Theater im alten SZ-Gebäude:Ort der Orgien

Club statt Lokalredaktion, Sex im Wirtschaftsressort: Das ehemalige SZ-Redaktionsgebäude in der Sendlinger Straße hat sich in eine Theater-Bühne verwandelt.

Philipp Crone

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Die Sexorgie in der SZ-Wirtschaftsredaktion ist in vollem Gange. Vier Frauen und ein Mann räkeln sich stöhnend mitten in einem glatten, weißen, leeren Raum, entkleiden und berühren sich. Nebenbei plaudern sie über Champagner, Cartier, Cadillac und den ganzen ermüdend faden Luxus dieser Welt. Aus den leeren, gläsernen Büros zu beiden Seiten strahlen Scheinwerfer auf die Szene. Als der Mann aufspringt, in ein Büro rennt, dort gegen einen Blumenkübel tritt und lauthals flucht, beginnt Jonas Zipf auf seinem Stuhl vor einem der Büros zu grinsen.

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Der Regisseur ist zufrieden mit der Vorstellung seiner Schauspieler. Sie proben das Theaterstück "Blaupause", das von Vergangenheit und Zukunft des alten SZ-Hauses in der Sendlinger Straße 8 handelt. Es wird auf drei Stockwerken des Gebäudes spielen, inspiriert und motiviert vom Geist des Hauses, den die Künstler überall spüren.

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Die Projektgruppe von Jonas Zipf hat sich Ende 2008 als Zwischennutzer in der Sendlinger Straße eingemietet und probt dort ein Stück, das am 31. Januar und 1. Februar aufgeführt wird. Die neuen Bewohner haben alles verändert. Die Arbeitszeiten im Haus etwa ...

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... Zwar beginnt der Tag für die insgesamt 20 Graphiker, Theaterwissenschaftler, Architekten, Bühnenbildner und Schauspieler wie auch früher für die Redakteure gegen zehn Uhr, Ende ist allerdings "nie vor eins", sagt Zipf. Und von den Redaktionsräumen ist kaum mehr etwas übrig. Allenfalls noch Reste im ersten Stock.

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Neben dem Büroschild des Chefredakteurs klafft ein riesiges Loch in der Wand. Auch die Zwischenwände der anderen Büros sind zerstört. Kettensäge und Axt haben hier gewütet und nur ein Skelett aus Metallstreben übriggelassen. Einzig der Konferenzraum in der Stockwerksmitte ist noch erhalten, denn hier wird ein Teil des Stücks spielen: Echte SZ-Redakteure stellen in der Ruine eine Konferenz nach, erklärt Zipf. Er hat es sich in den vergangenen Wochen für einige Zeit hier im Chefbüro gemütlich gemacht. Als die Heizung im Haus ausgefallen war, sei das der einzige Raum gewesen, in dem sie noch ging. "Da habe ich mich schon ein bisschen chefig gefühlt." Und jedem Anrufer habe er stolz gesagt: "Wir sind gerade in der Sendlinger Straße 8." Zipf deutet aus dem Fenster. "Dieser Ort lebt einfach, und es gibt einem auch Energie, jeden Tag die vielen Leute mitten in der Stadt zu sehen." Einige aus der Gruppe sind hier sogar eingezogen.

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Stefan bewohnt in der zweiten Etage das Büro von Feuilleton-Chef Thomas Steinfeld. Mittags steigt er aus seinem Schlafsack und setzt sich an den einzigen Tisch des Stockwerks. Darauf steht eine leere Flasche Rotwein, ein Gipsschädel, an der Tischkante lehnt ein Golfschläger. "Wir haben uns eine kleine Golfbahn eingerichtet, da kommt man auf andere Gedanken." Stefan baut aus Metallstangen der übriggebliebenen Regale einen Baum. "Natur, die sich ihren Raum zurückholt", erklärt er. Die Skulptur wird in einer Woche ausgestellt.

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Mit dem Aufzug geht es hoch. Nur zwei von sechs Knöpfen des Lifts sind noch übrig, statt Ankündigungen zur Betriebsversammlung hängt ein Partyposter, es riecht nach Gras. Im 4. Stock, der Zentrale des Projekts, schlägt einem der süße Duft von Energydrinks entgegen. Das ehemalige Großraumbüro ist bis auf ein paar Stehtische und die Betonsäulen leer. Schwarze Wände, Schwarzlichtfolie an den Lampen, aus der Lokalredaktion ist ein Klub geworden mit glänzenden Bodenplatten. "Wir haben die alten einfach umgedreht", sagt Zipf. Wo die Gastronomie-Reporterin saß, steht eine Bar, die Drucker an der Wand sind einer Bühne gewichen, die Praktikantenplätze einer Sofaecke.

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Im Büro des Architektur-Redakteurs arbeitet nun die "Environment Design Unit", in dem des Lokalchefs residiert "Budget Manager" Julia Huber. Sie sagt: "In diesem Haus herrscht keine Büroatmosphäre, sondern ein kreativer Geist." Etwa wenn die Sonne hereinscheine und man den Akkordeonspieler von unten höre. "Man ist so nah am Puls, so nah am Leben, und trotzdem kann man konzentriert arbeiten."

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Fotokünstler Sebastian, 29, wohnt seit zwei Monaten im Büro der Münchner Rathaus-Reporter. "Am Anfang dachte ich permanent: Gleich kommt ein Redakteur um die Ecke! Das war gespenstisch." Da hat er anscheinend den Geist des Hauses erlebt. Noch treibt der wohl in den teils verlassenen Räumen sein Wesen und inspiriert die Künstler. Aber auch er wird spätestens vertrieben, wenn Anfang Februar Presslufthämmer und Bohrmaschinen beginnen, ihre ganz eigene Abrissorgie zu feiern.

Fotos: Stephan Rumpf; Text: Philipp Crone, SZ vom 24.1.2009/pfau

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