US-Luftangriff im Irak:Trumps Kriegserklärung

Der US-Präsident hat seine bisher bedeutendste außenpolitische Entscheidung getroffen. Er geht durch die Tötung des iranischen Kommandeurs Soleimani ein unkontrollierbares Risiko ein.

Kommentar von Stefan Kornelius

Im Nahen Osten hat an diesem Freitag eine neue Zeitrechnung begonnen. Mit einem einzigen Raketenangriff haben die USA die gesamte Unsicherheitsarchitektur der Region zerstört und die Pforten geöffnet für eine furchtbare Zeit der Unberechenbarkeit, der Gewalt und des Zerfalls.

Die Tötung des iranischen Kommandeurs Qassim Soleimani befördert den simmernden Konflikt zwischen den USA und Iran zum Vorkrieg. Was nun kommt, entzieht sich der Prognosefähigkeit: Terror, Raketenschläge, Destabilisierung, Bürgerkrieg im Irak und eine tatsächliche militärische Auseinandersetzung zwischen iranischen Marionetten und den USA auf Schlachtfeldern von Libyen bis Afghanistan - alles ist denkbar. Die Rivalität zwischen Teheran und Washington folgt nun nicht mehr den Regeln, die sich beide Seiten im Stillen auferlegt haben. Nun werden neue Gesetze geschrieben.

Viele Gründe gibt es, die Präsident Donald Trump dazu getrieben haben könnten, diese Tötung anzuordnen. Aber nicht mal in der Summe addieren sie sich zu einer plausiblen Strategie. Trump hat die ultimative Eskalation gewählt und dabei mehrere Stufen ausgelassen. Drei Jahre lang hat er seine Abneigung gegen Militärschläge zur stillen Maxime amerikanischer Außenpolitik erhoben. Der Rückzug der Militärmacht USA auch aus Nahost hat die Weltgewichte massiv verschoben und nicht zuletzt iranische Vormachtsfantasien angeheizt. Nun benutzt der amerikanische Präsident plötzlich das Militär wie ansonsten nur sein Twitter-Konto: impulsiv, unberechenbar, ungezügelt. Der Ring der Vernünftigen um ihn herum ist zusammengebrochen, Trump beginnt sein Wahljahr mit einer hoch dosierten militärischen Kriegserklärung - eine auch für seine Wiederwahl riskante Entscheidung.

General Soleimani war die Inkarnation der Unberechenbarkeit auf iranischer Seite. Ein Volksheld, ein Großstratege, die wohl mächtigste militärische und geheimdienstliche Figur des Landes, geadelt und geschützt durch die Nähe zum religiösen Führer, gehandelt als dessen Nachfolger. Irans Unrechtssystem und dessen brutale Ambitionen von Jemen über Libanon bis in die unmittelbare Nachbarschaft im Irak wurden von ihm entworfen und gesteuert. In Syrien wäre Diktator Baschar al-Assad ohne ihn nicht mehr an der Macht. Anders als Osama bin Laden, Milizenführer des IS oder andere Terror-Chefs betrieb Soleimani das Geschäft der Destabilisierung und auch des Terrors unter staatlichem Schutz.

Aus der Perspektive Teherans war Soleimani ein zentraler Vertreter des iranischen Staates, ermordet nun durch den Erzfeind, der die unsichtbare Linie überschritten und das Regime ins Herz getroffen hat. Aus der Perspektive der USA war Soleimani Kommandeur und Hirn eines verzweigten Vasallen- und Terrorsystems, das weite Teile der Welt in Unsicherheit stürzte. Und vermutlich findet Washington auch eine UN-Resolution für den Kampf gegen den Terror, die eine gezielte Tötung legitimiert.

Politisch und militärisch ist die rechtliche Deutung aber zweitrangig. Donald Trump hat die bedeutendste außenpolitische Entscheidung seiner bisherigen Amtszeit getroffen. Den Weg der Vernunft haben beide Seiten schon lange verlassen. Nun gibt es keine Barrieren mehr.

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