Schweiz:Rösti im Klassenzimmer

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Im Berner Oberland haben ehemalige Schüler aus ihrer Dorfschule eine Lodge gemacht. Die Gäste können jetzt in den einstigen Schulräumen übernachten.

Von Isabel Pfaff

Die beiden jungen Männer können das zufriedene Grinsen nicht lassen. Sie sitzen in der warmen Gaststube, neben ihnen lodert ein Kaminfeuer, draußen lässt ein Sturm die Schneeflocken tanzen. Vor mehr als 20 Jahren haben Thomas Huber und Remo von Weissenfluh hier Lesen und Schreiben gelernt. Die Klassenzimmer der Dorfschule waren gleich nebenan, und da, wo die beiden jetzt ein Feierabendbier trinken, befanden sich früher die Lehrerwohnungen. "Wir hatten hier Großklassen, also die erste bis vierte Klasse waren in einem Raum, und die fünfte bis neunte in einem anderen", erzählt von Weissenfluh. Wie das eben so ist in einem winzigen Bergdorf wie Gadmen im Berner Oberland, das im Winter, wenn der Sustenpass geschlossen ist, zur stillen Sackgasse wird.

2013 musste die Dorfschule zusperren, es gab nicht mehr genügend Schüler. Jetzt, nur sechs Jahre später, herrscht im Schulhaus neues Leben. Ein Restaurant hat darin Platz gefunden, dazu gibt es Übernachtungsmöglichkeiten von spartanischen Mehrbettzimmern bis hin zu Hotelzimmern auf Drei-Sterne-Niveau. Schuld daran sind nicht zuletzt die zwei Männer in der Gaststube, Jahrgang 1986 und 1989. "Unsere Generation ist seit Langem die erste, die das Tal nicht verlassen hat", sagt Thomas Huber.

Kein Schnickschnack und trotzdem gemütlich: In der ehemaligen Dorfschule wohnen nun Hotelgäste. (Foto: David Birri)

Schon als Jugendliche glaubten er und Remo von Weissenfluh an das Potenzial ihrer Heimat, erfanden Tanz- und Sport-Events oder belebten alte Traditionen wie das Schlittenhunderennen neu. "Die Alten haben uns nicht immer geglaubt, dass das möglich ist", sagt Thomas Huber stolz. Inzwischen kommen Hunderte Gäste zu den Festen nach Gadmen. Und: Die ersten Familien bauen wieder Häuser im Dorf. Die Gadmer Lodge ist für die beiden Männer ein wichtiges Puzzlestück, das dem Tal in seiner Entwicklung noch gefehlt hat. Nicht nur die kulturellen Anlässe bringen Gäste hierher. Auch die Berggipfel, die sich rund um Gadmen erheben, machen das Dorf das ganze Jahr über zum Ausgangspunkt für Kletterer, Radler, Skifahrer und Schneeschuhwanderer. "Jetzt können sie endlich ganzjährig hier essen und übernachten", sagt Huber.

Er ist zusammen mit Remo von Weissenfluh im Vorstand der Genossenschaft, die das Schulhaus im Auftrag der Gemeinde umgebaut hat. Rund 300 Mitglieder hat die Genossenschaft, die meisten stammen aus Gadmen und den umliegenden Dörfern. Über eine Viertelmillion Euro haben sie beigetragen zum Umbau der Schule, den Rest haben die Projektverantwortlichen über Spenden und Kredite aufgetrieben. In gut einem Jahr stampften sie das Hotel aus dem Boden, oft standen die Genossenschafter selbst auf der Baustelle. "So ist das bei uns einfach, wir haben viele Leute, die sich ehrenamtlich engagieren", sagt von Weissenfluh.

Klare Linien: Für Gäste mit weniger Budget gibt es auch Mehrbettzimmer mit Etagen-Bad. (Foto: David Birri)

Vor wenigen Monaten hat die Gadmer Lodge ihre Türen geöffnet. Wer nun an einem stürmischen Winterabend mit dem Auto oder dem Postbus in Gadmen ankommt, wird fast magisch angezogen von dem warm leuchtenden Holzbau mit den großen Fenstern. Im Restaurant gibt es bodenständige Schweizer Spezialitäten wie Fondue, Rösti oder Älplermagronen; Familien oder Gruppen können Salat und Pasta in großen Schüsseln bestellen. Für Gäste, die günstiger übernachten wollen, wurden die alten Klassenzimmer zu zehn Mehrbettzimmern mit Etagenbädern umgebaut, für anspruchsvollere Kunden gibt es in dem ehemaligen Lehrerwohnungstrakt mehrere Doppel- und Familienzimmer. Viel Massivholz, klare Linien, kein Schnickschnack: Die Macher der Gadmer Lodge haben sich für einen schlichten, modernen und trotzdem warmen Stil entschieden.

Zum Gesamtkonzept gehört auch die Mehrzweckhalle des Dorfs, die gleich neben dem alten Schultrakt steht. "Die Idee ist, dass Sportgruppen die Halle für Trainingslager nutzen und hier in der Gadmer Lodge übernachten", erklärt Thomas Huber. Es geht seiner Genossenschaft darum, das Gadmental für möglichst viele verschiedene Menschen zu erschließen. Eine Sauna oder sonstige Spa-Angebote braucht es dafür nicht, findet er. "Wellness ist in Gadmen das, was vor der Haustür beginnt."

Mehrbettzimmer mit Frühstück ab 41 Euro p. P., DZ mit Früstück ab 128 Euro p. P., gadmerlodge.ch

© SZ vom 24.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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