Angriff auf US-Botschaft:Bloß kein zweites Bengasi

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"Ich will Frieden": Donald Trump sprach während einer Silvesterfeier in dem Golfklub Mar-a-Lago in Florida über die Attacke auf die US-Botschaft in Bagdad. (Foto: AP)
  • Nach den Ausschreitungen auf dem Gelände der US-Botschaft in Bagdad versucht US-Präsident Donald Trump, Vergleiche mit dem Anschlag auf das US-Konsulat in Libyen im Jahr 2012 im Keim zu ersticken.
  • Damals töteten Islamisten den Botschafter und drei weitere US-Bürger.
  • Die Republikaner sahen in dem Anschlag ein Symbol für das politische Versagen des damaligen Präsidenten Barack Obama.

Von Alan Cassidy

Auf Donald Trumps Plan für Silvester stand eine Runde auf seinem Golfplatz in Florida und eine anschließende Feier in seinem Resort Mar-a-Lago. Gäste hatten 1000 Dollar dafür bezahlt, zum Jahreswechsel im gleichen Ballsaal anzustoßen wie der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Happy New Year. Doch dann, als Trump schon im weißen Polo-Shirt im Golfklub eingetroffen war, erreichten ihn die Bilder aus dem Irak. Sie zeigten wütende Demonstranten, die vor der US-Botschaft in Bagdad "Nieder mit Amerika" schrien und die Außenmauer der schwer bewachten Anlage in Brand steckten. Drinnen verschanzten sich die US-Diplomaten in Schutzräumen, und einige Stunden lang war nicht klar, ob sie dort noch sicher waren. Der US-Oberbefehlshaber beim Abschlag auf dem Golfplatz? Daran war jetzt nicht mehr zu denken.

Als sich Trump dann aber kurz vor Mitternacht doch wie vorgesehen in Mar-a-Lago blicken ließ, nun im Smoking mit Fliege, hatte sich die Lage in Bagdad fürs Erste etwas entspannt. Zumindest gab sich der Präsident Mühe, diesen Eindruck zu erwecken. Die Situation vor der Botschaft sei unter Kontrolle, sagte er den Journalisten. "Wir haben einige unserer besten Krieger dort. Sobald wir sahen, dass es ein Problem geben könnte, sind sie reingegangen, und es gab überhaupt kein Problem mehr." Er dankte der irakischen Regierung, die sich für den Schutz der Botschaft eingesetzt habe, und als er nach einem möglichen Krieg mit Iran gefragt wurde, sagte er: "Das sehe ich nicht. Ich will Frieden." Dann entschwand er Richtung Ballsaal.

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Vieles spricht dafür, dass die Protestierer vor der US-Botschaft in Bagdad einflussreiche Unterstützer haben - auch wenn Iran das erwartungsgemäß bestreitet.

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Auch wenn es ihm anders lieber gewesen wäre: Das neue Jahr hat für Trump mit einer handfesten außenpolitischen Krise begonnen. Die Lage in Bagdad war nur deshalb "kein Problem" mehr, weil die US-Streitkräfte einhundert Marineinfanteristen entsandt hatten, um die aufgebrachte Menge daran zu hindern, weiter ins Innere der Botschaft vorzudringen. Hinzu kamen die Kampfhubschrauber, die über der Stadt kreisten und Signalraketen abfeuerten. Noch in der Silvesternacht kündigte US-Verteidigungsminister Mark Esper an, weitere 750 Soldaten in den Mittleren Osten zu verlegen. Medienberichten zufolge könnten ihnen in den kommenden Tagen 3000 weitere Soldaten folgen. Sie dürften in Kuwait stationiert werden, um von dort aus eingreifen zu können, falls die Lage erneut eskaliert.

"Sie werden dafür einen HOHEN PREIS bezahlen!", twitterte Donald Trump

Eskalieren, das könnte sie jederzeit. Der versuchte Sturm auf die Botschaft war eine Reaktion auf US-Luftschläge im Irak, bei denen am Sonntag 25 Kämpfer einer Miliz getötet worden waren. Die USA machen die von Iran unterstützte Miliz für einen Raketenangriff auf einen Militärstützpunkt im Nordirak verantwortlich, bei dem einige Tage zuvor ein US-Zivilbeschäftigter getötet und vier US-Soldaten verletzt worden waren. Die Gewaltspirale dreht sich also bereits, und an Silvester stellte Trump klar, dass er das iranische Regime auch für den Angriff auf die US-Botschaft verantwortlich macht. "Sie werden dafür einen HOHEN PREIS bezahlen!", twitterte er, "Das ist keine Warnung, es ist eine Drohung."

Für das rasche Eingreifen der US-Streitkräfte und für Trumps harsche Töne gibt es eine Erklärung: Bengasi. 2012 stürmten bewaffnete Islamisten in der libyschen Hafenstadt das US-Konsulat und töteten den Botschafter sowie drei weitere US-Bürger. Amerikas Republikaner machten aus Bengasi fortan eine Chiffre für das von ihnen behauptete Versagen der Regierung Barack Obamas, die Interessen der USA im Ausland zu schützen. Der heutige Außenminister, Mike Pompeo, verdankt seinen politischen Aufstieg zu guten Teilen der Unerbittlichkeit, mit der er das Thema als Kongressabgeordneter beackert hatte. Auch Trump selbst schlachtete den Vorfall in Bengasi während seines Wahlkampfs aus, um seine Rivalin Hillary Clinton zu kritisieren, die 2012 als Außenministerin diente. Bloß kein zweites Bengasi: Das ist Trumps Ziel. "Dies wird niemals ein weiteres Bengasi werden", sagte er in der Silvesternacht.

Vor 40 Jahren stürmten iranische Demonstranten die US-Botschaft in Teheran

Es gibt noch einen zweiten Vergleich, der seit den jüngsten Ereignissen in Bagdad die Runde macht: Teheran. 40 Jahre ist es her, seit iranische Demonstranten die US-Botschaft in der iranischen Hauptstadt stürmten und mehr als 50 Amerikaner in Geiselhaft nahmen. 444 Tage dauerte die Besetzung an, es war eine Demütigung für die USA, die den damaligen Präsidenten, Jimmy Carter, die Wiederwahl kostete. Der Demokrat hatte während der Krise in den Augen vieler Amerikaner Schwäche gezeigt, ein Fehler, den Trump nicht wiederholen will. Bloß kein zweiter Carter sein: Auch das treibt Trump um.

Deshalb steht er nun vor einem Problem. Fürs Erste mag sich die Lage in Bagdad beruhigt haben, aber was, wenn es zu neuen Spannungen kommt? Obwohl Trump immer wieder gesagt hat, dass er sich einen Abzug der US-Truppen aus dem Irak wünscht, befinden sich dort noch immer 5000 amerikanische Soldaten. Sie sind, wie zuletzt mehrere Vorfälle gezeigt haben, ein Angriffsziel für die von Iran unterstützten Milizen im Land. Trump hat wiederholt angekündigt, auf Attacken mit Vergeltung zu reagieren, aber ihm ist klar, dass sich auch eine begrenzte militärische Reaktion rasch zu einem großen Konflikt ausweiten kann. Deshalb sagte er, als Iran im Juni eine US-Drohne abschoss, einen bereits vorbereiteten Luftschlag in letzter Minute ab. Einen neuen Flächenbrand in Nahost: Das will eigentlich niemand, schon gar nicht Trump, schon gar nicht im Wahljahr.

Doch erscheint es auch nicht so, als würde die US-Regierung von ihrer Kampagne des "maximalen Drucks" abrücken, den sie seit dem Ausstieg aus dem Atomabkommen mit Iran auf Teheran ausübt. Es ist diese mit scharfen Sanktionen verbundene Kampagne, die von vielen in Washington für die derzeitigen Spannungen verantwortlich gemacht wird. Der Versuch, das iranische Regime auf diesem Weg in die Knie zu zwingen, habe zu noch mehr Bedrohungen des internationalen Handels und noch mehr Angriffen in der Region geführt, sagte Senator Bob Menendez, ein führender Außenpolitiker der Demokraten. Auch wenn es Trump sich anders wünscht: Die Lage im Irak könnte noch einige seiner Pläne durchkreuzen.

© SZ vom 02.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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