Reden wir über Geld:"Reichtum kann sehr einsam machen"

Sebastian Hirsch ist in der DDR geboren, heute arbeitet er in London als Butler. Ein Gespräch über Luxus und seine Folgen.

Andreas Oldag

Sebastian Hirsch, 30, ist ein höflicher Mensch. Er überlässt dem Gast beim Eintritt in das Londoner Cafe den Vortritt. Das ist ungewöhnlich in einer Stadt, in der sonst alle drängeln. Hirsch wirkt locker und unkompliziert. Rasch merkt man, dass ihm Geld persönlich nicht soviel bedeutet, obwohl er täglich mit Millionären und Milliardären zu tun hat.

Reden wir über Geld "Reichtum kann sehr einsam machen"

Sebastian Hirsch - "Diskretion, Loyalität und Diplomatie zeichnen einen guten Butler aus"

(Foto: Foto: oh)

SZ: Herr Hirsch, reden wir über Geld. Sie kommen gerade aus Dubai. Was haben Sie dort gemacht?

Hirsch: Ich hatte Kontakt zu einem wohlhabenden Scheich. Er sucht einen Butler. Eine verantwortungsvolle Position. Schließlich soll dieser auch das gesamte Hauspersonal anleiten. Ich bin beauftragt, einen geeigneten Butler zu finden. Ich habe den Scheich nicht selbst gesprochen, aber mit seiner persönlichen Assistentin geredet.

SZ: Sie vermitteln auch Butlerdienste?

Hirsch: Ja, ich habe mich auf die Vermittlung von Hauspersonal für gehobene Privathaushalte in aller Welt spezialisiert und dazu auch die Website butlerforyou.com geschaffen. Der Arbeitsmarkt für seriöse, hochqualifizierte Diener expandiert. Da will ich mit meinem Geschäft dabei sein. Leider gibt es auch viele schlecht ausgebildete Butler. Die schädigen unseren Ruf.

SZ: Sie betreuen die Reichen und die Schönen dieser Welt. Reizt Sie das große Geld der anderen?

Hirsch: Mit Reichtum und Geld habe ich kein Problem. Im Gegenteil: Wer es sich leisten kann, soll sich sein Leben bequemer machen. Ich bin ein Dienstleister und betrachte den Butler-Beruf als Privileg. Ich bin gerne mit erfolgreichen Menschen zusammen und genieße es, meine Kundschaft zu verwöhnen.

SZ: Ob Reichtum immer mit ehrbarem Erfolg zu tun hat, ist ja angesichts der Finanzkrise zweifelhaft. Banker und Broker haben auf Kosten der Allgemeinheit geprasst. Milliardensummen sind durch unseriöse Geschäfte verbrannt worden.

Hirsch: Aus dieser Debatte halte ich mich heraus. Die Finanzkrise wird vorübergehen. Die Zahl der Millionäre und Milliardäre wird weiter steigen. Da bin ich zuversichtlich. Meine Aufgabe ist es auch nicht nachzuforschen, woher das Geld stammt. Natürlich würde ich nicht für einen Mafia-Boss arbeiten. Aber als Butler bin ich zur Neutralität verpflichtet. Dabei habe ich durchaus eine Art Helfersyndrom. Meine reiche Klientel ist oftmals gestresst. Ich sorge dafür, das Leben weniger kompliziert zu machen. Eine höchst spannende und anspruchsvolle Aufgabe.

SZ: Also der alte Spruch, dass Reichtum nicht glücklich macht.

Hirsch: Das ist richtig. Ich beobachte immer wieder, dass bei vielen Reichen die Angst mit einhergeht, ihren Wohlstand zu verlieren. Das kann sogar eine Obsession werden. Sie ziehen sich dann von ihrer Umgebung immer mehr zurück und sind sogar gegenüber Freunden misstrauisch, weil die ja auf ihr Geld aus sein könnten. Ich kenne eine sehr vermögende Witwe, die deshalb sehr einsam geworden ist. Insofern bin ich durchaus glücklich, dass ich nicht reich bin.

SZ: Was verdient eigentlich ein Butler?

Hirsch: Das sind in Großbritannien im Schnitt 60.000 Pfund (68.000 Euro) pro Jahr. Aber die Spanne ist sehr weit. Ein Berufskollege von mir in den Diensten eines Hedgefonds-Managers in London hat ein Gehalt von rund um die 100.000 Euro, Kost und Logis inklusive. Es hängt von Berufserfahrung und Arbeitszeiten ab. Zudem spielt ein Rolle, wie groß das Haushaltspersonal ist, das ein Butler anleitet. Im Übrigen gibt es auch noch Prämien. Üblich sind wertvolle Uhren oder auch mal eine Kreuzfahrt.

SZ: Sie sind in der damaligen DDR geboren. Können Sie sich noch an den realen Sozialismus erinnern?

Hirsch: Als die Mauer fiel, war ich elf Jahre alt. Wir haben damals in Dessau gelebt. Viele Erinnerungen habe ich nicht mehr. Natürlich habe ich Russisch in der Schule gelernt. Das hilft mir heute mit meiner russischen Klientel. Der Sozialismus war ein Desaster. Ich halte nichts von Gleichmacherei. Stil und Benehmen waren nichts mehr wert. Wenn die Mauer noch stehen würde, hätte ich längst die Flucht ergriffen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was ein guter Butler alles können muss.

"Reichtum kann sehr einsam machen"

SZ: Wie sind Sie dann Butler geworden? Warum sind Sie gerade nach London gekommen?

Hirsch: Ich habe eine Ausbildung im Hotelfach. Später habe ich in großen Hotels in Berlin und Zürich gearbeitet, unter anderem als Barkeeper. In Zürich habe ich im Hotel Baur au Lac einen Butler kennengelernt, der für einen bekannten Popstar gearbeitet hat. Das hat mich interessiert. So bin ich in die Branche hereingekommen. Ich habe dann auf Yachten und Kreuzfahrtschiffen als Butler gearbeitet, später habe ich mich mit meinem Butler-Service um den Vorstand einer Investmentfirma in London gekümmert. London ist ein Eldorado für Butler, schon wegen der englischen Tradition. Es war immer mein Traum, hier zu arbeiten.

SZ: Was macht einen guten Butler aus?

Hirsch: Ein Butler ist in der britischen Tradition ein Haushofmeister oder ranghöchster Diener. Ihn muss Diskretion, Loyalität und Diplomatie auszeichnen. Häufig bin ich auch Seelentröster für einen Menschen. Aber eines ist ganz klar: Besonders aus Ehestreitigkeiten halte ich mich heraus. Da muss man strikte Neutralität wahren. Ich könnte einiges erzählen. Aber da bin ich verschwiegen.

SZ: Bilden Sie sich weiter?

Hirsch: Ja, klar. Ich lese viel über Luxusmarken. Ich schaue mir edle Autos an und informiere mich über die neuesten Modetrends. Das ist sehr wichtig, weil ich auch so eine Art Lifestyle-Berater bin. Man muss schon mit Leidenschaft dabei sein. Ansonsten hat es keinen Sinn.

SZ: Butler wirken in vielen Filmen ziemlich einfältig, manchmal auch lächerlich wie im berühmten Sketch "Dinner for One" mit dem tollpatschigen Butler James. Ärgert Sie das?

Hirsch: Überhaupt nicht. Das nehme ich mit Humor. Allerdings wird in der Öffentlichkeit immer noch ein veraltetes Image transportiert. Ein moderner Butler serviert nicht nur in weißen Handschuhen den Fünf-Uhr-Tee. Er ist auch so etwas wie ein persönlicher Assistent. Ich höre zum Beispiel aus der Branche, dass Butler zu Kunstauktionen geschickt werden, um da für ihren Auftraggeber mitzusteigern. Butler übernehmen Chauffeurdienste. Und natürlich ist man auch da, um dem Boss mal einen diskreten Ratschlag zu geben. Wer die Toilette in Großbritannien sucht, fragt zum Beispiel nicht nach der "toilet", sondern nach dem "lavatory" oder nach dem "gentlemen's room".

SZ: Und Sie führen Ihre Klientel in die High Society ein?

Hirsch: Ja, das mache ich gerne. Ich habe zum Beispiel einer reichen tschechischen Unternehmerin geholfen, dass sie Leute aus der feinen Gesellschaft beim berühmten Pferderennen von Ascot kennenlernt. Für sie habe ich dann auch Kontakte zu einer sehr prominenten englischen Herzogin geknüpft.

SZ: Welche großen materiellen Wünsche haben sehr reiche Menschen noch?

Hirsch: Eine Villa, eine Yacht, ein Luxusauto, sogar ein Privatjet gehören eigentlich schon zum Standard. Sich einen Butler leisten zu können, ist daher für viele das Nonplusultra. Insofern dienen Butler mit ihrem professionellen Service auch als Statussymbol. Es zeigt: Aha, der oder die kann sich sogar einen Butler leisten.

SZ: Woher kommt Ihre Klientel?

Hirsch: Zu meinen Kunden zählen adelige und industrielle Personen, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Vorstandsmitglieder, Unternehmer und Top-Manager aus der ganzen Welt.

SZ: Sind Sie eigentlich unterwürfig?

Hirsch: Nein. Es ist sicherlich ein schmaler Grat zwischen Service-Einstellung und Unterwürfigkeit. Letzteres passt nicht zu mir. Irgendwann hat eine reiche Damenrunde mal angefragt, ob ich als "nackter Diener" arbeiten will. Das habe ich natürlich abgelehnt.

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