Ernährung:In der Steinzeit gab es reichlich Kohlenhydrate zu essen

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Immer nur Gemüse? Kartoffelähnliche Knollen gehören auch schon seit 170 000 Jahren auf den Speiseplan des Menschen. (Foto: Panthermedia/imago)
  • Forscher finden in einer Steinzeithöhle 170 000 Jahre alte Reste von kartoffelähnlichen Knollen.
  • Die stärkehaltigen Wurzelstöcke widersprechen der These, Steinzeitmenschen hätte sich kohlenhydratarm ernährt.
  • Offenbar wurden die Knollen für gemeinsame Mahlzeiten im Feuer gegart.

Von Kathrin Zinkant

Zu den jüngeren der vielen Märchen aus der Ernährungsforschung gehört die Legende, dass Kohlenhydrate grundlegend schlecht für den menschlichen Körper seien. Und klar, es leuchtet ja auch ein: Zucker versteckt sich heutzutage in den unwahrscheinlichsten Lebensmitteln, Weizen gilt sowieso als das neue Gift, und selbst Kartoffeln haben in jüngsten Ratgebern angeblich wissenschaftlich eins auf die Rübe bekommen, und zwar als Dickmacher. Dazu kommt, dass das physiologische Vorbild des heutigen Menschen, der Steinzeitmensch, ja noch gar kein Mehl, keinen Zucker, nicht mal stärkereiche Knollen wie die Kartoffel kannte. Der menschliche Körper weiß also schon von der Biologie her nichts mit Kohlenhydraten anzufangen - außer, Diabetes zu bekommen.

Doch wie eine aktuelle Studie im Wissenschaftsjournal Science jetzt zeigt, ist gerade das Steinzeitargument der kohlenhydratarmen, oft Paläodiät genannten Ernährungsweise wohl ein ziemlicher Schmarrn. Ein internationales Forscherteam hat in einer Berghöhle an der Grenze zwischen Südafrika und Swasiland jetzt nämlich zahlreiche 170 000 Jahre alte Überreste von im Feuer gerösteten, stärkehaltigen Wurzelstöcken gefunden. Wie ein Vergleich der stark verkohlten Artefakte mit heutigen heimischen Pflanzen unter dem Elektronenmikroskop deutlich zeigte, gehören die im botanischen Fachjargon "Rhizome" genannten Knollen zur Pflanzengattung Hypoxis, und sie enthalten mehr Kohlenhydrate und Energie als heutige Kartoffelsorten. Außerdem schmecken die Wurzelstöcke der in den Höhlen entdeckten Art Hypoxia angustifolia besser als die noch heute verbreitete, leicht bittere "Afrikanische Kartoffel" - bei der es sich ebenfalls um eine Hypoxia-Art handelt.

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Die Wurzeln belegen, dass Menschen schon in der Steinzeit gemeinsam kochten

Dass die Hypoxia-Knollen nicht zufällig oder durch Tiere in die Höhle gelangt sind, folgert das Team um die Evolutionsbiologin Lyn Wadley von der University of Witwatersrand im südafrikanischen Johannesburg aus der Zahl und der Vollständigkeit der Wurzelstöcke. Hinzu kommt, dass fast alle Rhizome in den Feuerstellen entdeckt wurden - und nicht irgendwo sonst in der Höhle. Die Forscher fanden außerdem Werkzeuge, die vermutlich genutzt wurden, um die Wurzeln auszugraben. Diese Stöcke sind mit 40 000 Jahren allerdings deutlich jünger als die knolligen Überreste aus den Feuerstellen.

Dennoch sind Wadley und Kollegen überzeugt, eine fundamentale Entdeckung über die Lebensweise früher Steinzeitmenschen gemacht zu haben. "Weil die Rhizome in die Höhlen gebracht und nicht gleich am Fundort zubereitet wurden, liegt es nahe, dass die Nahrung zu Hause gemeinschaftlich geteilt wurde", sagt Wadley. Die Forscherin ist sich zudem sicher, dass in den Höhlen nicht nur einmal, sondern regelmäßig gekocht wurde, auch wenn die Belege dafür noch spärlich sind. Und schließlich waren die Wurzeln ein gutes Vorratslebensmittel - wie Kartoffeln oder andere Knollengemüse lassen sie sich gut eine Weile aufbewahren. Was die Ernährung betrifft, so aßen die Steinzeitmenschen jedenfalls nicht nur Fleisch allein und ein paar Beeren, sondern frönten einer frühen Form des Gröstls.

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Für Freunde der Paläoküche mag das nun ein Rückschlag sein, denn irgendeine Ernährung muss doch die richtige sein. Vielleicht ist es aber doch bloß so, dass der Mensch sich auf sehr vielfältige Weise ernähren kann, solange von allem ein bisschen dabei ist, von nichts zu viel gegessen wird - und solange man sein Essen selbst kocht. Denn immerhin das kann man offenbar auch von den Vorfahren lernen: Gemeinsam kochen und essen gehört zum Menschsein dazu.

© SZ vom 07.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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