Klimawandel:Justiz zwingt niederländische Regierung zu CO₂-Reduktion

Klimawandel: Aktivisten der Organisation Urgenda, die hinter dem Rechtsstreit stehen, jubeln über das Urteil.

Aktivisten der Organisation Urgenda, die hinter dem Rechtsstreit stehen, jubeln über das Urteil.

(Foto: AFP)
  • Das höchste niederländische Gericht zwingt die Regierung zu einer viel strengeren Reduktion beim Ausstoß von Treibhausgasen als bisher.
  • Die Richter gaben letztinstanzlich einer Umweltgruppe recht, die schon 2015 eine Senkung um 25 Prozent bis zum Ende kommenden Jahres gefordert hatte.
  • Die Regierung will sich an das Urteil halten. Allerdings wird sie das nach jetzigem Stand nicht schaffen.

Der Ausstoß von Treibhausgasen in den Niederlanden muss nach einem höchstrichterlichen Urteil drastisch sinken. Der oberste Gerichtshof, der Hohe Rat, bestätigte am Freitag in Den Haag ein früheres Gerichtsurteil, wonach die Niederlande bis Ende 2020 den Ausstoß von CO₂ und anderen Treibhausgasen um mindestens 25 Prozent im Vergleich zu den Werten von 1990 reduzieren müssen.

Die Klima-Initiative Urgenda hatte das Verfahren gegen den niederländischen Staat angestrengt. "Geschichte ist geschrieben", teilte die Organisation via Twitter mit. Im Gericht gab es Beifall vom Publikum, wie die niederländische Nachrichtenagentur ANP berichtet. Mit dem Urteil des obersten Gerichts sei der Rechtsstreit zwischen Urgenda und der Regierung beendet. Die schwedische Aktivistin Greta Thunberg sprach auf Twitter vom "weltweit bisher wichtigsten Gerichtsurteil gegen den Klimawandel".

Die Regierung wolle sich an die Vorgaben halten, sagt der für Klima verantwortliche Ressortchef Eric Wiebes laut ANP. "Es bleibt die Verpflichtung, Schritt für Schritt neue Maßnahmen zu finden und diese 25 Prozent zu erreichen", sagte er. Das Urteil des obersten Gerichts nehme er ernst.

Dass die Regierung das Ziel erreicht, steht nicht zu erwarten. Im Vorjahr hatten die Niederlande den Ausstoß von Treibhausgasen um 15 Prozent gesenkt. In dieser Woche hatte Minister Wiebes dem Parlament mitgeteilt, dass man dank zusätzlicher Maßnahmen bis Ende 2020 eine Reduktion von etwa 20 bis 21 Prozent erreichen könne. Was passiert, wenn die Regierung das Urteil nicht umsetzt, ist unklar. Möglicherweise könnten Urgenda oder andere Organisationen die Behörden auf Strafzahlungen verklagen.

Die Regierung wollte sich nicht von der Justiz die Politik diktieren lassen

Die Regierung war gegen das Urteil der Vorinstanzen aus prinzipiellen Gründen in Revision gegangen. Sie wollte sich von der Justiz nicht die politischen Prioritäten diktieren lassen, argumentierte sie. Die Richter wiesen dies zurück. Man schreibe der Politik nicht vor, was sie klimapolitisch im Detail tun solle, erklärten sie. Vielmehr erinnere man sie an von ihr selbst eingegange vertragliche Verpflichtungen. Auch die Niederlande haben das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet.

Es gebe in der Wissenschaft und in der internationalen Gemeinschaft einen "großen Konsens", dass die Industrieländer die Emissionen von Treibhausgasen bis Ende kommenden Jahres dringend um mindestens 25 Prozent reduzieren müssen, schrieb das Gericht. Der niederländische Staat habe nicht erklärt, warum eine geringere Kürzung gerechtfertigt sei.

Das Gericht stützte sein Urteil auf die UN-Klimakonvention und gesetzliche Verpflichtungen des Staates zum Schutz des Lebens und Wohlbefindens der Bürger. Diese Verpflichtungen seien in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert.

Das Gerichtsverfahren 2015 war nach früheren Angaben das erste erfolgreiche Verfahren von Klimaschützern gegen einen Staat, um die Reduzierung von Treibhausgasen durchzusetzen. Nach dem Urteil der ersten Instanz hatten Umweltinitiativen in zahlreichen Ländern ähnliche Prozesse angestrengt. Die zweite Instanz hatte dann 2018 geurteilt.

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