Ladepunkt mit RFID-Kartenleser in der Tiefgarage zahlen Bewohner des neuen Stadtquartiers jeweils knapp 3000 Euro plus eine einmalige Aktivierungsgebühr von 20 Euro. Jede Wallbox verfügt über einen geeichten Zähler - der Strom wird exakt nach individuellem Verbrauch abgerechnet. "Mithilfe der Chipkarte, die man an den Leser hält, bekommt man eine individuelle Rechnung über seinen Stromverbrauch von der Rewag. Die Rechnungsadresse kann man auf seinen Arbeitgeber ausstellen lassen", erläutert Schmid. "Die RFID-Karte funktioniert auch bei anderen Anbietern und bei öffentlichen Ladestationen", betont er.

Das ist nicht selbstverständlich. Nach Auffassung von Martin Kaßler, Geschäftsführer des Verbands der Immobilienverwalter Deutschland (VDIV), sollte ein Kartensystem "möglichst viele Akzeptanzstellen haben. Leider ist es aber in der Praxis eher selten der Fall. Eigentümer sollten daher darauf drängen, eine Karte zu erhalten, die mit öffentlichen Säulen kompatibel ist", rät er. Zudem empfiehlt er Käufern einer Neubauwohnung mit Stellplatz, der bereits mit Ladeinfrastruktur vorgerüstet ist, "beim Bauträger zu erfragen, ob sie Gas und Strom vom Unternehmen ihrer Wahl beziehen können oder ob sie an einen bestimmten Lieferanten gebunden sind". Beim Regensburger Quartier gelten die mit der Rewag als Betreuungszeitraum vereinbarten neun Jahre nur für die E-Mobilität. Was Verträge für die Wohnung angeht, können die Käufer und Mieter den Versorger für Strom oder Heizung frei wählen.

Mit Blick auf Ladestationen auf dem Gelände einer Firma oder in der Tiefgarage einer Wohnanlage meint Thomas Meier, Präsident des BVI Bundesfachverbands der Immobilienverwalter: "Contracting ist ein sinnvoller und gangbarer Weg. Ich bin allerdings skeptisch, ob Kooperationen mit einem Energieunternehmen, das die Infrastruktur zur Verfügung stellt und sich um die Wartung kümmert, in der Fläche Erfolg haben wird. Denn es gibt keinen wirklichen Run auf Elektrofahrzeuge."

In der WEG kann ein einziger Eigentümer Ladestationen verhindern - noch

Doch Bauträger, Verwalter und Wohnungseigentümer werden sich zunehmend mit dem Thema private Ladestationen beschäftigen müssen, nicht nur, weil eine wachsende Anzahl von Menschen den Strom für ihr E-Auto am Arbeitsplatz oder in der heimischen Tiefgarage ziehen wollen, sondern auch, weil es der Gesetzgeber vorschreibt. Der VDIV verweist auf die im Juli 2018 verabschiedete EU-Richtlinie 2018/844 zur Gebäudeeffizienz, die auch verschiedene neue Vorschriften für Wohn- und Gewerbeimmobilien in Sachen E-Mobilität enthält. Die Richtlinie müsse bis 10. März des kommenden Jahres in nationales Recht umgesetzt werden, merkt VDIV-Geschäftsführer Kaßler an. Sie sieht unter anderem Folgendes vor: Beim Neubau und im Zuge von größeren Renovierungen von Wohnbauten, die auch die Parkplätze betreffen, muss an jedem Stellplatz eine Leitungsinfrastruktur installiert werden, die es später ermöglicht, Ladepunkte einzurichten. Voraussetzung ist, dass zum jeweiligen Gebäude mehr als zehn Parkplätze gehören.

Mehr als eine halbe Million Euro für E-Mobilität hat der Entwickler von "Das Dörnberg" allein in den ersten Bauabschnitt investiert. Wobei nicht von Beginn an feststand, dass jeder Parkplatz für die spätere Montage einer Wallbox vorbereitet werden solle; das beschloss der Bauherr, nachdem er festgestellt hatte, was für eine große Rolle das Thema für Kaufinteressenten spielte. "Nur an der Steckdose laden, das geht für mich nicht. Eine eigene Ladestation war eine Voraussetzung dafür, dass ich kaufe", sagt Alexander Meisel, der schon seit Jahren E-Autos fährt und eine der Wohnungen auf dem Gelände eines ehemaligen Rangierbahnhofs erworben hat. "Die Zukunft ist elektrisch, davon bin ich überzeugt", sagt der Tesla-Fahrer. Für die Wartung der Ladestation fällt eine Pauschale von zehn Euro im Monat an, die künftig die Mieter seiner Wohnung bezahlen werden. "Sie wollen sich ein E-Auto anschaffen", erzählt der Regensburger. Die Hubert Haupt Immobilien Holding hat übrigens eine Kooperation mit einem Autohaus, das Wohnungseigentümern des Dörnberg-Quartiers Rabatte für den Kauf eines Elektroautos gewährt.

Doch braucht man überhaupt einen eigenen Stromer? "Ich halte es für zeitgemäß, Carsharing mit E-Mobilität zu kombinieren: Insbesondere in Ballungszentren herrscht ein Mangel an Parkplätzen. Auch deshalb lohnt sich die Überlegung, auf ein eigenes Fahrzeug zu verzichten", stellt Thomas Meier vom BVI fest. "Außerdem haben gerade junge Menschen immer weniger Interesse an einem eigenen Auto. In der Tiefgarage eines Mehrfamilienhauses könnte man zum Beispiel einen Teil der Stellplätze für Fahrzeuge reservieren, die man bei Bedarf anmieten kann, und diese Parkplätze mit Ladepunkten ausstatten."

In der Gemeinschaftsordnung für "Das Dörnberg" ist die Ladeinfrastruktur schriftlich fest verankert. Außerdem gibt es eine WEG für Eigentümer privater Ladestationen innerhalb der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft. Auf diese Weise will man Streitigkeiten in der WEG über E-Mobilität vermeiden und stellt sicher, dass Bedenkenträger die Ladeinfrastruktur akzeptieren müssen.

Auch Eigentümer einer Bestandswohnung werden im Laufe des kommenden Jahres höchstwahrscheinlich in einer stärkeren Position sein: "Der Gesetzgeber will, dass es künftig einfacher wird, Lademöglichkeiten für E-Autos in der Wohnungseigentümergemeinschaft durchzusetzen", betont Kaßler. Der Entwurf für eine umfassende Reform des Wohnungseigentumsgesetzes soll bis Ende des Jahres vorgelegt werden - vorgesehen sind deutliche Erleichterungen für Eigentümer und Mieter, die zu Hause Strom ziehen wollen. Demnach soll für einen positiven Beschluss über Ladestationen in der WEG-Versammlung künftig eine Stimmenmehrheit genügen. "Ich rechne damit, dass das reformierte WEG-Gesetz im Spätsommer 2020 in Kraft treten wird", so Kaßler.

Bestimmt einige Jahre dürfte es allerdings nach Ansicht von Alexander Meisel, der sich auch beruflich mit E-Mobilität beschäftigt, noch dauern, bis Elektroauto, Haus und Photovoltaik in einen Kreislauf eingebunden sind, in dem Energie in alle Richtungen fließt und nach Bedarf genutzt werden kann. Der Informatiker berichtet: "Rein technisch ist es schon jetzt möglich, dass das Auto Strom ins Netz einspeist, dazu gibt es einige Experimente."

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